Podiumsdisskusion sps/ipc/drives 2012

Welche Anforderungen an die Energieeffizienz der Prozesse stellt der Großanlagenbau?
Im Rahmen des ZVEI-Forums auf der SPS IPC Drives 2012 wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Frage erörtert, welche besonderen Anforderungen der Großanlagenbau an die Energieeffizienz der Prozesse stellt. Dabei wurden einige Aspekte zutage gefördert, die als handlungsleitend für Entscheider in Großanlagen dienen können. Die Podiumsteilnehmer waren Rolf Panzke, Walter Klug, Ernst Jäger und Gerald Mayr (vgl. auch Bilderleiste links). Die Moderation hatte Kai Binder.

Zum Auftakt der Podiumsdiskussion ging es um die Frage, wie groß das Einsparpotenzial im Großanlagenbau überhaupt ist und wie es um die Motivation der Anlagenbetreiber steht, in die Energieeffizienz zu investieren. Ernst Jäger, bei Emmerson Process verantwortlich für das Marketing in Deutschland, wies darauf hin, dass angesichts der teilweise energieintensiven Prozesse bereits kleine Einsparungen ein ganz erhebliches Volumen in Euro, aber auch in CO2 bedeuten: \“In einem Projekt mit dem zweitgrößten Stahlproduzenten Europas haben wir kürzlich drei bis fünf Prozent Energieeinsparung erzielt, was insbesondere in dieser energieintensiven Branche einen erheblichen Fortschritt darstellt. Generell hängt das Einsparpotenzial von den regionalen Gegebenheiten ab, wie dem Standort, den Energiepreisen vor Ort.\“ Walter Klug, bei ABB tätig im globalen Account-Management, ergänzt dazu: \“Wir haben in den letzten Jahren über eine Analyse der Energiewege ermittelt, dass mithilfe der Prozessautomatisierung bis zu 20% Energieeinsparung möglich wären. Um dies zu erreichen, müssen aber alle Faktoren des Anlagenbetriebs zusammen betrachtet werden: Maschine, Measurement und Environment.\“

Investitionsbereitschaft

Gerade im Großanlagenbau liegen also hohe Einsparpotenziale. Bis zu 20% der Energie könnten hier, nach Meinung der Experten, eingespart werden. Doch sind Anlagenbetreiber sich dieses Potenzials bewusst und auch bereit, die Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen zu tätigen? Rolf Panzke zeichnet ein differenziertes Bild: \“Immer häufiger stehen die Anforderungen an einen effizienten Umgang mit Energie bereits im Lasten- und Pflichtenheft eines Anlagenerrichters. In vorhandenen Anlagen geht es hingegen um die Optimierung des Energieverbrauches unter Berücksichtigung von Produktionsqualität, -quantität und Reproduzierbarkeit.\“ Auch in die Nachrüstung werde investiert, erläutert Walter Klug: \“Gerade Betreiber in Deutschland haben in den letzten Jahren das Thema Energieeffizienz und -optimierung sehr intensiv in ihren bestehenden Anlagen vorangetrieben. Daher sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, die Erkenntnisse in Pflichtenhefte für Neuanlagen umzusetzen. Auch die ersten Namur-Empfehlungen gibt es zu diesem Aspekt.\“ \“Die Investitionsbereitschaft fällt je nachdem, ob es sich um eine Neuanlage oder eine bestehende Anlage handelt, sehr unterschiedlich aus\“, findet hingegen Gerald Mayr, bei der Allianz-Tochter AGCS zuständig für die Versicherung von Öl- und Gasanlagen. Dabei spiele auch eine Rolle, in welchem Business-Segment man sich bewege. So sei die Betrachtungsweise bei Zementanlagen komplett anders als bei Öl-, Gas- oder Chemieanlagen. Man müsse in die Applikation eintauchen, ein Verständnis dafür entwickeln und gemeinsam mit den Anwendern Lösungen entwickeln, dann seien diese auch bereit, in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren, mahnt Rolf Panzke: \“Bei der Entwicklung von energieeffizienten Lösungen ist es ganz wichtig, dass man die Prozesse im Detail kennt\“, erklärt er. Gibt es geografische Unterschiede in der Bedeutung von Energieeffizienzmaßnahmen und ist die Bereitschaft in industrialisierten Staaten, die Großanlagen energieeffizient auszustatten, größer als vielleicht in den Schwellenländern? Rolf Panzke sagt hierzu: \“Auch in Ländern wie Indien, China oder Russland müssen Betreiber – auch auf Grund staatlicher Umweltschutzauflagen – auf eine größtmögliche Energieeffizienz ihrer Anlagen achten.\“ Allerdings gebe es in diesen Ländern noch einen Nachholbedarf. Walter Klug äußert sich ähnlich: \“Tatsächlich müssen Anlagen, die aus Deutschland heraus exportiert werden, mindestens die gleichen, wenn nicht sogar strengere, Spezifikationen für den Energieverbrauch aufweisen, wie hierzulande auch. Dies ist lediglich in den selbst energiefördernden Staaten des Nahen Ostens weniger kritisch.\“

