Energieeffizienz in der Produktion

Nachdem wir in der letzten Ausgabe begonnen haben die zahlreichen Aspekte zu betrachten, die das Thema Energieeffizienz in der Produktion aufwirft, bildet der vorliegende Beitrag den vorläufigen Abschluss dazu. Die Aspekte erläutern wir anhand einer Podiumsdiskussion, die während der SPS/IPC/Drives 2009 in Nürnberg geführt wurde. Es diskutierten: Dr. Alexander Horch (ABB), Bernhard Hünermund (Schneider Electric), Jürgen Lauber (Saia-Burgess) und Dr. Gerd Ulrich Spohr (Siemens AG). Die Moderation führte Kai Binder, Chefredakteur des SPS-MAGAZINs.

Wie wenig man schon mit kleine Maßnahmen erreichen kann, darum ging es zunächst im ersten Teil unseres zweiteiligen Berichts über die Podiumsdiskussion \’Green Automation – Energieeffizienz in der Produktion\‘. Oft steckt viel Energieeinsparpotenzial in den Nebenanlagen, die man daher bei der Betrachtung der Energieeffizienz bevorzugen sollte. Auch ein intelligentes Abschalten von Produktionsmitteln sowie deren Nebenanlagen wurde diskutiert. Dazu wird derzeit das ProfiEnergy-Profil von der Profibus Nutzerorganisation erarbeitet, dass dafür sorgt, dass Teilnehmer in einen Schlafmodus versetzt und rechtzeitig wieder \’geweckt\‘ werden können. Auch der Einsatz von Druckluft – darin waren sich alle Experten einig – ist in Zeiten der energieoptimierung zu vermeiden, wo es möglich ist. Statt dessen durchgängig elektrische Antriebe einzusetzten hat darüber hinaus noch weitere Vorteile, beispielsweise im Engineering. Natürlich spielt die elektrische Antriebstechnik einen zentralen Schwerpunkt in der Debatte um Energieeffizenz. Zum Einen steckt ein enormes Einsparpotenzial mit außerordentlich kurzen Amortisationszeiten in der Substitution starrer Antriebe durch drehzahlgeregelte, beispielsweise in Pumpen, Lüftern usw. Damit sei bereits ein Drittel des Energieverbrauchs der Industrie einzusparen. Zudem werden demnächst neue europäische Vorschriften in Kraft treten, nach denen die Motoren in Energieeffizienzklassen eingeteilt werden – die Einsparpotenziale liegen hier allerdings lediglich im einstelligen Prozentbereich. All diese Themen waren Inhalt des ersten Teils unserer Berichterstattung, nachzulesen in Ausgabe 1+2 des SPS-MAGAZINs 2010, S.28ff.. Energieeffizienz als Wettbewerbsfaktor Das Thema Energieeffizienz ist in vielen Schwellenländern ein bedeutendes Thema. Hier erfordert schon allein die Infrastruktur ein Blick auf die Verbrauchswerte von Maschinen und Anlagen. Jürgen Lauber dazu: \“Ich denke, dass der europäische oder deutsche Maschinenbau gefahr läuft, etwas zu verschlafen. Energie ist in Europa oft nur ein Thema für \’grüne Spinner\‘. In der Wirtschaft und in der Fertigungsindustrie spielt das momentan eine untergeordnete Rolle. In vielen Ländern, selbst in China, ist Energieversorgung jedoch ein Problem. Die Anschlussleistung des Produktionsgebäudes ist dort ein wichtiges Thema. Es ist gefährlich für den europäischen Maschinenbau, dass ihm das Thema bisher eher egal war und dass andere in diesem Bereich mit Innovationen kommen.\“ Ulrich Spohr ergänzt: \“Hier kann man Parallelen zur Prozesstechnik ziehen, wo die Energiekosten immer schon einen wesentlich höheren Anteil an den Gesamtkosten der Anlage darstellen. Daher hat man in diesem Bereich auch früher erkannt, dass optimaler Einsatz von Energie die Betriebskosten deutlich positiv beeinflussen kann und somit auch die Wirtschaftlichkeit der Anlage.