Interview mit Dr. Gernot Bachler, B&R

\“Hinter den Kulissen trennt sich die Spreu vom Weizen\“

Mit dem auf der SPS IPC Drives 2014 gelaunchten Servoverstärker Acopos P3 hat B&R seine Antriebsfamilie erweitert. Der neue Servoverstärker hat sich mittlerweile in Kundenprojekten erfolgreich bewährt. Das SPS-Magazin sprach mit dem B&R-Antriebsspezialisten Dr. Gernot Bachler über das Potenzial des P3 für Maschinenbau und Robotik.

B&R hat sein Angebot an Antriebstechnik mit der Acopos-P3-Baureihe ausgebaut. Mit welcher Ausrichtung ist der neue Servoverstärker an den Start gegangen, Herr Dr. Bachler?

Dr. Gernot Bachler: Mit der neuen Verstärkerbaureihe wollten wir die Leistungsdichte erhöhen und Bauraum im Schaltschrank einsparen. Gleichzeitig wollten wir ein Gerät mit Mehrachsfunktionalität inklusive Leistungsversorgung anbieten. Man muss hier berücksichtigen, dass der Acopos P3 ein anderes Anwendungsfeld bedient als der Acopos Multi, der seine Vorteile vor allem bei Applikationen mit sehr vielen Achsen ausspielt. Die P3-Baureihe punktet hingegen mit der kompakten Bauweise. Z.B. und gerade in der Robotik bieten sich diese Servoverstärker an: Hier lässt sich mit zwei Geräten ein Sechsachser ideal ansteuern.

Der offizielle Launch des Verstärkers war auf der SPS IPC Drives 2014. Seit wann ist Acopos P3 beim Kunden im Einsatz?

Bachler: Bereits im Frühling 2015 konnten wir mit den ersten Kundenprojekten starten. Dabei haben wir extrem gute Erfahrungen gemacht. Zur SPS IPC Drives im vergangenen Jahr haben wir zudem ein Update realisiert, mit dem wir noch mehr aus dem P3 herausholen.

Um welche Neuerungen geht es denn bei diesem Update?

Bachler: Bei den jüngsten Neuerungen handelt es sich z.B. um eine noch höhere Leistungsdichte. Durch intensives Ausloten der physikalischen Grenzen haben wir festgestellt, dass insbesondere das Kühlkonzept des Acopos P3 mehr zulässt als wir ursprünglich angenommen hatten. Daneben haben wir auch dem Fortschritt auf Prozessorseite Rechnung getragen und stellen eine höhere Rechenleistung zur Verfügung. Dadurch ergeben sich wiederum neue Möglichkeiten in der virtuellen Sensorik. Das ist ein Feld, welches unsere Kunden immer mehr beschäftigt.

Man kann also auf gewisse Messstellen verzichten?

Bachler: Genau. Man spart sich physikalische Sensoren beziehungsweise ermöglicht überhaupt erst Konzepte, bei denen es technisch gar nicht möglich ist, Sensoren anzubringen. Eine weitere wichtige Neuerung sind P3-Varianten mit integrierten Sicherheitsfunktionen. Diese werden demnächst zertifiziert. Neu hinzugekommen ist auch eine P3-Variante für die aktive Rückspeisung von Bremsenergie.

Können Sie konkrete Anwendungen benennen, wo sich die Eigenschaften der Acopos-P3-Serie auszahlen?

Bachler: Beispielsweise in der Halbleiterindustrie. Dort gibt es steife Maschinen mit sehr hoher Dynamik, aber nur extrem geringen Massen. Solche Applikationen sind für die virtuelle Sensorik prädestiniert. Auch im Verpackungsbereich bietet die virtuelle Sensorik zahlreiche Vorteile. So lassen sich Position und Geschwindigkeit eines Antriebs ohne zusätzliche Gebersensorik regeln. Ein weiterer spannender Bereich ist der Werkzeugmaschinenbau.

Sie sprachen eben schon Roboter an. Welche Chancen sehen Sie hier?

Bachler: Die Robotik ist definitiv ein spannender Markt. Der italienische Roboterhersteller Comau setzt seit Jahren auf B&R-Antriebstechnik. Das Unternehmen stattet nun seine neueste Roboterserie mit Acopos P3 aus. In der Robotik spielt auch die Sicherheitstechnik eine große Rolle: Bei der Mensch/Roboter-Kollaboration sind schnelle, sichere Reaktionen unabdingbar.

Welche Vorteile bringt Ihnen die Motion-Kompetenz gegenüber Mitbewerbern auf der Steuerungsseite zum einen, aber auch gegenüber den klassischen Anbietern von Antriebstechnik?

