Der Prozess der Fabrik- und Anlagenplanung ist komplex und besteht aus vielen, meist sequenziellen Planungsschritten mit vielen verschiedenen Beteiligten, z.B. Fabrik- und Gebäudeplaner, Prozess- und Anlagenplaner. Diese Disziplinen arbeiten heute mit vielen, oft nicht integrierten IT-Werkzeugen, deren Interoperabilität verbessert werden muss. Die Ingenieure und Planer arbeiten größtenteils räumlich und technisch voneinander getrennt und setzen konventionelle Medien ein, z.B. Pläne auf Papier. Obwohl die Disziplinen das gleiche Planungsobjekt, das Produktionssystem, bearbeiten, werden zwischen den Tools Informationen nur teilweise oder gar nicht ausgetauscht. Die Personen stimmen sich meist – falls und wenn nötig – mündlich ab. Dieser Bruch macht den interdisziplinären Abstimmungsprozess ineffizient, aufwändig und fehleranfällig.
Ziele
Um Kommunikation und Planung an einem gemeinsamen Medium zu verbessern, hat das Fraunhofer IOSB den Digitalen Engineering-Tisch (DigET) [1] entwickelt (Bild 2). Am DigET können die Planer mithilfe einer interaktiven Umgebung Planungsszenarien für alle Disziplinen konsistent beleuchten und zudem intuitiv mit den IT-Werkzeugen interagieren (siehe [2]). Die Interaktion mit dem DigET über Gesten ist dabei so einfach, dass sich die Planer voll auf den Planungsgegenstand konzentrieren können und die Interaktion mit den IT-Werkzeugen in den Hintergrund tritt. Er kombiniert hierfür das durchgängige und standardisierte Datenformat AutomationML mit Assistenzmechanismen und einer interaktiven Umgebung. So wird die domänenübergreifende Zusammenarbeit gefördert und der elektronische Informationsaustausch- und Änderungsprozess wird mithilfe der verbesserten menschlichen Kollaboration unterstützt. Verbesserungen beim Einsatz des DigET sind:
- Konsistente Daten für alle an einer Fabrik- und Anlagenplanung beteiligten Ingenieure,
- Verbesserter Datenaustausch zwischen verschiedenen IT-Tools bei Anlagenherstellern und -betreibern,
- Verbesserte Zusammenarbeit der einzelnen Disziplinen / Gewerke,
- Benutzer-Assistenz im Engineering,
- Erleichterung von Produktionsumstellungen und -inbetriebnahmen,
- Durchgängige computerunterstützte Planung von Fertigungszellen oder -linien und
- Lückenschluss zwischen individuellen domänenspezifischen Planungsschritten auf Datenebene und der interpersonellen Kommunikation.
Angewendet werden kann der DigET beispielsweise zur Team-basierten Anlagen-Umplanung. Die Umplanung ist ein besonders herausforderndes Szenario, weil hier neue Anlagen in bestehende Linien oder Hallen eingefügt werden müssen. Bei Veränderungen in den Planungsständen aufgrund von Umplanungen zeigt sich die Stärke der neuartigen Umgebung. Der DigET dient dabei als Arbeitsplatz zur Diskussion von Änderungen und unterstützt bei der Lösung der dabei entstehenden/auftretenden Konflikte. Er ist aber nicht der Arbeitsplatz der Disziplinen zur Planung, sondern stellt einen gemeinsamen Abstimmungsraum dar. Jede Disziplin arbeitet dabei weiterhin mit dem Tool ihrer Wahl, der DigET unterstützt bei der effektiven Koordination und Fusionierung aller Änderungen auf dem Datenbestand.
Hardware
Der DigET (Bild 3) ist ein Multi-Display-System mit verteilten Displays (horizontal und vertikal angeordnet) sowie verschiedenen mobilen Endgeräten, die in die Umgebung eingebunden werden. Die komplette Umgebung kann mithilfe Display-übergreifender Handgesten-Interaktion im 3D-Arbeitsraum bedient werden. Dabei werden Tablet-PCs und SmartPhones als mobile Arbeitsplätze eingesetzt und durch persönliche Identifikationsmöglichkeiten über Marken-Tracking mit dem Tisch gekoppelt.
Software
Das Multi-User-System DigET setzt auf Standards. Als integriertes und durchgängiges Standard-Datenaustauschformat zur Anlagenbeschreibung wird AutomationML eingesetzt, wobei die in der Umgebung verwendeten Tools lediglich eine AutomationML-Schnittstelle bereitstellen müssen. AutomationML befindet sich aktuell auf dem Weg der IEC-Normierung und wird bereits von Toolherstellern als Austauschformat unterstützt. Als Standard zur Kommunikation und dem Datenaustausch zwischen allen Komponenten wird OPC-UA verwendet. An diese Kommunikation können sich potenzielle Nutzer mithilfe eines OPC-UA-Clients einfach \’andocken\‘. Dabei wird AutomationML in den Kommunikationsstandard OPC-UA als Informationsmodell integriert. Dies schafft die notwendige Transparenz. Der DigET setzt keine einheitliche Software voraus, sondern ermöglicht es den Nutzern, die für sie beste Software einzusetzen und diese mit dem Tisch zu koppeln. Jeder Nutzer behält seinen eigenen Datenbestand und seine gewerkespezifische Sicht. So können bspw. Elektronik- und Mechanikplanung sich über die gemeinsame Umgebung verständigen, behalten aber weiterhin ihre proprietären Datenbestände. Durch das gemeinsame Modell im Format AutomationML können die Nutzer Änderungsvorschläge an den Tisch melden, die dann verarbeitet werden. Die Änderungspropagation erfolgt von der dafür entwickelten Middleware (siehe [3]) in Form eines OPC-UA-Servers mit speziellen Methoden. Änderungen werden also an die entsprechenden Beteiligten weitergeleitet. Die Bedienung der Tools durch die Gesten-Interaktion (Bild 4) erfolgt am DigET über ein transparentes Overlay, das zur Kommunikation mit der entsprechenden Standard-Software dient. Daher sind für die Gesten-Bedienung keine zusätzlichen Schnittstellen in den Tools nötig.