Drucksensor unterstützt die Gletscherforschung

Das Cryoegg

Um besser zu verstehen, wie sich der Klimawandel sowohl auf Berggletscher als auch auf polare Eisplatten auswirkt, hat die Cardiff University in Wales das Cryoegg entwickelt. Der Keller-Drucktransmitter PA-20D dient als Sensor für die Messung des Wasserdrucks und überzeugte in ersten Studien mit beeindruckenden Ergebnissen.
 Durch die fast kugelförmige Form kann das Cryoegg leicht und reibungslos durch die Wasserkanäle innerhalb des Gletschers gleiten.
Durch die fast kugelförmige Form kann das Cryoegg leicht und reibungslos durch die Wasserkanäle innerhalb des Gletschers gleiten.Bild: Cardiff Universität, Wales

Zukünftig soll das Cryoegg dabei helfen spezifische Informationen über den genauen Verlauf der Wasserströmungen inner- und unterhalb von Gletschern und Eisplatten zu gewinnen. Aus der Forschung resultierende Ergebnisse sollen zudem neue Wege aufzeigen, wie wir den Erhalt unserer Gletscher für die nächsten Generationen sichern können.

Die Funktionsweise von Gletschern

Gletscher bestehen nicht nur aus festem Eis. Wenn man im Sommer über einen Gletscher spaziert, sieht man sehr oft kleine Bäche oder Flüsse über ihre eisige Oberfläche fliessen. Hierbei handelt es sich um Schmelzwasser. Wenn man einem dieser Ströme folgt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er irgendwo in einem Loch verschwindet und seine Reise unter der Erde fortsetzt. Diese Löcher werden ‚Moulins‘, französisch für ‚Mühle‘, genannt, da sie dem schnell fliessenden Wasser einer traditionellen Wassermühle ähneln. Das Schmelzwasser verschwindet im Moulin und fliesst inner- und unterhalb des Gletschereises weiter, bis es am Ende des Gletschers in ein Tal oder in das Meer mündet. Da wir nicht unter das Gletschereis sehen können, wissen wir nicht wie sich die Wasserströme verhalten und den Gletscherfluss beeinflussen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Wasserduck von Berggletschern im Frühling aufbaut, den Gletscher schmiert und ihn schneller fliessen lässt. Später im Sommer und Herbst schneidet das Wasser Kanäle unter dem Eis aus, reduziert den Druck und verlangsamt den Gletscherfluss. Doch Forscher untersuchen Moulins, nicht nur um tiefere Einblicke in die verborgenen Kanäle der Gletscher zu erhalten, vor allem möchten sie verstehen wie die grossen Polarregionen und ihre unterirdischen Kanäle an Orten. wie beispielsweise in Grönland. funktionieren. Moulins sind sehr gefährlich. Gefüllt mit eiskaltem, schnell fliessendem Wasser sind sie starken Strömungen ausgesetzt. Aus diesem Grund können Gletscher auch nicht von Tauchern untersucht werden. Für bislang durchgeführte Studien wurden zur Erforschung der Gletscherläufe subglaziale Sonden eingesetzt. Diese enthalten eine Vielzahl von Sensoren und wurden speziell für die Gletscherforschung entwickelt. Bisher haben Wissenschaftler, entweder mechanisch oder mit Hilfe einer Heißwasserbohrmaschine, ein Loch gebohrt. Die Sonde wurde anschliessend am Ende eines Kabels in das Bohrloch abgesenkt. Das Kabel versorgt hierbei den Sensor mit Strom und dieser sendet die aufgezeichneten Daten an einen Computer an der Oberfläche. Durch die Bewegung des Gletschers verformen sich jedoch die Bohrlöcher und dehnen das Kabel, bis es schliesslich bricht. Die Lebensdauer bisheriger subglazialer Sonden ist daher meist auf wenige Wochen begrenzt.

