Motion Control Teil 4 von 5: Maschinen modular bauen

Im Mittelpunkt unserer Artikelserie Motion Control steht diesmal das Zusammenspiel aus mechatronischen Systemen, objektorientierter Programmierung und modularen Maschinen. Denn mit diesen Schlagworten werden Maschinenbauer heute überall konfrontiert. Wie passt das alles zusammen und was verbirgt sich dahinter? Welchen Nutzen bringt das überhaupt und welche Lösungsvorschläge gibt es?

die Anforderungen an Produkte ändern sich rasant in einer globalisierten Wirtschaft. Was heute noch en vogue ist, muss morgen kleiner oder größer, günstiger oder einfach nur anders verpackt sein. Somit ändern sich laufend die Produktionsbedingungen, müssen Maschinen oder ganze Anlagen flexibel umgestellt werden. Deshalb müssen die Anlagen über Optionen verfügen, die sich im Nachhinein noch anbauen lassen, ohne die Maschine neu zu konstruieren oder zu programmieren. Mit herkömmlichen Methoden und Konzepten des Maschinenbaus ist das eigentlich nicht mehr wirtschaftlich realisierbar. Das Ziel kann also nur mit konsequenter Modularisierung erreicht werden. Das bezieht sich nicht nur auf die mechanische Seite – wobei die Maschinen heute schon mehr oder weniger modular konstruiert werden – sondern vor allem auf die Software. Denn die Maschinensoftware wird meist noch projektgetrieben entwickelt. Es ist also ein Kompromiss notwendig zwischen standardisierten Bauteilen und zugehörigen Softwarebausteinen (Modulen), die so flexibel sind, dass sich diese Module einfach und rückwirkungsfrei miteinander verbinden lassen. Schritte zur modularen Maschine An einem konkreten Beispiel soll die umfassende Modularisierung in den einzelnen notwendigen Schritten erläutert werden. Bis vor wenigen Jahren waren vor allem in der Druck- oder Verpa­ckungsbranche starre, mechanische Königswellen Stand der Technik. Heute ersetzen viele Maschinenbauer die starren, mechanischen Gebilde durch Einzelantriebe. Dazu synchronisieren sie deren Bewegungen – durch Software geregelt – mit einem Bussystem. Das ist bereits ein Quantensprung in der Flexibilität. Dann müssen aber die komplexen Abhängigkeiten in der Bewegungsführung auf einzelne Achsmodule und die Kommunikation zwischen ihnen abgebildet werden: Eine \’Achse\‘ besteht eben nicht nur aus den typischen Antriebskomponenten und den antriebsrelevanten Befehlen wie Positionieren oder Kurvenscheibe. Auch die Zuordnung und Kopplung zu Leit- oder Folgeachse, die Zuordnung zum physikalischen Antrieb (=Busadresse) usw. gehören dazu. Software, Antrieb und Motor wachsen also zusammen zu einer funktionalen, mechatronischen Einheit, die als autarkes Modul in einem Baukasten wiederverwendet und mit anderen Modulen verschaltet werden kann. Aus diesen grundlegenden Modulen müssen sich Aggregate bilden lassen, die sich wiederum in eine ganze Anlage einbinden lassen. Wenn möglich konfigurieren sie sich sogar \’auf Knopfdruck\‘ selbst – je nach Einbauplatz und Auftrag. Das klingt alles ziemlich kompliziert, aber die Umsetzung für den Anwender muss einfach sein. Die Software, die die Funktionalität bestimmt, muss daher modular aufgebaut sein. Sie muss demzufolge modular eingesetzt werden können – und zwar im Sinne der \’objektorientierten Programmierung\‘. Das heißt nichts anderes, als dass es Komponenten und Funktionen im Automatisierungssystem gibt, die die Funktionalität einer Achse kapseln, die Kommunikationsbeziehungen beinhalten, beliebig mehrfach aufgerufen werden können und auf die einzelnen Module in einer Maschine frei verteilt werden können. Modulare