Lebenszykluskosten betrachten

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Thema Lebenszykluskosten. \“Lebenszyklus und Energieffizienz gehören unbedingt zusammen\“, erläutert Walter Klug. Angesichts der langen Laufzeiten der Anlagen könne eine höhere Investition in Elemente zur Energieeffizienz durchaus sehr rentabel sein. In diesem Zusammenhang weist er auf ein Analysetool hin, das der ZVEI entwickelt hat und kostenlos bereitstellt. Es soll folgende Fragen beantworten soll: Wie hoch sind die Investitionskosten für eine Anlagenmodernisierung? Welche Einsparung lässt sich erzielen? Über welchen Zeitraum? Wann haben sich die Investitionen amortisiert? Kosten aus dem Lebenszyklus ergeben sich auch aus Stillständen durch Service und Wartung. Panzke dazu: \“Auch das Condition Based Monitoring und Management, das heißt die Anlagenüberwachung im laufenden Betrieb, spielt eine wichtige Rolle bei der Kostenbetrachtung.\“ Wenn die Überwachung und Mängelbeseitigung ohne den Stillstand der Anlage gelingen, so sei dies ungemein energiesparend. Und auch einen weiteren Aspekt dürfe man nicht vergessen, \“den Faktor Mensch\“, sagt Ernst Jäger: \“Weitere wichtige Faktoren sind über die reine Technik hinaus auch die sogenannten Soft Facts, also die Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Notwendigkeit eines energieeffizienten Betriebs über den gesamten Lebenszyklus der Anlage hinweg, z.B. durch Schulungen, Betriebsabläufe etc.\“

Was die Automatisierung leisten kann

\“Meiner Erfahrung nach können Automatisierer durchaus erheblich zu Energieeinsparungen und zum rentableren Betrieb beitragen\“, sagt Gerald Mayr und gibt ein Beispiel: Im Bereich der Wiederverwendung von Fackelgasen durch eine Gasturbine sei es gelungen, durch die Automatisierung eine so hohe Ausnutzung der Gase für eine erneute energiegewinnung zu erzielen, dass sich die aufwendige Aufbereitung auch wirtschaftlich gelohnt habe. \“In einem ähnlichen Beispiel konnte die Automatisierung im engen Zusammenspiel mit dem Lizenzgeber den NOx- Ausstoß so weit reduzieren, dass der Erwerb zusätzlicher Zertifikate nicht mehr nötig war\“, erläutert Rolf Panzke. Dass die automatisierungs- und verfahrenstechnische Optimierung ihren Anteil an den Energieeffizienzgewinnen hat, meint auch Walter Klug: \“Wir haben bei über 200 Öfen allein durch verfahrenstechnische Optimierung und Regelung die Verbrennung optimiert und geregelt. Dadurch konnte eine Energieverbrauchsreduzierung von drei bis fünf Prozent erreicht werden.\“ \“Dennoch ist die Automatierung nicht der einzige Faktor, der zu mehr Energieeffizienz führt\“, gibt Mayr zu bedenken. \“Ihr Potenzial kann sich nur in dem Maße entfalten, wie sie mit der Verfahrenstechnik zusammen spielt. Wenn dies nicht der Fall ist, können die erwarteten Einsparungen eventuell gar nicht realisiert werden und die Investition in Energieeffizienz bringt nicht den erwarteten Return.\“ Diese Meinung teilt auch Ernst Jäger: \“Für den Automatisierer ist es eben ein großer Unterschied, ob es sich um eine Neuanlage oder eine Anlagenertüchtigung handelt.\“ Bei der Neuanlage würden in der Regel die Kundenanforderungen nach dem neuesten Stand der Technik umgesetzt. Anders bei den Modernisierungen bestehender Anlagen: Hier müsse interdisziplinär gearbeitet werden, das heißt Verfahrenstechnik, Automatisierung und Consulting sollten eng zusammenarbeiten, um eine belastbare Entscheidungsgrundlage für energetische Maßnahmen liefern zu können, erklärt Jäger.

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