So genannte cyberphysischen oder auch intelligente technische Systeme sind in der Produktion keine Utopie mehr. Sie stehen für die geschickte Verknüpfung von Informationen mit physischen Prozessen und Komponenten. Insbesondere bisher rein mechanische oder mechatronische Komponenten benötigen eine jeweils aktuelle Beschreibung in der virtuellen Welt. Durch diese vollständige Vernetzung werden automatisierte Produktionsprozesse in die Lage versetzt, sich flexibel an die herrschenden Fabrikbedingungen anzupassen.
Überdimensionierte Umrichter
Was lässt sich mit dieser ganzheitlichen Betrachtung nun erreichen – zum Beispiel mit Blick auf die Ressourceneffizienz? Dazu ein kurzer Einblick in die antriebs- und automatisierungstechnische Praxis heutiger Produktionen. Wer zum Beispiel im Materialfluss genauer hinschaut, sieht, dass horizontale Förderantriebe häufig nur auf eine Betriebsweise ausgelegt sind und zwar die größte Beladung in der vom maximalen Durchsatz vorgegebenen Zeit zu beschleunigen und nach kurzer Konstantfahrt wieder abzubremsen. Während der Beschleunigung werden die höchsten Ströme der Umrichter benötigt. Setzt man Standardumrichter ein, ergibt sich eine Überdimensionierung, da im Mittel viel weniger Leistung benötigt wird. Ein auf hohes Beschleunigungsvermögen ausgelegter Antrieb schont dagegen Ressourcen, weil weniger Material im Motor verbaut werden muss. Ein Beispiel hierfür ist der Lenze Smart Motor, der für diesen Einsatz konzipiert ist. Nutzt man Auslegungswerkzeuge wie den Drive Solution Designer, ergibt sich eine weitere Ressourcenschonung. Denn in der Auslegungsberechnung wird das Zusammenspiel von Motor, Getriebe und Umrichter mit seinem physikalischen Verhalten in 16.000 möglichen Kombinationen exakt nachgebildet, um bei jeder Drehzahl die volle Leistung nutzen zu können. Lenze nennt das Antriebsgrenzkennlinien. Dadurch werden eine bedarfsgerechte Auslegung und eine hohe Energieeffizienz erreicht.
Bedarf ständig anpassen
Selbstlernende Systeme können den Leistungs- und Geschwindigkeitsbedarf aus den gerade herrschenden Produktionsanforderungen ableiten und sich daran anpassen. Daraus folgt ganz pragmatisch, dass etwa Förderbänder oder Regalbediengeräte in Zeiten mit geringer Auslastung entsprechend abgestimmt unterwegs sind. Weil es gerade völlig unerheblich ist, ob der Fahrauftrag in 20s oder 2min erledigt ist, kann eine Schwerpunktverschiebung von der reinen Produktivität auf die Effizienz erfolgen. Dieses kleine Beispiel macht klar, dass Produktions- und Logistiksysteme, die sich selber an aktuelle Fertigungsbedingungen anpassen können, sehr viel Potenzial für Ressourceneinsparungen bieten. Der energetische Effizienzgewinn liegt in diesem Beispiel bei bis zu 15% – und das allein durch abgestimmte Software ohne aufwändig veränderte Sensorik oder Aktorik. Damit Einsparungen dieser Art durch Anpassung des Prozesses an den Bedarf möglich werden, braucht es den lifecycle-bezogenen Blick über die klassische Automatisierungspyramide hinaus. Denn dieser generelle Ansatz wirkt sich auch auf einen weiteren wichtigen Teilbereich mit Auswirkungen auf die Ressourceneffizienz aus -dem Engineering. Lassen sich alle physikalischen Komponenten, ihr Beziehungsgeflecht untereinander und die Anbindung an die Welt draußen in eine virtuelle Welt bringen, dann können reale Anlagensteuerungsprogramme bereits an der virtuellen Anlage erstellt werden. Auf diese Weise sinken der Zeitaufwand für das Engineering und die Kosten bei der Inbetriebnahme. Darüber hinaus können Maschinen und Anlagen bereits vor dem Aufbau in der virtuellen Welt bestmöglich ausgelegt werden.
Realität als Modell
Damit virtuelle Welten wirklich belastbar das widerspiegeln, was in der realen Praxis gelebt wird, sind Modelle erforderlich. Diese beinhalten Gesetzmäßigkeiten, Fakten und Zusammenhänge in einem Maß, dass sich Maschinen- und Anlagenzustände verlässlich nachbilden lassen. Konkret zählen dazu Modelle von Abläufen wie auch von Komponenten. Zur Abbildung werden als Basis einheitliche, standardisierte Modellierungssprachen und -programme benötigt. Simulationsberechnungen in Echtzeit sind wiederum nur dann möglich, wenn ausreichend Rechenperformance zur Verfügung steht. Begleitet wird das Ganze von offenen Systemen, die sich nahtlos ohne Schnittstellenprobleme miteinander verknüpfen lassen. Das Ergebnis lässt sich mit einem homogenen Ganzen vergleichen – einem cyberphysischen, vernetzten System mit dezentraler Intelligenz, das in der Lage ist, sich selber zu optimieren, Fehler zu erkennen oder auch vorausschauende Wartungen einzuleiten.