Teamarbeit mit 500 Kühen: Biogasanlage mit Varan-Bus-Technologie

Die Erschließung alternativer Energiequellen boomt. Fast immer kommt dabei Automatisierungstechnik zum Einsatz. Biologische Abfallprodukte lassen sich mit Biogasanlagen in wertvolle Energie umwandeln. Bei der niederländischen Firma Steegro in Nordostpolder wird aus der Gülle von 500 Milchkühen elektrische und thermische Energie erzeugt. Die Biogasanlage liefert täglich 30MW Strom, sodass 3.000 Haushalte mit Elektrizität versorgt werden. Die Prozesssteuerung wurde auf Basis moderner Automatisierungstechnik mit der Echtzeit-Ethernet-Bustechnologie Varan realisiert.

Der niederländische Agrarsektor gehört zu den innovativsten der Welt und weist einen beeindruckenden Automatisierungsgrad der Anlagen auf. So werden beispielsweise bei der Blumenzucht Vision-Systeme eingesetzt, und in Gewächshäusern sorgen automatische Klima­regulierungen für den besten Ertrag. Wichtige Neuentwicklungen finden aktuell im Bereich der Biogasanlagen statt. Bioreaktoren wandeln biologisch abbaubare Substanzen in Methangas (CH4) und Kohlendioxyd (CO2) um. Wie beim Erdgas ist beim Biogas der brennbare Hauptbestandteil das Methan. Und Methangas wird bereits im Kuhmagen als Folge des Wiederkauens und beim Verdauungsprozess gebildet. Jeder, der auf dem Land aufgewachsen ist, kennt die Geschichten von plötzlichen Explosionen und Bränden auf Bauernhöfen als Folge der Methangasbildung in der Jauchegrube. Bei der Biofermentation wird diese \’explosive\‘ Energie des Methangases inzwischen sinnvoll zur alternativen Stromerzeugung genutzt. Methangas als alternativer Energielieferant Die Biofermentation ist eine sauerstofflose Bearbeitung von organischen Stoffen. Das Ziel besteht darin, Biogas zu erzeugen, das den brennbaren Bestandteil Methan (CH4) enthält. Die ersten Gärungsanlagen wurden ausschließlich mit Gülle betrieben. Spezifische Versuchsreihen ergaben, dass die Methangasbildung durch Zumengen von organischen Feststoffen noch schneller anläuft. Bei der neuesten Generation des Steegro Kombi-Biofermenters wird die Gülle daher mit biologisch abbaubaren Produkten mit hohem Trockenstoffgehalt wie Stroh, Gras, Mais, Silofutter, Zuckerrüben, und Kartoffelstärke vermischt. Methangas ist wie Erdgas ein wertvoller Brennstoff, der nach der Reinigung und Aufbereitung des Rohgases direkt als Kraftstoff für Gasmotoren eingesetzt werden kann. Ein nachgeschalteter Generator liefert elektrische Energie. Die Abwärme des Gasmotors wird für Warmwassererzeugung verwendet, um umliegende Haushalte und Gewächshäuser mit Wärme zu versorgen. Vergärung erfolgt in drei kontinuierlichen Schritten Methangas aus Gülle und pflanzlichen Stoffen herzustellen, ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich in drei Schritte unterteilen lässt. Schritt eins im Gärungsprozess ist die Hydrolyse-Phase. Diese dauert sechs Tage und findet im sogenannten \’Batch-Reaktor\‘ statt. Aus Bunkern werden dem Reaktor kontinuierlich Feststoffe in Form von biologisch abbaubaren Stoffen zugeführt. In der ersten Phase entstehen bereits die Gase Wasserstoff (H2) und Kohlendioxyd (CO2). Prozessschritt Nummer zwei ist die erste Nachgärung. In dieser \’nassen Stufe\‘ wird mehr Gülle hinzugefügt. Diese Phase dauert 30 bis 40 Tage. Nach dieser Phase wird das Material zum letzten Prozessschritt transportiert. In einem sieben Meter hohen Silo mit einem Volumen von 1.500m ((hoch 3)) findet die sogenannte \’mesophile Vergärung\‘ bei einer Temperatur zwischen 20 und 40°C statt. Optimale Wärmebedingungen sind unerlässlich. Ergebnis ist das bekannte Biogas, das aus 60 bis 70% Methan und 30 bis 40% Kohlendioxid besteht. Die festen Reststoffe des Vergärungsprozesses können zudem als Düngemittel verwendet werden. Das Biogas enthält einen Schwefelwasserstoffanteil (H2S), der in Verbindung mit Wasser eine stark korrosive Wirkung auf den Verbrennungsmotor ausübt. Die Schwefelwasserstoffe müssen dem Biogas daher entzogen werden, bevor sie im Gasmotor zum Einsatz kommen. Bei der Anlage von Steegro werden die störenden Schwefelanteile durch bakterielle Bindung entfernt. Diese findet auf einem Holzrahmen statt, der sich in der Nachvergärung befindet. Der Schwefel setzt sich auf dem Holzrahmen ab und kann danach einfach entfernt werden. Das im Biogas enthaltene Wasser wird durch Kondensation entzogen. Das