Von der Forschung in die Praxis: Dieser Schritt, als Technologietransfer bezeichnet, wird in der Automatisierungstechnik oft suboptimal vollzogen, weil sich die Forschungsergebnisse nicht oder nur zu unzureichend in der industriellen Praxis anwenden lassen. Die Transferprojekte von it\’s OWL sind ein guter Ansatz, dies zu ändern. Ein typisches Beispiel ist das Projekt \’Kamerabasierte Produktdiagnose in elektrischen Antrieben\‘ (kurz kapela), das den Motorenhersteller Hanning mit dem Institut für industrielle Informationstechnik zusammenbrachte.
Spezialist für kundenspezifische Antriebe
Die Hanning Elektrowerke in Oerlingshausen entwickeln und fertigen kundenspezifische Antriebssysteme, die aus Elektromotor, Elektronik und Software bestehen. Dabei handelt es sich meist um Antriebe bis rund 7,5kW, die im Geräte- und Maschinenbau zur Anwendung kommen. Weitere Produkte sind kundenspezifische Linearantriebe und Pumpen für die Elektrogeräte wie Wasch- und Spülmaschinen. Hanning beschäftigt weltweit rund 1.500 Mitarbeiter; der Exportanteil liegt bei über 55%. Damit ist das Unternehmen ein typischer Hidden Champion der ostwestfälischen Industrie. Der Forschungspartner von Hanning, das InIT in Lemgo, ist eines von zwei Forschungsinstituten unter dem Dach des deutschlandweit ersten Science-to- Business-Center für industrielle Automatisierung CIIT. Kernkompetenz des InIT ist die industrielle Informationstechnik. Am Institut forschen und lehren sieben Professoren und 65 Mitarbeiter. Als Public-Private Partnership (PPP) pflegt das CIIT die enge Vernetzung mit Unternehmen der Region, die Forschungsarbeit ist also stets praxisnah. Das gilt auch für das hier vorgestellte Projekt.
Materialabzug von Strickmaschinen
Ausgangssituation für das Transferprojekt war eine Aufgabenstellung aus dem Textilmaschinenbau. Bei industriellen Strickmaschinen wird der Materialabzug üblicherweise zu Betriebsbeginn manuell eingestellt. Das geschieht, indem ein Arbeiter durch Augenschein und von Hand die Dehnung des Materials prüft und dann die Einstellung vornimmt. Ein aufwändiger Prozess mit mehreren Unterbrechungen des Produktionsablaufs, mit dem sich auch nicht auf Schwankungen während der Produktion eingehen lässt. Ziel des Projektes war es deshalb, diesen Schritt zu automatisieren. Als Führungsgröße diente dem Werker die Spannung des Textilgestricks. Da das Material dehnbar ist, lässt sich diese Größe auch optisch erfassen. Deshalb verfolgte das kapela-Projekt die Zielsetzung, die Gestrickqualität optisch zu erfassen und als Regelgröße zur Einstellung der Zugkraft über den Antrieb (Warenabzug) bereitzustellen. Die optische Erfassung übernimmt ein Bildverarbeitungssystem.
Regelkreis und Hardware
Die im Rahmen des Projektes entwickelte Applikations-Software ist in der Lage, aus dem Maschinenbild die Materialspannung abzuleiten, indem sie u.a. die durchschnittlichen Höhen und Breiten der einzelnen Maschen erfasst. Dabei werden Fehlerquellen wie Reflexionen und weitere Störeinflüsse (z.B. bei farbigem Gestrick) ausgeblendet. Außerdem wird die Signalgüte durch Rauschunterdrückung (Medianfilter) und Kontrastanpassung verbessert. Da die Strickmaschinen mit hohem Tempo arbeiten – pro Minute entstehen 2-3m Gestrick -, muss der Regelkreis entsprechend schnell reagieren und die Regelung in Echtzeit erfolgen. Trotz der hohen Leistungsfähigkeit kommt – und das war ebenfalls erklärtes Ziel des Projektes – ausschließlich kostengünstige Massen-Hardware zum Einsatz: ein Odroid-C1-Board mit leistungsstarkem Prozessor und eine USB2.0-Kamera mit 130 Bildern pro Sekunde. Die Bildübertragung erfolgt über den USB-Controller, die Software läuft auf Android.