Prozessoptimierung im Dampfkessel: Füllstandmessung mit geführtem Radar

Als größter Harnstoff- und Ammoniakproduzent Deutschlands produzieren die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH eine breite Palette an Spezialitäten für die Agro- und Industriechemie. Im Bereich Industrie gehören Grundchemikalien wie Ammoniak, Harnstoff und Salpetersäure zum Produktportfolio von SKW. Um dieses Portfolio im Interesse der Kunden und Endverbraucher ständig weiterzuentwickeln unterhält das Unternehmen eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Zur Prozessoptimierung und Erweiterung der Spezialitätenpalette wurde in zahlreiche neue Anlagen sowie moderne Logistikbereiche investiert. So auch in eine neue Füllstandmessung für Dampfkessel.

In den unterschiedlichen Prozessbereichen eines Wasser-/Dampfkreislaufs spielt die hochgenaue, kontinuierliche Füllstandmessung eine wichtige Rolle. Für die Neuausrüstung in einem Dampfkessel hat SKW nach Alternativen zur bestehenden Schwimmerlösung gesucht. Aufgrund mechanischer Defekte, wie zerdrückte Schwimmer, kam es zu häufigen Ausfällen der Messung. Die Ausfälle wurden oftmals nicht erkannt, sodass für Kontrolle und Wartung ein erhöhter Aufwand bestand. Eine Differenzdruck- oder Verdrängermessung schied als Alternative aus. Durch die extremen Prozessbedingungen von ca. 106bar Druck und 314°C zeigten sich Messfehler durch schwankende Dichtewerte (siehe Bild 2). Geführtes Radar – zuverlässig unter allen Bedingungen Das Messverfahren geführtes Radar, oftmals auch als TDR Verfahren (TDR= time domain reflectometry) bezeichnet, hat sich in den letzten Jahren zum zuverlässigsten Messverfahren für die Füllstandmessung in Flüssigkeiten und Schüttgütern entwickelt. Bei diesem Messverfahren wird ein kurzer, elektromagnetischer Impuls im Nanosekundenbereich über eine Antennenmechanik auf einen metallischen Leiter (üblicherweise Edelstahlstab oder Edelstahlseil) induziert. Die dadurch entstehenden \’Energiepakete\‘ mit einem Durchmesser von ca. 30cm laufen – annähernd mit Lichtgeschwindigkeit – an der Sonde entlang. Trifft der Impuls auf die Materialoberfläche, verändert sich der Wellenwiderstand. Abhängig vom Dk-Wert (Dielektrizitätskonstante) des Mediums wird ein Teil des Sendeimpulses reflektiert und von einem Hochfrequenz-Sampler abgetastet. Durch die metallische Führung des Impulses ist unter allen Betriebsbedingungen (auch bei unruhigen Oberflächen von Flüssigkeiten, oder Schüttkegeln feinkörniger Medien) sichergestellt, dass der Impuls empfangen wird. Aus der Zeitdauer zwischen Aussenden des Signals und Empfangen des reflektiertem Impulses lässt sich die Distanz zwischen der Prozesseinkopplung (Flansch oder Gewinde) und der Oberfläche des Behälterinhaltes ermitteln. Gemessen wird somit eine SI Einheit (Zeitdifferenz), die mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle (Lichtgeschwindigkeit) verrechnet wird. Aufgrund dieser Funktionsweise ist das Messverfahren völlig unabhängig von Mediumsspezifischen Daten wie zum Beispiel Dichte oder Leitfähigkeit. Genau, auch unter Volldampf, durch Gasphasenkompensation Im Allgemeinen sind Radarwellen durch Temperatur, Druck und Gasschichtungen nicht beeinflussbar. Unter bestimmten Bedingungen ändert sich der Dk-Wert der Gasphase bei polaren Stoffen wie Wasser, Lösungen, Ammoniak, usw. jedoch beträchtlich. Durch diesen physikalischen Effekt reduziert sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Mikrowellensignale im Gas-Dampf-Gemisch oberhalb der zu messenden Flüssigkeit. Daraus resultiert, dass die Sonde einen zu geringen Füllstand anzeigt. Um auch in diesen anspruchsvollen Anwendungen einen genauen Messwert zu liefern, verfügt die Hochdruck-Hochtemperatursonde Levelflex M FMP45 über eine Kompensationsroutine. Eine definierte Referenzreflexion, kombiniert mit einem speziellen Software Algorithmus, berichtigt den Füllstandwert automatisch und bietet somit eine korrekte Messung. Dadurch wird gewährleistet, dass in allen Gasphasen, auch bei Temperaturen von -200 bis +400°C sowie einem Druck von -1 bis 400bar ein genauer und sicherer Messwert zur Verfügung gestellt wird. Die Funktion der Gasphasenkompensation kann bei Stabsonden im Bypass/Schwallrohr oder bei Koaxialsonden eingesetzt werden. Nach erfolgreichem Einsatz in dieser anspruchsvollen Anwendung wurde der Levelflex M FMP45 von SKW nun auch in weiteren Anwendungen zur kontinuierlichen Füllstandmessung sowie an der Dampftrommel zusätzlich als Hochwasser und Niedrigwasser-Begrenzer eingesetzt. Kasten: Das Füllstandmessgerät Levelflex M mit geführtem Radar bietet entscheidende Vorteile für den sicheren Betrieb: – Hohe Messsicherheit und keine Messfehler durch schwankende Dichtewerte in Abhängikeit von der Temperatur. – Laufzeitfehler, verursacht durch hohe Drücke und Temperaturen in der Gasphase bei polaren Medien (z.B. Wasser), werden automatisch und ständig durch eine Referenzelektrode mit definierter Länge kompensiert (automatische Gasphasenkompensation). – Geringe Lagerkosten, da große Anwendungsbandbreite (Temperatur -200 bis +400 °C, Druck -1 bis 400bar) – Installation im Bypass/Schwallrohr oder frei im Tank möglich. – Kontinuierliche Messung zur Prozesssteuerung sowie Grenzstanddetektion nach EN12952/12953 (Hochwasser, Niedrigwasser) in einem Gerät.

Thema: Allgemein
Ausgabe:
Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co. KG.
http://www.de.endress.com

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