Mehr als nur Datenkabel

Lichtwellenleiter in Industrie und Sensorik

Lichtwellenleiter sind seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im kommerziellen Einsatz. Seitdem haben sie sich viele Anwendungebereiche erobert, in denen sie ihre besonderen Vorteile ausspielen. Unser Beitrag zeigt, welche Eigenschaften sie so universell machen und gibt einen Einblick in die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie.
Bild: Laser Components GmbH

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben Lichtwellenleiter/Glasfasern (LWL) ihren Siegeszug angetreten. Seinerzeit konnten erstmals Glasfasern mit einer niedrigen Dämpfung realisiert werden, sodass man größere Strecken mit geführtem Licht überwinden konnte. Der große Vorteil des Lichtwellenleiters ist die flexible Führung von Licht – zu welchem Zwecke auch immer – zum Zielpunkt. Im Bereich der globalen (Tele-)Kommunikation brachte der Lichtwellenleiter einen Durchbruch: Weltweit sind Kontinentalverbindungen, Weitverkehrsnetze zwischen den Ländern, Kommunikationsnetze innerhalb der Länder (WAN: wide area networks) und Städtenetze (MAN: metropolitain area networks) mit Lichtwellenleiter zur Datenübertragung verbunden – ebenfalls werden sie in Firmen und Gebäuden (LAN-local area networks) eingesetzt, sowie zunehmend in Mobilfunkmasten: Hierbei gibt es die digitale Übertragungstechnik mit der Modulation des Senders (Laser oder LED), als auch noch analoge Übertragungstechnik bei den Breitbandkabeln. In der Öffentlichkeit hatte die digitale Technologie noch keinen hohen Bekanntheitsgrad; mit dem letzten Schritt, der FTTH Glasfaservernetzung (fiber-to-the-home), wird die Glasfaser nun auch in Deutschland zum privaten Endkunden in das Haus bzw. die Wohnung gebracht – spät, im weltweiten Vergleich. Jedoch lassen sich nur mit Glasfasern die heute und in Zukunft benötigten hohen Bandbreiten realisieren; alle anderen Medien sind immer bandbreitenbegrenzt oder wie das Mobiltelefon ein ‚Shared Medium‘.

Bild: Laser Components GmbH

Lichtwellenleiter – das universelle Medium

Durch den weltweiten Feld-Einsatz wurden über die Jahre sowohl Fasern, LWL-Kabel als auch Komponenten für die Lichtwellenleitertechnologie schnell und ausgiebig getestet und nach Standards für raue Umgebungsbedingungen qualifiziert. Das macht die Komponenten auch für zahlreiche andere Anwendungen interessant, insbesondere in der Lasertechnik, Optik, Sensorik, Industrie, Luft-und Raumfahrt oder Medizin. Einerseits kann die Datenübertragung zur Übermittlung von Steuersignalen, Maschinenkommunikation von einfachsten Anwendungen über Industrie-4.0-Anwendungen bis hin zur künstlichen Intelligenz gehen. Andererseits gibt es mittlerweile viele unterschiedliche Einsatzbereiche in anderen Anwendungen. Alle Bereiche, die sich mit dem Thema Licht und dessen Übertragung beschäftigen, werden mittlerweile unter dem Oberbegriff Photonik zusammengefasst. Folgend sollen exemplarisch Anwendungen der Lichtellenleitertechnik vorgestellt werden, die im industriellen Umfeld relevant sind.

