Im Gespräch mit Michael Plankensteiner, CEO von Neuron Automation

Kein New Kid on the Block

In den vergangenen Monaten war immer wieder von Neuron Automation zu hören, und manch einer fragt sich, ob hier ein neuer Player am Markt ist. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man bekannte Automatisierer wie Logi.cals und ISH Ingenieursozietät hinter Neuron. Das SPS-MAGAZIN sprach mit Michael Plankensteiner, seit 2016 als CEO in dem Unternehmensverbund tätig.
Bild: Logi.cals GmbH

Ihr Haus firmiert seit einiger Zeit als Neuron Automation. Was ist das für ein Unternehmen?

Michael Plankensteiner: Neuron Auto- mation ist das Unternehmen, unter dem wir die beiden Firmen ISH aus Kreuztal und Logi.cals aus St. Pölten vereinen. Logi.cals wurde 1987 in Österreich gegründet, als Softwareunternehmen, das es bis heute ist. Die ISH Ingenieursozietät wiederum wurde 1989 in Südwestfalen im nördlichen Siegerland gegründet, zunächst als klassischer Dienstleister für die Entwicklung industrieller Steuerungselektronik, später mit einem Fokus auf Maschinensicherheit. Als nun Phoenix Contact vor einigen Jahren mit der Entwicklung von PLCnext vielen Kunden die Tür zu seiner Tochter KW-Software zugemacht hatte, brauchten Komponentenhersteller mit eigener Hardware einen neuen Dienstleister. Auch ISH suchte einen Partner für seine Safety-Steuerungen, und so kam der Kontakt zu Logi.cals zustande. 2018 entschieden sich Logi.cals und ISH, sich zusammenzuschließen. Die Firma Neuron Automation wurde als Überbau gegründet und hält seit 1. Januar 2019 die Anteile an Logi.cals und ISH.

Was haben die beiden Unternehmen davor gemacht, was ist deren Geschichte? Und warum passen sie zusammen?

Die Gründer von Logi.cals hatten Mitte der 80er Jahre mit selbstentwickelter Hard- und Software einige Automatisierungsprojekte umgesetzt und dabei effizientere Umsetzungs-Ansätze entwickelt. Als zudem erkannt wurde, dass es Anwender gibt, die die damals noch recht neuen SPSen in Anweisungsliste programmierten und danach zur Dokumentation Funktionspläne zeichneten, war die Idee geboren, einen Funktionsplan-Editor anzubieten, der es ermöglichte, für unterschiedliche Steuerungen Code zu erzeugen. Die IEC 1131-3 (heute 61131-3) lag damals noch Jahre in der Zukunft.

ISH wiederum war anfangs ein Dienst- leister, der alle möglichen Projekte auto- matisiert hat. So z.B. hatte ISH in der Stadt Siegen auch die gesamten Steuerungen für das Verkehrsleitsystem entwickelt und geliefert. Damit wurde eine erste Integration eines SPS-Laufzeitsystems notwendig. Über die Dienstleistung mit Integrationserfahrung von SPSen sind sie relativ schnell ins Minengeschäft und in die Bahntechnik gekommen, und über diesen Weg vor 20 Jahren zur funktionalen Sicherheit. Denn im Minen- und Bahnbereich gab es bereits viele Sicherheitsnormen.

Genau deshalb ist es eine sehr span- nende Kombination zwischen den bei- den Firmen: Logi.cals hat 36 Jahre Erfahrung in Programmiersystemen für Steuerungen, ISH entwickelt funktional sichere Steuerungs-Hard- und Software. ISH hat praktische Automatisierungserfahrung, kann Hardware-Entwicklung und hat nicht nur die Möglichkeit, eine eigene Engineering-Suite anzubieten, sondern ist aktiv dabei, diese auch kollaborativ mitzugestalten. Mit Neuron geht man eine Lösungspartnerschaft ein, in der Dienstleistung und Komponenten-Baukasten individuell auf Kundenbedürfnisse abgestimmt werden.

