Interview mit Dr. Jan Mrosik, Siemens

„Die Digitalisierung ist keine Eintagsfliege“

Unter dem Schlagwort Digital Enterprise will Siemens produzierende Unternehmen fit für die Zukunft machen. In der Fertigungsindustrie setzt der Automatisierungsplatzhirsch auf ein ganzheitliches und durchgängiges Angebot über die komplette Wertschöpfungskette hinweg. Welchen Anteil daran die klassische Automatisierungstechnik hat und welche Rollen das Engineering, moderne Simulationsumgebungen und der digitale Zwilling einnehmen, erklärt Dr. Jan Mrosik, CEO der Siemens-Division Digital Factory, im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN.

Siemens treibt das Digital Enterprise – das klingt nach deutlich mehr als nur Automatisierungstechnik. Was genau steckt hinter diesem Claim, Herr Mrosik?

Jan Mrosik: Die Automatisierung ist für Siemens eine zentrale Disziplin, in der wir unsere Wurzeln haben und in der wir uns zum Weltmarktführer entwickelt haben. Aber in Zeiten der Digitalisierung reicht ein Fokus auf klassische Automatisierungstechnik nicht mehr aus – stattdessen gilt es, die Digitalisierung holistisch zu betrachten und zu begreifen. Dieser Entwicklung folgend gehen wir bei Siemens die Fabrik der Zukunft heute ganzheitlich an und wollen die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Denn das Optimum lässt sich für den Anwender nur dann erreichen, wenn er Automatisierung und Digitalisierung in einem gemeinsamen und langfristigen Ansatz verfolgt und zusammenführt. Die Digitalisierung ist eben keine Eintagsfliege.

Was bedeutet ganzheitlich für

das Angebot von Siemens?

Mrosik: Die Strategie dahinter ist nicht wirklich neu: Bereits im Jahr 2007 haben wir das Unternehmen UGS akquiriert, um mit Teamcenter eine einheitliche Datenplattform zu schaffen und damit auch die Grundlage für den digitalen Zwilling von Produkten und Maschinen. Längst haben wir diesen Weg fortgesetzt und durch weitere Akquisitionen von Firmen wie LMS und CD Adapco mittlerweile auch die entsprechende Simulationskompetenz im Haus. Mit der kürzlich abgeschlossenen Übernahme von Mentor Graphics sind wir nun den finalen Schritt gegangen, um den digitalen Zwilling in allen mechatronischen Kategorien – Mechanik, Elektronik und Software – abbilden zu können. Dazu können wir mit MindSphere als Cloud-basiertes, offenes IoT-Betriebssystem das gesamte Angebot nochmals abrunden.

Das heißt, Sie haben nicht nur Ihre klassischen Automatisierungsprodukte fit für die nächste Generation gemacht, sondern sie auch in einem neuen Kontext positioniert?

Mrosik: Richtig. Die Automatisierung bleibt auch weiterhin ein wesentlicher Teil, aber das Digital Enterprise ist viel mehr. Deshalb haben wir die Welt von Simatic und Co. in ein holistisches digitales Gesamtkonzept integriert. Dadurch können wir unsere Vision einer komplett durchgängigen Umgebung für die digitale Fabrik der Zukunft umsetzen – ohne jeglichen Technologie- oder Datenbruch.

Das klingt nach einem umfassenden Rundumschlag.

Mrosik: Das ist es in der Tat. Am Ende der Reise angekommen sind wir noch nicht ganz, aber wir sind auf einem guten Weg und haben gemeinsam mit den Bereichen industrielle Kommunikation, Sicherheit und Services, alle wichtigen Zutaten für das Digital Enterprise unter einem Dach zusammengeführt. Im Ergebnis sind wir das erste Unternehmen, das den holistischen Ansatz auch tatsächlich in der kompletten Breite anbieten kann. Selbst im weltweiten Wettbewerb. Mit unserer durchgängigen Entwicklungs- und Automatisierungsumgebung plus Cloud lassen sich Workflows stark verbessern und das Design eines Produkts sowie dessen Herstellung viel effizienter umsetzen.

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