\“ Auch Alexander Horch sieht das so und erläutert: \“Wir wissen nicht, wann Energie teurer wird. Aber dass sie teurer wird, und zwar sehr viel teurer als heute, das bestreitet niemand mehr wirklich. In China ist Energie nicht deshalb knapp, weil sie so wahnsinnig teuer ist, sondern weil sie tatsächlich knapp ist: Die Kraftwerken kommen mit der Stromproduktion einfach nicht hinterher. Es steht also schlicht nicht ausreichend Energie zur Verfügung. Und wenn ich nicht soviel habe, dann muss ich sparen. Das heißt, diesen Bedarf an effizienten Lösungen gibt es schon jetzt und er wird auf jeden Fall größer. Wer sich jetzt nicht dafür bereit macht, der hat am Ende das Nachsehen.\“ Umgang mit bestehenden Anlagen Doch auch ganz ohne technische Maßnahmen kann man den Energieverbrauch einer Anlage deutlich optimieren. Alexander Horch nutzt zur Illustration einen Vergleich mit dem Autofahren: \“Sie können ein Auto auf verschiedene Art fahren und dadurch sehr viel sparen. Jeder von Ihnen, der einen Spritsparkurs mitgemacht hat, kann das nachvollziehen: Das Auto ändert sich nicht, die Einsparungen ändern sich aber dramatisch – je nachdem, wie man fährt. Das Gleiche kann man in der Industrie auch machen. Ein konkretes Beispiel, ist die Kesselanfahrt in Kraftwerken. Diese ist sehr aufwendig: Man fängt an, den Kessel mit Öl zu befeuern, um ihn so – entlang der Stressgrenzen – langsam aufzuwärmen. Anschließend gibt man Kohlenstaub hinzu, bis der Kessel auf Betriebstemperatur ist. Jetzt kann man Strom Normalerweise machen das Anlagenfahrer per Hand. Mit Hilfe von Optimierungsverfahren ist es nun möglich diesen Aufwärmprozess so zu automatisieren, dass durchgehend etwa 20% weniger Energie verbraucht werden. Allein durch die Fahrweise, kann ich also enorme Energiemengen einsparen.\“ Der ganzheitliche Ansatz Dass Energie jedoch nicht nur den Aspekt von Verbrauch und Kosten trägt, darauf macht Bernhard Hünermund aufmerksam. Er ist Produktmanager für Power-Monitoring-and-Control-Produkte bei Schneider Electric. \“Wir verfolgen bei Energieeffizienzanalysen stets einen ganzheitlichen Ansatz. Effizienz als Zielstellung umfasst daher immer die drei Teilgebiete Kosten, Qualität und Verfügbarkeit. Energie ist schließlich nicht nur eine Ressource, die reine Bezugskosten mit sich bringt. Sie ist ein Produktionsmittel, dessen Qualität passen muss und sie ist eine nicht immer verfügbare Ressource. Dieses \’nicht immer\‘ muss man anhand der Bedürfnisse der Verbraucher beurteilen. Ein spektakulärer Netzausfall, wie wir ihn im November 2006 europaweit erlebt haben, geht natürlich durch die Presse. Aber es sind zunehmend Kurzunterbrechungen im Millisekundenbereich, die den neueren elektronischen Verbrauchern Probleme bereiten. Damit wird auch Power-Quality immer wichtiger für einen effizienten Energieeinsatz in der Produktion.\“ Beratung ist notwendig Die vielen Aspekte, die allein in der etwa einstündigen Diskussion zur Sprache kamen, machen eines deutlich: Die Ansatzpunkte sind vielfältig und wer sich nicht verzetteln will, braucht einen Plan, eine Strategie. Hier ist Beratung hilfreich, möglichst von Experten, die sich bereits seit Jahren mit diesen Dingen auseinandersetzen. Spohr dazu: \“Es gibt nahezu bei allen großen Elektrofirmen und Elektroingenieurfirmen Zweige, die professionell Beratungsdienstleistungen erbringen. Dort gibt es Gruppen, die sich auf die Analyse von Produktionsanlagen und ihren Verbrauch spezialisiert haben. Mit eigens enwickelten Methoden entdecken sie Einsparungsmöglichkeiten und quantifizieren sie, um dem Betreiber eine klare Auswahl zu Verfügung zu stellen, welche Möglichkeiten einer Optimierungen bestehen.