Bild: Laser Components GmbH

Datenübertragung

In der Datenübertragung für z.B. industrielles Ethernet können viele Bestandteile direkt übernommen werden, die sich auch für die Telekommunikation bewährt haben. Durch die Qualifizierungsverfahren im Telekommunikationsumfeld wurden zahlreiche Elemente bereits ausführlich getestet und freigegeben. Einzig bei den Anforderungen an die Umgebungsbedingungen müssen die Spezifikationen im Industrieumfeld manchmal erweitert werden. Dies betrifft beispielsweise Temperaturanforderungen, wie auch härtere Umgebungsbedingungen in der Fertigung (u.a. Schmutz, Luftfeuchtigkeit). Häufig können hier Erfahrungswerte aus anderen Märkten abgeleitet werden – etwa wenn Lichtwellenleiter bereits bei Militär oder Broadcasting eingesetzt wurden. So sind z.B. die aktuellen Kameras für Fernseh-Liveübertragungen fast durchgängig mit LWL als Übertragungsleitungen versehen; in Übertragungswägen sind LWL-Stecker heute Stand der Technik. In diesem Umfeld ist der Umgang mit den Kabeln und der Technik selten zimperlich: Stecker, Verbindungen und Kabel haben sich also schon lange bei harten Einsatzbedingungen bewährt, man denke nur an die Übertragung von Formel 1 Rennen, Sportgroßveranstaltungen oder Konzerten. Daten werden bei kurzen Distanzen über sogenannte Multimodefasern übertragen werden – Bandbreiten bis 1GBit/s und mehr sind heute kein Problem mehr. Zunehmend wird aber die Multimodefaser (MM) mit ihren typisch lichtleitenden Kerndurchmessern von 50 oder 62,5µm von der noch leistungsfähigeren Singlemodefaser (SM) mit einem Faserkern von 9µm abgelöst. Vorteile der SM-Faser sind die höhere Bandbreite und die geringere Dämpfung, um wesentlich längere Übertragungsstrecken zu realisieren. MM-Fasern sind, je nach Fasertyp und Bandbreite deutlich längenbegrenzt. Die Singlemodefaser ist dann das Maß der Dinge. Große Unternehmensnetze werden heutzutage bereits durchgängig mit Singlemodefaser-basierten Kabeln verbunden. Spezielle Stecker sind dafür ausgelegt, unter harten Umgebungsbedingungen noch gut zu performen. Auch vor dem kleineren Faserkern muss man im industriellen Umfeld heutzutage mit Einhaltung der Reinigungsvorgaben für LWL keine Angst mehr haben. Wichtig ist hierbei die regelmäßige Kontrolle der Steckerstirnflächen mit Steckermikroskopen, die nach IEC Norm die Endfläche automatisch beurteilen und so eindeutige Gut/Schlecht Qualitätsbeurteilungen ermöglichen.

Lichtwellenleiter in anderen Anwendungen

Lichtwellenleiter können in verschiedensten Konfiguration und kundenspezifischen Ausführungen verwendet werden, um – generell gesagt – Licht von einer Quelle zu einem Zielpunkt zu bringen. Dies kann in einfachster Anwendung die Beleuchtung sein, wie sie im Automotive-Umfeld und der Ambiente-Beleuchtung bereits vielfach eingesetzt wird. Vorteil des LWL ist die flexible Lichtführung in kleinen Dimensionen. Hier können sowohl Glas- als auch Plastikfasern zum Einsatz kommen. Speziell die Plastikfaser erfreut sich in diesem Gebiet immer weiterer Beliebtheit. Aber auch für sensorische Anwendungen ist die Glasfaser hoch interessant. Die Glasfaser selbst kann als Messgerät verwendet werden, um bestimmte Größen zu messen – hierzu werden die Materialeigenschaften des Lichtwellenleiters ausgenutzt. Sogenannte, in die Faser eingeschriebene, Faser-Bragg-Gitter ermöglichen Temperatur- und Stress-/Längenmessungen mit der Glasfaser: eingesetzt wird diese Technik im Kraftwerksbau, in Gebäuden, bei Brücken oder Staudämmen, aber auch bei Windkrafträdern und in der Öl- und Gasindustrie. Die physikalischen Effekte der flexiblen Glasfaser können mittels geeigneter Technologien ortsgenau ausgelesen werden und ermöglich so den Zugang zu schwer erreichbaren, extremen Punkten von Anlagen, u.a. auch frei von jeglicher ESD Problematik. Mit sogenannten Power-Over-Fiber Modulen kann über die Glasfaser mit Licht genügend Energie übertragen werden, um Schaltungen autonom von Stromversorgungen zu betreiben. Dies ist ein sehr interessantes neues Feld der Faseranwendung. Mit der Technik der Brillouin-Streuung in Verbindung mit der OTDR Technik (optical time domain reflectometry) können mit BOTDR-Messgeräten sogar Temperatur und Faserdehnungen lokal gemessen werden, ohne dass Bragg-Gitter benötigt würden. Die Technologie ist ideal z.B. im Pipelinebau, der Telekommunikation, zur Energiekabel- und Gebäudeüberwachung. Gekoppelt mit stationären Überwachungssystemen für Glasfasern, wird die ortsgenaue Analyse von Fasern mit entsprechender Sensorikfunktion ermöglicht. Auch für die Oberflächenanalyse lassen sich fasertechnische Verfahren unter Einbezug von z.B. Polarisationseffekten verwenden. Hier können feinste Details mittels optischer Verfahren berührungsfrei erfasst werden. Selbst interferometrische Methoden können miniaturisiert mit Fasern realisiert werden. Die Welt der Fasertechnik bringt allen aufgeführten Anwendungen einen allgemeinen Vorteil: Viele bisher genutzte optische Technologien lassen sich durch den Einsatz von Fasern miniaturisieren, flexibilisieren und mit bewährten Komponenten aufbauen. Dies macht fasertechnische Lösungen in vielen Gebieten zunehmend interessant. Der Einsatz von photonischen Technologien steht zudem erst am Anfang und schon jetzt zeichnet sich ein zukünftig massiver Einsatz in diversen Marktfeldern ab.

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