 Die digitale I2C-Schnittstelle des Drucksensors vereinfacht die Integration in kabellose Systeme.
Die digitale I2C-Schnittstelle des Drucksensors vereinfacht die Integration in kabellose Systeme.Bild: Keller Druckmesstechnik

Eine Entwicklung mit Mehrwert

Die Glaziologin Liz Bagshaw und der Ingenieur Mike Prior-Jones von der School of Earth and Environmental Sciences an der Cardiff Universität Wales haben eine neue Form der subglazialen Sonde entwickelt: das Cryoegg. Das Cryoegg ist ein drahtloses, kugelähnliches Gerät, das eine Batterie, Sensoren und einen Funksender enthält. Seine fast kugelförmige Form ermöglicht es ihm, leicht und reibungslos durch die Wasserkanäle innerhalb des Gletschers zu gleiten. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass es stecken bleibt. Da das Cryoegg zudem drahtlos ist, kann es einfach in ein Moulin fallen gelassen oder in ein Bohrloch abgesenkt werden. Die drei Parameter Druck, Temperatur und die elektrische Leitfähigkeit werden mit den im Cryoegg integrierten Sensoren gemessen. Als Drucksensor wurde der Keller-Drucktransmitter PA-20D (250bar) verbaut. Dieser besitzt eine vakuumversiegelte Membran und kommuniziert mit dem Mikrocontroller über die digitale I2C-Schnittstelle. Der Transmitter liefert einen 16Bit-Druckwert an den Mikrocontroller – nutzt jedoch nur die Hälfte des verfügbaren Bereichs. Der Rest wird verwendet, um Drücke zu melden, die geringfügig über dem kalibrierten Bereich liegen. Dies bedeutet, dass der kleinste meldepflichtige Druckschritt 7,6mbar beträgt. In praktischen Feldversuchen konnte der Sensor sogar Änderungen des Wasserdrucks mit einer Genauigkeit von bis zu 0,1bar erfassen. Für die Temperatur- und Leitfähigkeitsmessungen wurden separate, unabhängige Sensoren installiert.

Feldversuche

Die ersten Feldversuche mit dem Cryoegg wurden 2019 am Rhône-Gletscher in der Schweiz durchgeführt. Hier wurden künstlich geschaffene Moulins erstellt und das Cryoegg zum Test an einem Seil befestigt, in einem Bohrloch versenkt. Sobald sich das Cryoegg am Boden des Moulins befand, konnte man den vom Sensor gemessenen Wasserdruck auf dem Monitor sehen. Da der Druck über eine Stunde kontinuierlich auf Null abfiel, konnte das Team feststellen, dass gespeichertes Wasser aus dem Moulin abfloss. Eis ist auch für Radiowellen transparent, weshalb Glaziologen seit langem Radare verwenden, um es zu durchschauen. Ein weiterer Feldversuch wurde im Bohrloch des East Greenland Ice Core Project durchgeführt. Dieser zeigte, dass das Cryoegg Daten aus einer Tiefe von mehr als 1,3km dickem Eis übertragen konnte und die Sensoren dem Betrieb bei -30°C standhalten.

Zukunftspläne

Das Cryoegg-Team beabsichtigt in den kommenden Jahren zum Standort des East Greenland Ice Core Project zurückzukehren. Hier wird ein Bohrloch in den nordöstlichen grönländischen Eisstrom (NEGIS) gebohrt, welcher ein sehr schnelllebiger Abschnitt der grönländischen Eisdecke ist. Das Cryoegg wird derzeit an der Cardiff University weiter verbessert, um dem hohen Druck unter dem NEGIS standhalten zu können. Eine Anpassung des Gehäuses und die Montage eines Keller-7LD-Sensors sollen zuverlässige Messungen des Wasserdrucks in Echtzeit ermöglichen. Der Drucktransmitter könnte hierfür die passende Lösung sein. Neben seiner kompakten Grösse bietet er verlässliche Messungen und seine Chip-in-Oil-Technik macht ihn robust gegen Umwelteinflüsse. Der geringe Stromverbrauch des Drucktransmitters macht ihn zudem gut geeignet für den Einsatz in batteriebetriebenen Systemen.

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: ©Gorodenkoff/stock.adobe.com / Prominent GmbH
Bild: ©Gorodenkoff/stock.adobe.com / Prominent GmbH
Einer für Alles – Füllstandmessung leicht gemacht

Einer für Alles – Füllstandmessung leicht gemacht

Ein Sensor für jede Anwendung – egal welche Flüssigkeit – das ist mit neuartigen Radar-Füllstandsensoren keine Utopie mehr. Seit rund zwei Jahren beweist sich die Technik in der Praxis. Schäumende, aggressive, trübe oder transparente flüssige Medien: Die Radarsensoren sind imstande, die Füllstände überall genau und zuverlässig zu messen. Eine Reihe konkreter Beispiele aus der Abwasseraufbereitung, der Chemie, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zeigen, wie weit diese Technologie der altbewährten Ultraschalltechnik voraus ist.

mehr lesen