\“ Jürgen Lauber hingegen rät zu einer Herstellerunabhängigen Beratung. \“Ich spreche jetzt für die normale Stückgutfertigung: Ich empfehle den Anwendern, keine Beratung durch Automatisierungs-Hersteller in Anspruch zu nehmen, denn diese haben ihre eigenen Interessen, da nehme ich uns nicht aus. Es gibt heute Hunderte von Systemintegratoren, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben. Die haben Referenzprojekte und können nachweisen, was sie eingespart haben. Und: Sie beraten völlig hersteller- oder fabrikatsneutral.\“ Auch staatliche Stellen sind bei der Einarbeitung des Themas durchaus hilfreich. Dr. Alexander Horch nennt eine Broschüre vom hessischen Umweltministerium als Beispiel, die das Thema umfassen behandelt: \“Das ist eine gute Quelle, um unabhängige Informationen zu bekommen, wie man das Thema angehen kann. Darin wird sehr dringend geraten, dass Firmen eine Top-Down-Strategie anwenden, das bedeutet, das Management muss die Bedeutung der Zielsetzung erkennen, sonst laufen alle Maßnahmen ins Leere. Es wird vorgeschlagen, dass es eine Art Energie-Manager im Unternehmen gibt, der die ganzen Aktivitäten vorantreibt und koordiniert.\“ Anregungen für die Umsetzung Welche Tipps geben unsere Experten auf dem Podium den Anwendern mit auf den Weg? Zunächst Jürgen Lauber: \“Werfen Sie alle alten Denkweisen und Handlungsmuster über Bord und legen Sie los. Warten Sie nicht auf den großen Top-Down-Entwurf, denn bei vielen Maßnahmen kommen einem die Bedenkenträger dazwischen. Denken Sie über ganz andere Wege nach und staunen Sie, was man machen kann!\“ Dr. Alexander Horch: \“Es lässt sich viel Energie einsparen, schätzungsweise 10 bis 15%. Allerdings glaube nicht, dass es die eine große Maßnahme ist, sondern viele klein. Die zweite Botschaft: Optimierung des Energieeinsatzes ist ein kontinuierlicher Prozess. Was wir haben, ist schon sehr gut und alles, was wir darüber hinaus wollen, ist Arbeit und Anstrengung. Es wird nicht einfach, aber es wird nur der gewinnen, der sich der Arbeit annimmt. Wer jetzt anfängt, gewinnt. Denn jetzt ist die Chance das zu bewegen, was uns in den nächsten Jahren tragen wird.\“ Dr. Ulrich Spohr: \“Ich rate, die Anlage als Ganzes kritisch aber unvoreingenommen unter die Lupe zu nehmen. Wo habe ich welche Energieverbräuche? Wo tun sie mir besonders weh? Was kann ich besser machen? Manchmal muss man auch Teile des Prozesses in Frage stellen.\“ Bernhard Hünermund: \“Die Messung als erster Schritt ist wesentlich. Was wir immer wieder feststellen dürfen ist, dass wenn die Messung den eigentlich bekannt geglaubten Prozess objektiv darlegt, die größten Überraschungen entstehen. Es stellt sich oft ein ganz anderes Bild dar als erwartet. Das zeigt, welche Potenziale sich selbst in einem typischen eingefahrenen Prozess verbergen – da sind überall Verbräuche, mit denen man nicht gerechnet hat.\“ Fazit Das Thema Energieeffizienz in der Produktion hat viele Facetten und so manche Überraschung zu bieten, wenn wir erstmal anfangen zu messen. Starten statt warten! war die einhellige Meinung der Experten, denn Energieeffizienz ist nicht nur eine Herausforderung, sondern sie ist auch eine enorme Chance, insbesondere für den deutschen Anlagen- und Maschinenbau, der von der Bewältigung dieser Herausforderungen nur profitieren kann. (kbn) www.zvei.org

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