Open-Source-Projekt Apache PLC4X

Funktioniert Offenheit in der Automatisierungstechnik?

Open Source ist aus der modernen IT nicht wegzudenken. Längst sind große Technologieunternehmen wie Microsoft oder Google neben den jeweiligen Projekt-Communities hier die maßgeblichen Treiber. In mittelständischen Betrieben des Maschinenbaus und der Automatisierungstechnik gibt es aber nach wie vor Unsicherheit und Vorbehalte gegenüber Open-Source-Software in der Entwicklung oder Produktion. Mit Apache PLC4X gibt es ein Open-Source-Projekt, dass sich genau in diesem Umfeld bewegt und helfen soll Industriesteuerungen leichter zu vernetzen und Produktionsdaten einfacher zugänglich zu machen.
Bild: Pragmatic Industries Gmbh

PLC4X oder OPC UA – Vor- und Nachteile

Auf den ersten Blick wirkt PLC4X genau wie OPC UA. Und in der Tat sind die Ziele der beiden Projekte nahezu identisch, allerdings unterscheiden sich die Lösungsansätze grundsätzlich. OPC UA vereinheitlicht die Kommunikation durch die Spezifikation eines neuen Kommunikationsformates, dass sich inzwischen etabliert hat und in fast allen neuen Steuerungen verfügbar ist. Bei PLC4X auf der anderen Seite liegt das Augenmerk darauf die existierenden oder nativen Protokolle zu implementieren und diese für die Kommunikation mit den Anlagen zu verwenden. Zur Verdeutlichung ist der Ablauf der Kommunikation mit mehreren Geräten für beide Ansätze im nachfolgenden Bild (oben rechts) dargestellt. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Der Hauptvorteil von OPC UA ist neben der Vereinheitlichung der Kommunikation das Datenmodell, das Zugriff auf die verfügbaren Daten in einem Gerät und auf weitere Metadaten wie Typ-, Qualitäts- und Aktualitätsinformationen erlaubt. Zudem werden über sogenannte Companion Specifications herstellerübergreifend standardisierte Datenrepräsentationen erarbeitet. Nachteil ist jedoch eine gewisse Schwerfälligkeit des Protokolls, die es ungeeignet für Abfragen in kurzen Zeitintervallen macht. Der wichtigste Punkt ist aber, dass es schlicht auf dem Großteil der Bestandsanlagen im Feld nicht verfügbar ist, sondern erst seit zwei bis drei Jahren wesentlich in den Markt kommt. Damit ist OPC UA insbesondere für viele Brownfield-Projekte nicht geeignet, wenn die Steuerungen nicht ersetzt werden sollen. Apache PLC4X hat hier einen klaren Vorteil, da die Kommunikation mit den Steuerungen immer in den nativen Protokollen der Steuerungen stattfindet. Damit sind sowohl kurze Zykluszeiten für Abfragen möglich, als auch die Kommunikation mit älteren Geräten, sofern die Protokolle unterstützt werden. Der größte Nachteil von PLC4X ist, dass die Konfiguration für jedes Protokoll etwas anders aussieht. Die Portabilität ist daher nicht so komfortabel wie bei OPC UA. Weiterhin steht kein so reiches Datenmodell zur Verfügung wie bei OPC UA, sondern im Wesentlichen nur das, was die Steuerungen auch heute schon anbieten. Daher gibt es gute Gründe für beide Ansätze. Es gibt sogar einen Treiber für OPC-UA-Kommunikation über PLC4X, so dass sich auch neue und alte Anlagen gleichzeitig mit demselben Programm auslesen lassen.

 Es ist auf mittlere Sicht einfacher und auch günstiger, gemeinsam ein solches Projekt zu pflegen und alle Treiber umfänglich und 
sauber zu implementieren, als dass jeder Maschinenbauer selbst eigene Implementierungen pflegt, wie dies heute oftmals der Fall ist.
Es ist auf mittlere Sicht einfacher und auch günstiger, gemeinsam ein solches Projekt zu pflegen und alle Treiber umfänglich und sauber zu implementieren, als dass jeder Maschinenbauer selbst eigene Implementierungen pflegt, wie dies heute oftmals der Fall ist.Bild: Pragmatic Industries GmbH

Wichtige Fragen

  • Wer darf PLC4X nutzen und ist es wirklich kostenlos? Jeder darf PLC4X nutzen und es ist komplett kostenlos auch für den kommerziellen Einsatz. Das Lizensierungsmodell der Apache-2.0-Lizenz erlaubt es sogar den bestehenden Quellcode für individuelle Anpassungen zu verändern. Was allerdings geschützt ist, ist der Name „Apache PLC4X“ bzw. „PLC4X“ und das Logo. Sie dürfen nicht für beliebige Zwecke verwendet werden.
  • Wer entwickelt PLC4X und wieso? PLC4X wird von einer Community entwickelt, die sich über die Apache Software Foundation organisiert. Hierbei läuft die Entwicklung demokratisch ab und jeder Interessent ist gerne gesehen. Neben einzelnen Personen sind auch mehrere Firmen an der Entwicklung beteiligt, d.h. Entwickler arbeiten in ihrer Arbeitszeit an dem Projekt. Das geschieht in den meisten Fällen aus strategischen Gedanken, um keine ähnliche Software inhouse pflegen zu müssen.
  • Wo bekommt man Support? Vorerst nur über die Community. Hier gibt es ein Ticket-System sowie eine Mailing-Liste, auf der Fragen gestellt werden können. Einen direkten (kommerziellen) Support gibt es, wie bei vielen Open-Source-Projekten, erst einmal nicht. Allerdings gibt es Unternehmen die aktiv am Projekt entwickeln und solche Dienstleistungen anbieten, wie zum Beispiel die Firma Pragmatic Industries.
  • Wie kann man PLC4X nutzen? Das PLC4X-Projekt stellt den Quellcode auf der Entwicklerplattform GitHub, sowie bei allen Veröffentlichungen entsprechende Bibliotheken zum Download bereit. Beides kann direkt bezogen und genutzt werden.
  • Wie kann man mitmachen? PLC4X wird über eine Entwickler-Mailing-Liste (dev@plc4x.apache.org) verwaltet. Hier kann sich jeder der interessiert ist einfach anmelden und mitdiskutieren. Die Projektsprache ist Englisch. Grundsätzlich hat jeder erst einmal ein Leserecht auf den Quellcode. Aber nur einige ausgewählte Entwickler, die sogenannten Committer, dürfen den Code verändern und in das Repository schreiben. Jedoch kann sich jeder registrierte GitHub-Nutzer das Repository als individuelle Kopie forken, auf die dann Schreibrechte bestehen. Wer also eigenen Code zum Projekt beisteuern möchte, kann das einfach per GitHub mit einem sogenannten Pull Request tun. Diese Beiträge werden dann von den Committern geprüft und eingefügt.

Fazit

Mit dem Projekt Apache PLC4X gibt es ein Open-Source-Projekt, das für Unternehmen in der Automatisierungstechnik interessante Möglichkeiten eröffnet. Insbesondere für das Auslesen von Maschinendaten aus Bestandsanlagen. Das Projekt hat zwar sehr ähnliche Ziele wie OPC UA, aber einen ganz anderen Ansatz, so dass es für beide eine Daseinsberechtigung gibt. Auch wenn es direkt aus dem Open-Source-Projekt heraus keinen kommerziellen Support oder Schulungen gibt, so gibt es doch Unternehmen wie Pragmatic Industries, die bei Bedarf entsprechende Dienstleistungen anbieten.

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