Interview mit Messemacherin Tanja Waglöhner

„Wir bieten etwas, das nicht ersetzbar ist“

Wegen der Covid19-Pandemie ist die hiesige Messewirtschaft quasi komplett zum Stillstand gekommen. Ob es in diesem Jahr überhaupt noch eine große Automatisierungsmesse in Deutschland geben wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt fraglich. Die lokalen Veranstaltungen aus der All-About-Automation-Serie sollen hingegen ab September wieder durchstarten. Das SPS-MAGAZIN hat sich mit Veranstalterin Tanja Waglöhner über den Neustart, bleibende Unsicherheiten und bereits wieder stattfindende Großmessen in China unterhalten.
Bild: Untitled Exhibitions GmbH

Wie wurde die All-About-Automation-Messereihe von der Corona-Pandemie in den letzten Monaten beeinflusst, Frau Waglöhner? Welche Termine mussten verschoben bzw. abgesagt werden?

Tanja Waglöhner: Fünf Tage vor Messestart der All About Automation in Friedrichshafen, die ursprünglich für den 4. und 5. März geplant war, mussten wir entscheiden, die Messe zu verschieben. Damals rechneten wir wie so viele mit einem kurzen tiefen Einschnitt. Der angesetzte Ersatztermin 1. und 2. Juli 2020 war, wie im Verlauf der Krise klar wurde, nicht realisierbar. In diesem Jahr wird es deshalb leider keine All About Automation am Bodensee geben. Den ursprünglich für Ende Mai angesetzten Termin in Essen haben wir Ende März auf den 9. und 10. September verschoben. Momentan arbeiten wir intensiv am Re-Start der All About Automation im September in Essen und Chemnitz.

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KastenbildBild: Untitled Exhibitions GmbH

Im Spätsommer und Herbst soll es wieder All-About-Automation-Termine geben. Damit sind die Regionalmessen die ersten Veranstaltungen im Automatisierungsbereich, die wieder in echt stattfinden. Was spricht dafür, zu diesem Zeitpunkt wieder fortzufahren?

Waglöhner: Es ist eine große Verantwortung, in Phasen hoher Planungsunsicherheit zu entscheiden. Gesundheitsschutz, der Bedarf bei Ausstellern und Besuchern und die wirtschaftliche Risikoabwägung sind Dimensionen, die zu betrachten waren. Eine Messe braucht Vorbereitungszeit, braucht mehrmonatiges Investment in Werbung. Das Kostenrisiko einer kurzfristigen Absage wie in Friedrichshafen trägt beim All-About-Automation-Konzept zu großen Teilen der Veranstalter. So läuft etwa der komplette Standbau über uns. Innerhalb der Easyfairs-Gruppe haben wir entschieden: Sobald wieder erlaubt, bieten wir mit den notwendigen Schutzvorschriften wieder Messen an. Denn wenn etwas nach der unmittelbaren Krise und für den Re-Start von Präsenzmessen erfolgsversprechend realisierbar ist, dann überschaubare, regionale Konzepte. Wir sind absolut überzeugt von der Bedeutung unserer Messen für die Aussteller und Besucher.

Welchen Stellenwert räumen Sie den oft zitierten Hygiene- und Abstandsregeln ein?

Waglöhner: Beim Gesundheitsschutz dürfen und werden wir keine Kompromisse eingehen. Die Vorgaben an den nächsten Messestandorten in NRW und Sachsen sind konkret und umsetzbar. Auch hier gehen wir das notwendige Investment an personellen und finanziellen Ressourcen ein. Wir leben mit dem Risiko: Wenn das Infektionsgeschehen wieder ansteigt, darf es keine Messen geben. Dann ist es richtig und wichtig, sich zurückzuziehen.

Wie war der Tenor der Aussteller?

Waglöhner: Wir haben in diesen Monaten viel mit unseren Ausstellern gesprochen. Die Ausstellerzahlen in Essen und Chemnitz sind mit 130 und 150 Unternehmen nicht wesentlich gesunken bzw. am neuen Standort im Osten sogar angestiegen. In unserer Social-Media-Kampagne ‚Wir sind am Start. Sicher!‘ drücken die Aussteller in über 40 Statements sehr anschaulich den Bedarf nach persönlicher Begegnung aus. Wir sind überzeugt: Messen sind der Ankerpunkt der eins zu eins Kommunikation. Die All About Automation ist das richtige Konzept, um sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, die Messen gerade jetzt bieten.