Was für ein Unternehmen ist Neuron Automation dann genau? Was bieten Sie heute an?

Vereinfacht gesagt unterstützen wir bei der Entwicklung von Hard- und Software in der Automatisierung. Dabei sind wir nicht der klassische Codesys-Wettbewerber. Ja, wir haben auch eine Soft-SPS im Programm, aber in unseren Partnerschaften geht es in der Regel viel stärker um eine Mischung aus fertigen Komponenten mit Dienstleistungen. Unsere Stärke ist die ge- meinsame Entwicklung, die Co-Creation von Au- tomatisierungskompo- nenten. Nicht umsonst ist der Slogan von Neuron Automation „Our Core: Your Choice“. Wir positionieren uns als Lösungspartner umfassender Dienstleistungen rund um die Entwicklung von Automatisierungslösungen, mit Fokus auf funktionaler Sicherheit. Wir haben eine eigene Hardware-Entwicklung, einen Baukasten an vorzertifizierten Komponenten, unsere Software ist customizable. Ein Grundproblem der Automatisierung ist ja, dass viele nebeneinander immer wieder das Gleiche machen. Wir wollen, dass unsere Kunden nicht immer wieder bei null beginnen, mit dem klaren Ziel, die Time to Market zu verkürzen.

Wie sieht das etwas konkreter aus?

Eine zentrale Komponente unseres Baukastens ist das Applikations-Engineering. Unsere Runtimes sind hoch skalierbar, vom Mikrocontroller bis hin zum Industrie-PC, wahlweise funktional sicher oder nicht sicher. Unsere Systeme sind hoch skalierbar. Dazu haben wir ein eigenes T3-zertifiziertes Engineering-Tool, sodass man safe und non-safe aus ein und derselben integrierten Entwicklungsumgebung programmieren kann – und zwar wahlweise browserbasiert oder mit einer Desktop-Software.

Sie übernehmen für Kunden also die Programmierung der Steuerungsapplikationen, insbesondere der Safety-Seite?

Nein, wir fangen früher an, wir sind meist von der Idee über den Prototypen bis zur zur Zertifizierung mit dabei. Wir setzen uns mit dem Kunden gemeinsam ans Reißbrett und beginnen mit der Platine. Wir heften uns an die Fahnen, dass wir sehr viel Erfahrung in der Hardware-Entwicklung und beim Thema funktionale Sicherheit mitbringen und unsere Kunden sehr gut bis zur Zertifizierung Ihrer Lösung begleiten können. Wir wissen, was belastbare Konzepte sind, weil wir schon viele Safety-Projekte erfolgreich umgesetzt haben. Idealerweise liefern wir auch die Software. Mit unserer Safe Motion Library konnten wir schon viele Antriebssteuerungen ausrüsten.

Wer sind also die typischen Kunden von Neuron Automation?

Wir richten unser Angebot an Device Manufacturer, also ODMs, und OEMs, die ihre eigenen Automatisierungslösungen entwickeln. Wir richten uns an Firmen, die eine eigene Lösung entwickeln wollen, ohne alles über Bord zu werfen. Die nicht einfach ein fertiges Produkt kaufen wollen, die ihre Kernkompetenzen in gewissen Bereichen mit Dienstleistungen in anderen Bereichen kombinieren wollen. Sprich an Firmen, die nach Effizienz suchen, nach innovativen Lösungen und vor allem nach einer schnelleren Time to Market. Das geht bis in die Hardware-Entwicklung, also Komplettlösungen, bis hin zu Kleinserien. Wir haben z.B. viele Kunden in der Antriebstechnik, weil funktionale Sicherheit im Antriebsbereich Nachholbedarf hat. Wir haben aber auch Kunden aus der allgemeinen Automatisierung, die zu ihrer PLC eine zusätzliche Safety-Steuerung wollen. Seit einigen Jahren sind wir in der Bahntechnik vertreten, auch in der Robotik.

Was sind nach Ihrer Erfahrung die Anforderungen der Kunden in der heutigen Zeit?

Ich denke, Ressourcenmangel ist der Haupt-Treiber. Damit meine ich nicht nur den Rohstoffmangel, die Chipkrise, sondern auch personelle Ressourcen, den Fachkräftemangel. Alle wissen, dass Innovation notwendig ist, und alle haben zu wenige Ressourcen. Entsprechend wollen alle effizienter werden. Die Automatisierung muss also nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Applikationserstellung Einzug halten. Natürlich gibt es Gründe, warum jede Lösung anders aussieht. Das heißt aber nicht, dass man jedes Mal alles neu machen muss. Es ist doch so, dass die Automatisierung der vergangenen 30, 40 Jahre sich vor allem mit der Lösung von technischen Problemen beschäftigt hat, mit der Umstellung von händischen Prozessen in automatisierte Prozesse.

Das ist alles in der OT. Was in den letzten Jahren immer stärker kommt, ist mehr IT, weg von Stand-Alone-Lösungen, hin zur Vernetzung. Wir glauben als Neuron ganz stark daran, dass die Zukunft auch in der Industrieautomatisierung vernetzt sein wird. Dazu braucht es neue Tools, denn mit den heutigen Mitteln wird das nicht zu machen sein.

Der Rohstoff- und Chipmangel spielt also keine Rolle?

Doch, natürlich. Die Hardwarekosten sind extrem unter Druck. Hier hilft es, kleiner zu werden, die Aufgaben auch recheneffizienter zu lösen und so aus einer Anwendung vielleicht die eine oder andere PLC herauszupressen, also einzusparen. Dazu sind unsere skalierbaren Runtimes hilfreich. Stellen Sie sich als Vision ein System aus fünf Antrieben vor, die sich ihre Intelligenz, ihre Rechenleistung teilen, sodass man mit verteilter Logik auf den Antriebssteuerungen arbeiten kann, per Software orchestriert, sodass man keine PLC mehr braucht. Das kann man beliebig weiterdenken, etwa diese Systeme an die Cloud anbinden und Teile dann in der Cloud erledigen lassen. Außerdem: der parallele Einsatz von dedizierter sicherer und nicht-sicherer Hardware in einer Applikation ist ebenfalls teuer. Wenn sich das auf einer Hardware verbinden lässt, spart auch das wieder Kosten. Am Ende wollen und verdienen Kunden Qualität und Usability.

Wie soll es also in Zukunft weitergehen?

Langfristig sollen die heute noch eigenständigen desktop- und cloud-basierten Software-Tools zusammenwachsen. Damit können Anwender noch einfacher mit identem look-and-feel ihre Projekte lokal am Rechner oder in der Cloud bearbeiten.

Weiters wollen wir das Thema Multi-language ausbauen. Der User kann sowohl in IEC-Sprachen programmieren als auch in C/C++. Und natürlich lassen sich auch Matlab-Modelle integrieren. Zukünftig möchten wir unser Angebot bis hin zur einfachen Integrierbarkeit von Domain-spezifischen Sprachen erweitern. Wir wollen etwas bieten, mit dem sowohl der Servicetechniker am Shopfloor pro-grammieren kann, als auch der Hochsprachen-Programmierer und natürlich der klassische Programmierer dazwischen. Wir bieten heute in einem Tool grau und gelb vereint, Safety und klassische Automatisierung. Wir sehen einen Trend weg von Standalone-Maschinen hin zu vernetzten Systemen.

Dafür braucht die Automatisierung aber mehr Offenheit und Flexibilität, eine Feldbusschnittstelle allein wird nicht mehr ausreichend sein. Die Kunden werden mittelfristig nicht mehr akzeptieren, proprietäre Insellösungen zu nutzen, für jede Plattform ein eigenes Tool. Das werden die Hersteller lernen. Langfristig wird niemand seine Hardware retten, indem er sie an seine Software bindet. Für uns heißt das: Nicht nur die Maschinen müssen miteinander sprechen, nicht nur die Ingenieure müssen miteinander sprechen, am Ende müssen auch die Tools miteinander sprechen. Daran arbeiten wir. Es bleibt spannend.

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