Bachler: Dass Antriebs- und Steuerungstechnik immer enger zusammenwachsen ist ein bekannter Trend. Entsprechend erweitern die Hersteller auf beiden Seiten ihr Portfolio in die jeweils andere Richtung. Angeblich kann jeder auf einmal alles und der Anwender tut sich auf den ersten Blick schwer, zu unterscheiden, wie weit die Kompetenzen tatsächlich gehen. Deshalb muss man hinter die Kulissen schauen, denn in der konkreten Applikation trennt sich die Spreu vom Weizen. B&R ist als Automatisierungsspezialist gestartet und hat sich seit dem Start von Acopos im Jahr 1999 konsequent in Richtung Antriebstechnik entwickelt. Wir haben in den vergangenen 17 Jahren sehr viel Antriebs-Know-how gesammelt und rüsten jährlich eine große Anzahl an Achsen aus, sodass wir mittlerweile zu den etablierten Motion-Anbietern zählen. Auch auf dem Gebiet der Robotik haben wir umfangreiche Kompetenz aufgebaut. Immer häufiger kommen Roboter im Maschinenbau zum Einsatz. Unsere Kunden brauchen – gerade im Verpackungsbereich – individuelle kinematische Lösungen.

Dort geht es also nicht um den klassischen Sechsachser wie in der Automobilbranche?

Bachler: Ein Sechsachs-Knickarmroboter ist keine schlechte Messlatte, aber unser Anspruch ist es, beliebige kinematische Strukturen umzusetzen und vollständig in unsere Automatisierungslösungen zu integrieren. Die bisher gängige Trennung von Robotik und Automatisierung schränkt die Geschwindigkeit und Präzision vieler Anwendungen ein. Wenn es wirklich um Mikrosekunden und hohe Performance geht, sehen wir uns mit der Integration der Robotik in die allgemeine Maschinensteuerung als technologischen Vorreiter. Unsere integrierte Lösung unterscheidet uns deutlich von den Mitbewerbern im Robotikbereich und der Antriebtechnik.

Gibt es Bereiche in der Motion, die B&R bislang noch nicht besetzt hat, oder bieten Sie Ihren Kunden hier schon einen kompletten Baukasten?

Bachler: Wir sind schon ziemlich komplett – zumindest in einem Leistungsbereich von 400W bis 120kW.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch auf den Punkt Virtual Motion kommen: Welche Besonderheiten kann B&R in Sachen Simulation und Co. anbieten?

Bachler: Dieses Thema hatten wir von Beginn an im Fokus. Das geschah nicht zuletzt aus Eigeninteresse: Wir wollten Algorithmen und Reglerstrukturen vorab testen, um optimale Produkte auf den Markt zu bringen. Das Spannende an unseren integrierten Simulationsmechanismen ist, dass wir in der Simulation den originalen Quellcode und sogar die originale Firm- und Software verwenden. Nur so wird gewährleistet, dass die Simulation die Realität detailgetreu abbildet. (mby)

Die neuen Doppelachsmodule der Reihe Acopos P3 von B&R speisen Bremsenergie zurück ins Netz. Mithilfe dieser Funktion lässt sich der Wirkungsgrad einer Maschine deutlich verbessern. Bereits bei Rückspeiseleistungen von 500W amortisiert sich die Funktion innerhalb eines Jahres. Bei Werkzeugmaschinen z.B. entstehen hohe Leistungen von bremsenden Hauptspindelantrieben, die sich rückspeisen lassen. Ebenso eignet sich die Funktion für Förderanlagen, die schwere Lasten häufig vertikal bewegen. Ohne Rückspeisefunktion wird die anfallende Bremsleistung in Wärmeenergie umgewandelt und erfordert darüber hinaus einen Ausbau des Kühlsystems, was den Energieverbrauch erhöht. Bei den neuen doppeltbreiten Modulen der Reihe Acopos P3 ist die Rückspeisung effizient umgesetzt. Eine der Achsen des Doppelachsmoduls ist als Rückspeisepfad konfiguriert. Sie speist die überschüssige Energie zurück ins Netz. Neben den neuen Doppelachsmodulen bieten auch die aktiven Leistungsversorgungsmodule der Antriebsreihe Acoposmulti die Funktion der Netzrückspeisung. Zusätzlich verfügen diese Modelle über weitere Eigenschaften wie die Stabilisierung der Zwischenkreisspannung oder die Kompensation der Blindleistung.

B&R Industrie-Elektronik GmbH
http://www.br-automation.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen