Mit der Verbreitung industrieller Ethernet-LANs haben auch zahlreiche weitere Baugruppen die Feldebene erreicht, um von Haus aus nicht LAN-fähige Subsysteme in ein unternehmensweites Netzwerk einzubinden. Sogenannte Device Server oder Serial Server fügen Geräte mit RS-232-, RS-422- oder RS-485-Schnittstellen in Ethernet-LANs ein. Feldbus Gateways integrieren beliebige Feldbussysteme in ein LAN usw. Die VoIP-Nutzung sollte also auf keinen Fall ein weiteres Koppelsystem erfordern. Wünschenswert wäre vielmehr ein Zustand, wie in Bild 2 dargestellt. Ein Multiservice Gateway in der Feldebene integriert RS-232/RS-422/RS-485-Geräte per Com Port Redirector. Feldbusse – beispielsweise CAN per CAN2LAN Bridge – werden gleichzeitig über eine entsprechende Bridge/Router-Funktion, digitale und analoge Signale mithilfe entsprechender Ein- bzw. Ausgänge eingebunden. Zudem bietet der Gateway noch die entsprechenden Protokolle, Codecs und Schnittstellen für die VoIP-Sprachkommunikation. Diese Funktionsvielfalt ist nun durch immer leistungsfähigere Mikrocontroller, industrietaugliche Flash-Speicherlösungen und hochwertige Betriebssystemplattformen realisierbar.
Gateway-Module beschleunigen die Entwicklung
Als Basis für die Entwicklung eigener Multiservice Gateways eignet sich der DNP/5370 aus der Familie der DIL/NetPCs. Dieses Embedded-Linux-Modul basiert auf einem Analog Devices BF537 Blackfin 32Bit-Microcontroller, der mit 600MHz betrieben wird. Als Speicherressourcen stehen 32MBytes SDRAM, 3MBytes NOR- und 8MBytes NAND-Flash sowie eine 128MBytes-SD/MCC-Speicherkarte zur Verfügung. Neben dem 10/100Mbps Ethernet-LAN-Interface bietet der DNP/5370 eine Vielzahl weiterer Schnittstellen wie 2xUART, 1xCAN, 1xSSI/I2S, 1xTWI/I2C, 20Bit GPIO und einen einfachen 8Bit Erweiterungsbus mit Interrupts und Chip Selects. Tabelle 1 liefert eine Übersicht, wie diese Schnittstellen durch ein Embedded Multiservice Gateway im Industrial Ethernet genutzt werden können. Durch die 32Bit-Architektur, 600MHz-Takt und die Speicherkapazität steht ausreichend Rechenleistung zur Verfügung, um mehrere anspruchsvolle Kommunikationsaufgaben gleichzeitig zu erledigen. So kann beispielsweise ein mit 1Mbps betriebener CAN-Feldbus mit einem Ethernet gekoppelt werden. Parallel dazu ist ein VoIP-Sprachkanal mit G.711 PCMU-Software-Codec aktiv, um den Dialog zwischen Mitarbeitern in der Leitwarte und Feldebene zu ermöglichen. Gleichzeitig wären beide UARTs als Com Port Redirector nutzbar, um entfernten PCs über das LAN den Zugriff auf die seriellen Schnittstellen anderer Systeme in der Feldebene zu ermöglichen, ohne dass es zu Performanceproblemen oder Überlastungssituationen kommt. Die gesamte Schaltung des DNP/5370 besitzt die Bauform eines ICs in DIL-Gehäusebauform. Alle wichtigen Signale des Rechnermoduls stehen an einer 64-poligen Steckerleiste im 2,54mm-Raster zur Verfügung. Über diese Steckverbindung erfolgt auch die Spannungsversorgung mit 3,3VDC. Durch die geringe Stromaufnahme (ca. 350mA typisch, 600mA max.) ist kaum Erwärmung messbar und somit auch keinerlei besondere Kühlung erforderlich. Daher eignet sich das Modul besonders für den Einbau in vollständig geschlossene Gehäuse. Im NOR-Flash ist ein uClinux-Betriebssystem mit zahlreichen Treibern und Servern (u.a. HTTP, Telnet, FTP) abgespeichert. NAND-Flash und SD/MMC-Karte sind als Laufwerke in das Linux-Dateisystem eingebunden. Über den HTTP-Server steht eine Web-basierte Benutzeroberfläche zur anwendungsbezogenen Konfiguration der einzelnen Dienste zur Verfügung. Die Entwicklung eigener Anwendungen kann mithilfe eines externen Entwicklungsrechners in C/C++ oder direkt auf dem DNP/5370 in Python erfolgen. Der erforderliche Interpreter ist zusammen mit zahlreichen Modulen auf einer SD/MMC-Karte verfügbar.
Embedded VoIP benötigt spezielle Protokolle
Für die VoIP-Kommunikation muss ein TCP/IP-Protokollstack um einige spezielle Protokolle erweitert werden. Die beiden wichtigsten sind SIP (Session Initiation Protocol) und RTP (Real-Time Transport Protocol). SIP ist in der Anwendungsschicht angeordnet und dient zum Aufbau, zur Steuerung und zum Abbau einer Kommunikationssitzung (Session) zwischen zwei und mehr Teilnehmern. SIP ist nicht nur auf VoIP-Anwendungen beschränkt. Die einzelnen Sessions können beliebige Multimediaströme, Konferenzen, Computerspiele usw. sein. Beim Aufbau einer Session zwischen zwei Teilnehmern werden die Kommunikationsmodalitäten per SIP ausgehandelt. SIP selbst ähnelt stark dem HTTP-Protokoll. Es verwendet eine ähnliche Header-Struktur und ist ebenfalls ein textbasiertes Protokoll. RTP ist ein Protokoll zur kontinuierlichen Übertragung beliebiger Datenströme (Streams) über IP-basierte Netzwerke. Dieses Protokoll kommt ebenfalls in der Anwendungsschicht zum Einsatz und wird zurzeit überwiegend zur Übermittlung von Audio- und Videodaten eingesetzt. RTP arbeitet paketorientiert und nutzt UDP als Transportprotokoll. Einen ausführlichen Einblick in die Wirkungsweise beider Protokolle ermöglicht ein Ethernet-Sniffer wie WireShark.
Nachteile
Dabei zeigen sich auch die Nachteile für den VoIP-Einsatz in lokalen Automatisierungsnetzen. Die zur Sprachübertragung verwendeten UDP-Ports werden dynamisch vergeben, was die Verwendung von SIP und RTP in Verbindung mit Firewalls oder Network Address Translation (NAT) erschwert, da die meisten Firewall-Systeme bzw. NAT-Router die dynamisch vergebenen Ports nicht der Signalisierungsverbindung zuordnen können. SIP, RTP und die für eine VoIP-Verbindung zusätzlich erforderlichen Audio- und Sprachcodecs (Softwaremodule, um analoge Daten in digitale Informationen zu wandeln bzw. um aus digitalen Daten wieder Audio- und Sprachausgaben zu erzeugen) wurden in das uClinux-Betriebssystem des DNP/5370 integriert. Zum Testen von VoIP-Anwendungen in der Automatisierung steht mit dem DNP/SK28 ein Starterkit zur Verfügung. Es ermöglicht die Sprachkommunikation per Industrial Ethernet zwischen dem DIL/NetPC und einem Windows-basierten PC. Die dafür erforderliche PC-Software sowie die Audio-Headsets werden als Zubehör mitgeliefert.