Im Verpackungsmaschinenbau gibt es zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen, die sich auf bestimmte Branchen oder Verpackungsaufgaben spezialisiert haben. Ihre Marktposition verdanken sie in hohem Maße der Fähigkeit, die individuellen Aufgabenstellungen in eine leistungsfähige Maschine oder Anlage umzusetzen.
Zielkonflikt: Standardisierung oder Individualisierung?
Hier handelt es sich also um klassischen Sondermaschinenbau in Losgröße Eins, wobei der technische wie auch der wirtschaftliche Erfolg teilweise darauf basieren, einen Zielkonflikt zu beherrschen. Einerseits verlangt der Anwender (und die Anwendung) eine bestmöglich angepasste, also individuelle Maschine oder Anlage. Andererseits ist eine erprobte Konstruktion gefragt und der Maschinenbauer ist auf ein effizientes, und auch standardisiertes Konstruktions- und Produktionskonzept angewiesen. Die Firma Wächter Packautomatik hat diesen Zielkonflikt in der Vergangenheit schon gemeistert. Das Unternehmen mit rund 160 Mitarbeitern gilt als Spezialist für Anlagen, die Kartons und Trays aufrichten, befüllen und verschließen – so genannte Tray- und Wrap-Around-Packer. Zu den Hauptabnehmern dieser Anlagen gehören Unternehmen der Nahrungsmittel-, Getränke- und Konsumgüterindustrie, sowie der Fußbodenindustrie.
Aus der Forschung in den Mittelstand
Die Verantwortlichen bei Wächter Packautomatik müssen die Effizienz in der Konstruktion und Produktion kontinuierlich verbessern und die richtige Balance zwischen der Standardisierung und Individualisierung finden. In einem Transferprojekt des Clusters it\’s OWL erhielten sie dabei entsprechende Impulse aus der Forschung. Ziel des Projektes war die Modularisierung und Standardisierung von einem bestimmten Maschinentypen – mit dem Ziel, verstärkt Wiederholteile und -konstruktionen einzusetzen und damit in beiden Bereichen eine höhere Effizienz zu erreichen. Ein Grundgedanke dabei war, dieses neue Denken schon in der Angebotsphase, d.h. möglichst früh im Prozess einzusetzen. Denn je früher man damit startet, desto größer sind die möglichen Effizienz- und Zeitgewinne.
Disziplinübergreifende Konstruktion
Im Projekt arbeitete Wächter Packautomatik zusammen mit dem Fraunhofer IEM in Paderborn. Die Abteilung Produktentstehung, in der rund 30 der 80 Mitarbeiter des Institutes tätig sind, erforschen u.a. die neue Konstruktionsmethodik des Systems Engineering und entwickeln sie zur Praxistauglichkeit weiter. Mit diesem Begriff bezeichnet man – vereinfacht gesagt – eine gewerke- und disziplinübergreifende Konstruktion von Maschinen und Anlagen und somit eine Abkehr von der schrittweisen Abfolge durch die einzelnen Gewerke Mechanik, Elektrotechnik und Programmierung. Ziel einer Konstruktion nach dem Prinzip des Systems Engineering ist die mechatronische Systembeschreibung einer Maschine.
Beschreibung eines vorhandenen Anlagentyps
Eine solche Beschreibung nahmen die Projektbeteiligten des IEM und von Wächter Packautomatik zunächst für einen vorhandenen Tray- und Wrap-Around-Packer vor. Diese Maschinen, die unter dem Markennamen Cartojet weltweit im Einsatz sind, bestehen aus mehreren Stationen und eignen sich somit gut für die Modularisierung. Aus der virtuellen Aufteilung der Maschinen resultierte ein Baukasten, aus dem im zweiten Schritt ein Produktkonfigurator entstand. Konkret wurden zunächst die denk- und realisierbaren Funktionen einer Cartojet-Anlage hierarchisch gegliedert dargestellt, mit allen relevanten Konstruktionsdaten aller beteiligten Gewerke. Diese Funktionen – es sind mehr als fünfzig – lassen sich zu Systemelementen zusammenfügen, wobei der Konfigurator so intelligent ist, dass er auf vorhandene Lösungen zurückgreifen und inkompatible Lösungen ausblenden kann. Im Idealfall bedeutet diese Vorgehensweise: Der Konstrukteur wählt im Konfigurator Funktionsmodule und Systemelemente aus, die zu kompletten kundenspezifischen Maschinen und Anlagen verknüpft werden können. Dabei bestehen die Module jeweils aus Konstruktionsdaten verschiedener Gewerke. Das verlangt die Abkehr von der traditionellen Methodik, ein Gewerk nach dem anderen zu konstruieren und die Konstruktionsdaten von der Mechanik über die Elektrotechnik bis zur SPS-Programmierung sozusagen durchzureichen und zu bearbeiten.
Der Cluster it\’s OWL unterstützt Unternehmen bei der sukzessiven Umsetzung von Industrie 4.0. Das Programm \’solutions\‘ bietet beispielsweise bis Dezember 33 Veranstaltungen zu neuen Technologien, Geschäftsmodellen und Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Im Projekt \’Industrie 4.0 für den Mittelstand\‘ werden Schulungen, Quick Checks und lernende Netzwerke für KMU umgesetzt. Und das Kompetenzzentrum für den Mittelstand \’Digital in NRW\‘ unterstützt KMU durch praxisnahe Angebote bei der Digitalisierung von Produkten, Produktion und Prozessen, wie beispielsweise durch Demonstrationszentren. www.its-owl.de