Seit 1913 steht Stockmeyer für traditionelle Wurstmacherkunst. Zusammen mit der Anton Riedl Spezialitäten GmbH und dem polnischen Hersteller Balcerzak bildet die Westfälische Fleischwarenfabrik Stockmeyer GmbH die Stockmeyer-Gruppe, in der die Fleischverarbeitungs-Aktivitäten der Heristo Aktiengesellschaft zusammengefasst sind. In der Fleischwarenfabrik im westfälischen Füchtorf unterstützt moderne Automatisierungstechnik die Herstellung der Wurst. Dort werden im Ein-Schicht-Betrieb knapp 100 verschiedene Sorten an Koch-, Roh- und Brühwurst hergestellt und im Zwei-Schicht-Betrieb verpackt. Monatlich verlassen ca. 4.000t Wurst die Produktion. Dabei stellt die Vielzahl der Prozesse große Herausforderungen an die eingesetzte Automatisierungstechnik. Fast für jede Wurstsorte gibt es verschiedene Rezepte für Inhalte und Herstellungsprozesse wie Abfüllen, Kochen, Autoklavieren oder Reifen. Für die einzelnen Fertigungsschritte waren bis Anfang 2004 unterschiedliche Maschinen mit verschiedenen Steuerungen im Einsatz. Sie arbeiteten unabhängig voneinander als Insellösungen. Um Fertigungsprozesse zu optimieren und eine geforderte Rückverfolgbarkeit zu erreichen, sollte nach und nach von Insellösungen auf eine komplett vernetzte Automatisierungslösung umgestellt werden. Ziel war es dabei nicht nur, die einzelnen Anlagenteile auf Feldebene miteinander zu verknüpfen, sondern auch, die Voraussetzungen für die vertikale Integration zu schaffen, beispielsweise ins Enterprise Resource Planning (ERP)-System.
Schritt für Schritt umrüsten
Bei ca. 300 eingesetzten Maschinen und Anlagen im Produktionsbereich kann eine Umrüstung nicht von heute auf morgen geschehen. Die Westfalen suchten daher nach einer flexiblen, skalierbaren Lösung, die sich nach und nach erweitern lässt, gleichzeitig die unterschiedlichen vorhandenen Schnittstellen unterstützt sowie die zukünftige Integration ins ERP-System ermöglicht. Die Wahl fiel auf Manufacturing Execution System (MES)- und Prozessleitkomponenten aus dem Hause GE Fanuc. Die Systemintegration vor Ort übernahmen die Experten für Prozessleit-Software und Steuerungen der NFT Automatisierungssysteme GmbH. \“Bei Stockmeyer sollten, obwohl viele verschiedene Steuerungen unterschiedlicher Hersteller im Einsatz sind, sämtliche Prozessdaten der Produktion samt Infrastrukturdaten an einer gemeinsamen Stelle archiviert werden\“, berichtet Dipl.-Ing. Klaus Lühn, Geschäftsführer beim Systemintegrator NFT. \“Hier sind GE Fanuc-Produkte geeignet, denn deren Software bietet viele Möglichkeiten, verschiedene Daten unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig erfüllen die Produkte die Forderungen der in der Lebensmittelindustrie wichtigen Protokollierungs-Richtlinie 21 CFR Part 11.\“ Bei der neuen Automatisierungslösung speichert der Historian Server – eine auf industrielle Anforderungen optimal abgestimmte Datenbank – Prozessdaten wie Temperaturen, Feuchte, oder pH- und Leitwerte. Das Proficy Real Time Information Portal (RTIP) setzt darauf auf und ermöglicht aufgrund des webbasierten Aufbaus den Zugriff auf die historischen und aktuellen Daten aus dem Firmen-Intranet. Die Visualisierung der einzelnen Produktionsbereiche wie z.B. Abfüllanlagen, Kochanlagen oder Rauch- und Reifeanlagen übernimmt Proficy HMI/ Scada-iFix. Der Zugang ist per Passwort geschützt, und es können verschiedene Bearbeitungsebenen angelegt werden. Schließlich ermöglichen derzeit ca. 20 CE-Bedienpanels die Visualisierung und Steuerung an einzelnen Anlagenteilen. Die neue Lösung wurde parallel zu den alten Anlagenteilen aufgebaut. Erst als das neue System voll funktionsfähig war, wurde umgeschaltet und das alte System abgebaut. Somit standen alle Daten auch während des Umrüstprozesses zur Verfügung. Uwe Rosenski, zuständiger Ingenieur für die Automatisierung bei Stockmeyer, erinnert sich: \“Angefangen hat alles Ende 2004 mit der Konzepterstellung. Die Umsetzung begann dann Anfang 2005. Zuerst wurden 100 Prozessknoten angebunden. Dann kamen nach und nach immer mehr dazu.\“ Inzwischen sind über 3.600 Datenpunkte angeschlossen. Das heißt, mehr als 50% der alten Anlagen sind umgerüstet. \“Neu angeschaffte Anlagen werden natürlich gleich ins neue Prozessleitsystem integriert\“, ergänzt Rosenski.
