Grundsätzlich ist eine Niederspannungs-Schaltanlage – die Norm spricht hier von einer Niederspannungs-Schaltgerätekombination – sicher, wenn sie nach DIN EN61439-2 geplant und errichtet ist. Das heißt, auch beim Auftreten von Überspannungen, Überlast- und Kurzschlussströmen wird der sichere Betrieb der Schaltanlage gewährleistet. Und dennoch – das Auftreten eines Störlichtbogens innerhalb einer Schaltanlage mit seinen teils fatalen Folgen kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ursachen hierfür können beispielsweise leitfähige Materialien sein, die bei der Aufstellung oder Wartung versehentlich in der Anlage zurückgelassen wurden. Auch fehlerhafte Materialien oder durch Schädlingsbefall beschädigte Kabel können Auslöser für einen Störlichtbogen sein. Und nicht zuletzt sind es unsachgemäßer Betrieb oder mangelhafte Wartung, die für die Entstehung eines inneren Störlichtbogens und den daraus resultierenden Unfällen verantwortlich sein können.
Lichtbogenenergie schadet Mensch und Material
Ein Störlichtbogen ist ein ungewollter Spannungsüberschlag zwischen zwei elektrischen Potenzialen. In seinem Verlauf entstehen eine enorme Energie und ein Lichtbogen. Die Lichtbogenenergie kann zu Überhitzung und Überdruck im Schaltschrank führen. Temperaturen von bis zu 15.000°C können schwerste körperliche Verbrennungen verursachen und Materialien durch Schmelzen, Verdampfen und Zersetzen in ihrer Funktion beeinträchtigen. Die enorme Druckwelle von bis zu 30t/m2 kann Teile losreißen, die wie Geschosse umherfliegen und Menschen verletzen. Durch die akustische Belastung – bis zu 150dB – treten Knalltraumata auf und austretende Gase sowie verdampfende Materialien schädigen Lunge und Haut. Der Lichtbogen kann darüber hinaus derart hell sein, dass er die Augen extrem blendet oder gar eine Art Schneeblindheit hervorruft, in Fachkreisen als ‚Verblitzung‘ bekannt.
Klassifizierung definiert Umfang des Schutzes
Werden Schaltgerätekombinationen nach DIN EN61439-2 Beiblatt 1 geprüft, können die Unfallursachen und deren schweren Folgen minimiert werden. Je nach Umfang dieser Prüfungen und der daraus resultierenden Sicherheit werden folgende Störlichtbogenklassen festgelegt (Kriterien siehe Kasten):
- Störlichtbogenklasse A – Personenschutz (Kriterien 1-5)
- Störlichtbogenklasse B – Personen- und Anlagenschutz (Kriterien 1-6)
- Störlichtbogenklasse C: Personen- und Anlagenschutz mit eingeschränkter Betriebsfähigkeit (Kriterien 1-7)
- Störlichtbogenklasse I: Anlagen, die alleine durch geschützte Zonen das Risiko eines Störlichtbogens verringern.
Durchführung der Prüfung ist detailliert festgelegt
Die Prüfung zur Klassifizierung von Schaltgerätekombinationen wird in Referenzanlagen mit einem absichtlich herbeigeführten Störlichtbogen durchgeführt. Hierbei sollen die Umgebung und der Aufbau den üblichen Betriebsbedingungen entsprechen. Die eigentliche Durchführung der Prüfung wird in der Norm detailliert angeleitet. So sind beispielsweise die Einspeiserichtung des Stroms und der Zündort so zu wählen, dass die höchstmögliche Beanspruchung der Komponenten zu erwarten ist. Kennzahlen für Spannung, Strom, Frequenz und Prüfdauer sind ebenso definiert wie zum Beispiel die IP-Klasse von Gehäuseteilen. Auch die Vorbereitung der Zündung ist festgelegt: Es wird unter anderem beschrieben, wie der Zünddraht, der einen Störlichtbogen auslöst, angeschlossen wird und welche Länge er haben sollte. Tabellen mit Angaben über Prüf-, Durchlassstrom und Drahtquerschnitte geben Aufschluss darüber, welcher Querschnitt des Kupferzünddrahtes bei strombegrenzten Geräten und bei nicht strombegrenzten Geräten zu wählen ist.