Maschinen, objektorientiert projektiert Das Automatisierungssystem Simotion von Siemens wurde von Beginn an als modulares System entwickelt. Es ist modular und skalierbar in Motor/Antriebseinheiten, Controller und entsprechend gestalteter Software. Das Ziel war es, modulare Maschinen schnell und kostengünstig zu entwerfen und in Betrieb nehmen zu können. Controller und Antriebseinheiten können zentral nebeneinander oder aber auch getrennt voneinander in die Maschine eingebaut werden. Jeder Controller hat mehrere Busschnittstellen onboard (Profibus oder Profinet), mit denen die einzelnen Controller samt Antriebe genauer als 1µs-genau synchronisiert werden können. Aber das Wichtigste ist die integrierte Systemsoftware. Um die Flexibilität des Systems einfach handhabbar zu gestalten, ist die Software objektorientiert ausgelegt. So werden etwa einzelne Antriebe komplett als so genannte Achsmodule abgebildet, die ihre gesamte Funktionalität als Datenmodell mit sich tragen – bis hin zu Nockenfunktionen und Kurvenscheiben. Zusätzlich enthalten sie alle Verschaltungs- und Kommunikationsinformationen, die automatisch dann \’ihrem\‘ Antriebsmodul zugeordnet werden – unabhängig davon, wo es sich im Anlagenverbund befindet. Es ist also egal, ob diese \’Achse\‘ innerhalb einer zentralen CPU oder in einer ausgelagerten, dezentralen Moduleinheit abläuft. Die Achsmodule müssen vom Anwender nur aktiviert und zugeordnet werden. Es muss also nicht mehr Zeile für Zeile ausprogrammiert werden. Es geht jetzt mehr um das Verständnis von Funktionszusammenhängen und den notwendigen Funktionsaufrufen. Das eigentliche, in Wirklichkeit ziemlich aufwendige Programm samt Kommunikation zwischen den Programmmodulen wird als Systemleistung zur Verfügung gestellt und braucht nur aufgerufen zu werden. Dadurch lassen sich z.B. ganze Drucktürme zu- oder abschalten. Auch sogenannte Anlieger kann der Anwender dann beim Zusammenstellen von Werbeprospekten ein- oder ausbauen, ebenso wie einzelne Spinnstellen in einer Textilfaseranlage. Das geschieht so komfortabel, dass das jeweilige Anlagenteil beim Ankoppeln in die Anlage den Einbauplatz erkennt, die Adresse und den Stationsnamen zugeteilt bekommt und darüber das zum Einbauplatz passende Programm laden kann. Somit verlagert sich die eigentliche Ingenieursleistung wieder dahin, wo sich der Maschinenbauer zu Hause fühlt: Was muss seine Maschine bieten und leisten? Er muss nicht mehr beachten, wie das Zeile für Zeile codiert werden muss. Nutzen der modularen Projektierung Belohnt werden die, die diesen Weg zur Modularisierung konsequent gehen: durch massive Einsparungen an Zeit und Kosten, von der Angebotsphase bis hin zum Aufstellen der Anlage. Und wegen der vielfältigen Möglichkeiten, die sich bei den flexiblen Anpassungen in der Produktion selbst ergeben: durch die Wertschätzung (auch im materiellen Sinn!) der Endkunden, die ihrerseits die Wünsche der Käufer in möglichst kurzer Zeit zu vernünftigen Preisen befriedigen können – und sehr wahrscheinlich dann die nächste Maschine oder Anlage vom gleichen Anbieter kaufen! Das alles erfordert natürlich vom Maschinenbauer ein Umdenken, weg von der reinen Codierung wieder hin zur Funktion, zur Lösungsfindung des (End)kundenproblems: Das strikte Denken und Arbeiten in wiederverwendbaren Funktionen. Und es erfordert Systemfunktionen, wie sie Simotion bietet, von der Kapselung der Softwaremodule bis hin zu der integrierten Kommunikationsleistung.

Siemens AG
http://www.siemens.de/motioncontrol

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