Standards für Flexibilität
Eine wesentliche Herausforderung war, die verschiedenen Maschinen mit unterschiedlichen Schnittstellen anzuknüpfen. \“Das war sicher einer der wichtigsten Gründe, warum die Wahl auf GE Fanuc fiel\“, erklärt Awraam Zapounidis, Key Account Manager für MES-Systeme. Im konkreten Projekt waren es ca. 30 verschiedene Schnittstellen. Dabei gab es auch Maschinen, die über zehn Jahre alt waren und deren Schnittstellen so heute gar nicht mehr eingesetzt werden. \“Da wir über 300 verschiedene Treiber in unserem Standardprogramm haben, konnten wir dieses Problem lösen und z.B. auch verschiedene Datenformate oder Zeitstempel verarbeiten\“, fügt Awraam Zapounidis hinzu. Die Systemintegration übernahm die NFT Automatisierungssysteme GmbH. \“Wir arbeiten schon seit 1995 mit NFT zusammen\“, berichtet Uwe Rosenski. \“Deren Mitarbeiter haben auch schon früher unsere Maschinensteuerungen programmiert. Wir merken immer wieder, wie gut es ist, dass sie nicht nur etwas von MES und Prozessleitsystemen verstehen, sondern sich auch mit der Feldebene und den Prozessen selbst auskennen.\“ Aufgrund der Erfahrung der Vergangenheit haben die Westfalen beim Einführen der Automatisierungslösung Wert auf Standards gelegt: Forderung an Hersteller neuer Maschinen ist es, dass diese eine auf OPC-Basis standardisierte Datensatzschnittstelle anbieten. Daneben war ihnen wichtig, dass das neue System nicht programmiert werden muss, sondern parametriert werden kann. Dadurch ist kein Experte nötig, der eine bestimmte Programmiersprache beherrscht. Gleichzeitig ist das Gesamtsystem weniger fehleranfällig, und auch die Wartung wird vereinfacht. Setzt man auf Standards, ist man unabhängig vom Systemintegrator und damit auch flexibel.
Sicherheit durch Redundanz
Die eingesetzten CE-Bedienpanels von GE Fanuc übernehmen nicht nur die Visualisierung und Steuerung der einzelnen Anlagenteile. Vielmehr erfassen sie mit den integrierten Datenkollektoren auch Prozess-, Betriebs- und Qualitätsdaten sowie Alarme über einen langen Zeitraum und speichern sie auf einer Compact Flash Card. Die so erzeugten Daten können entweder direkt oder verzögert (je nach Netzwerkanbindung) an den zentralen Datenserver übermittelt werden. Die dezentrale Redundanz schafft weitere Datensicherheit. Fällt einmal der Server aus, werden die Daten auf den Kollektoren so lange zwischengespeichert, bis der Server wieder läuft. Das können auch mehrere Tage sein. Nach Neustart des Servers werden die Daten automatisch synchronisiert. Uwe Rosenski war zuerst skeptisch, ob das wirklich funktionieren kann: \“Aber dann hatten wir ziemlich am Anfang tatsächlich am Wochenende einen Serverausfall. Als wir montags das System neu starteten, startete automatisch auch die Synchronisation mit den OPC-Kollektoren. Und tatsächlich, wir hatten keine Datenverluste. Weder die Qualitätsdaten samt Zeitstempel noch die Prozessdaten gingen dabei verloren.\“