Gas wird abgekühlt, wodurch sich Wassertropfen im Kondensator bilden. Wenn die H2S Konzentration im Biogas unter 1.000ppm liegt, kann es im Gasmotor verwendet werden. Durchgängige Netzwerktechnik auf Basis von Ethernet Die gesamte Anlage, die rund 1.000 E/As erfordert, wurde komplett mit der Steuerungstechnik von Sigmatek auf C-Dias-Basis realisiert. Dabei kam für alle Prozessschritte – von der Zuführung der Feststoffe bis zur Gasreinigung – die ethernetbasierte Varan-Technologie zum Einsatz. \“Die Kontinuität des Gärungsprozesses ist die wichtigste Aufgabe der Steuerung des Kombi-Biofermenters\“, berichtet Bert Stoelinga, Elekt­roingenieur bei Steegro (Bid 6 ). Ziel war es, alle dezentralen E/A-Komponenten so einfach wie möglich anzusprechen, ohne eine Vielzahl unterschiedlicher Feldbussysteme einzusetzen. \“Wir hatten es mit einer Vielzahl von digitalen und analogen Signalen für Pumpen, Sensoren, Rührwerken und Frequenzumwandlern zu tun\“, erklärt Bert Stoelinga weiter. Netzwerktechnik auf Basis der Varan-Ethernet-Technologie bietet dabei eine hohe Flexibilität. Bei Punkt-zu-Punkt-Distanzen über 180m, insbesondere bei der Klima- und Beleuchtungssteuerung in den Ställen, wurden Glasfaserleitungen verwendet. Bei kleineren Distanzen unter 100m, wie beispielsweise am Fermenter, wurde der Varan-Bus eingesetzt. In allen 14 dezentral angeordneten Unterstationen kamen die gleichen Standard E/A-Komponenten zum Einsatz. In der Steegro-Anlage konnten sämtliche E/As der Anlage in ein Netzwerk integriert werden. Dabei wurde der Verkabelungsaufwand reduziert. Großes Augenmerk wurde auf eine transparente Netzwerktechnik gelegt. Der Vorteil der Varan-Technologie ist, dass man an jeder Stelle im Netzwerk neue Teilnehmer hinzufügen und die Anlage an jeder beliebigen Stelle überwacht werden kann. Zuverlässige Lösung mit Varan in harter Echtzeit Hohe Verfügbarkeit und Stabilität der Netzwerktechnik nimmt im Anlagenbau einen hohen Stellenwert ein. Der Varan-Bus verfügt über ein besonders fehlertolerantes Verhalten bei harter Echtzeit, da unquittierte Nachrichten umgehend wiederholt werden. Datenverluste werden sofort erkannt und automatisch behoben, wodurch die Prozessdaten garantiert konsistent sind. \“Varan bietet eine durchgängige Vernetzung und ein sehr zuverlässiges Verhalten\“, sagt Bert Stoelinga. Das gesamte Varan-Netzwerk ist wie ein großer Speicher organisiert. Der Befehlsumfang des Varan-Protokolls reduziert sich dadurch auf einfache Lese- und Schreibzugriffe für den Datenaustausch mit den einzelnen Busteilnehmern. Der Varan-Manager weist jedem Busteilnehmer bei der Initialisierungsphase automatisch eine Adresse in diesem virtuellen Speicher zu. Dadurch sind keine Adress-Wahlschalter an den Busteilnehmern erforderlich; und so reduziert sich der administrative Aufwand. Das Varan-Protokoll wird komplett in Hardware abgehandelt, wodurch die SPS und die einzelnen Busteilnehmer keine Kommunikationsaufgaben übernehmen müssen. Dies spart CPU-Ressourcen, was sich nicht zuletzt in geringeren Systemkosten widerspiegelt. Jeder Varan-Busteilnehmer ist mit einem elektronischen Typenschild ausgestattet. Die Gerätekennung im Typenschild identifiziert jeden Busteilnehmer eindeutig, wodurch sich Verkabelungsfehler bereits vor der Inbetriebnahme der Anlage erkennen lassen. Auch bei der Wartung und beim Austausch von Komponenten ist dies ein großer Vorteil, da Fehlfunktionen durch falsch angesteckte, oder vertauschte Module ausgeschlossen werden. Ein weiteres Feature der Varan-Technologie ist die Hot-Plug Fähigkeit, d.h. jeder Busteilnehmer kann während des Betriebes der Anlage an- und abgesteckt werden. Wird eine hinzugefügte Komponente als gültig erkannt, wird sie automatisch in den Prozess aufgenommen. Durchgängig Sicherheit für die gesamte Anlage Über das Varan- Netzwerk werden Standard-Ethernet-Nach­richten aus der Office-Umgebung getunnelt, ohne den Inhalt zu interpretieren. Bei vollständiger und durchgängiger Anlagenvernetzung bis in die Leitebene ist dadurch höchste Sicherheit für die Funktion der Anlage gegeben. Zusätzliche Sicherheitseinrichtungen wie Firewalls sind nicht erforderlich, da Varan bereits in der Basisfunktionalität unautorisierte Fremdzugriffe unterbindet.

Sigmatek GmbH & Co KG
http://www.sigmatek-automation.com

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