In China ist jüngst die Fachmesse Laser mit über 50.000 Besuchern erfolgreich durchgeführt worden. Inwieweit ist das ein Signal an die hiesigen Messeveranstalter?

Waglöhner: „The reopening industry finds opportunities in hardship“ ist die Überschrift des Presse-Nachberichts der Laser China. Genau das sehe ich: Nicht jetzt ob der Schwierigkeiten den Kopf in den Sand stecken, sondern mutig und verantwortungsbewusst prüfen was geht. Wir sind als Messeveranstalter Dienstleister der Industrie. Wir haben etwas zu bieten, das nicht ersetzbar ist. Ja, unser wirtschaftliches Risiko ist jetzt höher als in normalen Zeiten. Ja, es darf jetzt nicht um immer mehr und immer größer gehen. Es geht jetzt um den Kern dessen, was Messen leisten: Geschäftsanbahnung und Vertrauensaufbau zwischen Anbieter und Kunde.

Welche Einschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Corona erwarten die Besucher der All About Automation?

Waglöhner: Dieses Interview soll Mitte August erscheinen. Jetzt, einen Monat früher, ist unser Sicherheitskonzept ‚The Safest Place To Meet‘ so aufgesetzt, dass wir es auf die im September geltenden Anforderungen anpassen können. Manches lässt sich heute noch nicht verbindlich sagen. Das generelle Setup bringen wir derzeit technisch und organisatorisch in die Realisierung: Komplettregistrierung aller an der Messe Teilnehmenden, um die Kontaktnachverfolgung sicher zu stellen; Ausweitung der Messefläche und Crowd Management d.h. eine maximale Anzahl von Personen in der Messehalle, um Mindestabstände zu ermöglichen und erhöhte Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen. Alles ist im Detail und stets aktuell auf der Messe-Webseite nachlesbar.

Wie hoch schätzen Sie das Besucherinteresse ein?

Waglöhner: Das grundsätzliche Interesse der Besucher ist hoch. Es gilt in den verbleibenden Wochen bis zur Veranstaltung Vertrauen aufzubauen und zu zeigen, dass ein Messebesuch gleichermaßen sicher, angenehm und zielführend sein kann. Wichtig ist, dass Impulse gesetzt werden und abgebrochene Kontaktfäden wieder aufgenommen werden können.

Andere Messen wurden komplett gestrichen und/oder in digitale Veranstaltungen umgewandelt. Ist das für die All About Automation keine Option?

Waglöhner: Der Kern der All-About-Automation-Marke ist der persönliche Kontakt, das Fachgespräch, die individuelle Beratung und das Entdecken neuer Lösungspartner. Wir fokussieren uns genau auf den Bereich, der mit einer digitalen Veranstaltung am schwersten abzubilden ist. Ich bin überzeugt, dass hybride Formate auch nach Corona wichtig bleiben werden. Digitale Formate haben für Konferenzen und Kongresse eindeutige Vorteile gegenüber dem Live-Frontalvortra. Beim Messegeschehen wird es schwieriger. Auch da gibt es interessante Ansätze und tolle Initiativen, aber auch viel unausgegorenes. Hätten wir den umfangreichen Ausstellerprofilen auf unserer Messewebseite schnell noch interaktive Messestandsgrafiken hinzugefügt, hätten wir das gehabt, was oftmals als digitale Messe offeriert wurde. Das war mir aber ehrlich gesagt zu wenig. Wir arbeiten daran, dass auch die All About Automation zukünftig hybrider wird. Überlegt und wertschöpfend.

Welche Lehren muss man als Messeveranstalter aus der Corona-Krise ziehen?

Waglöhner: Wir sind uns bewusster geworden, welchen Wert Messen haben. Und wo sie verletzlich sind. Der Wille, das Messekonzept um digitale Komponenten zu bereichern und so hybrider, resilienter und nachhaltiger zu werden, ist stärker geworden. Nicht mehr aus der Sorge heraus, dass das alte Geschäftsmodell wegen der Digitalisierung verloren gehen könnte, sondern aus der neu gewonnen Überzeugung, dass sich die Stärken beider Welten kombinieren lassen und dass Chancen da sind, um ergriffen zu werden.

Die All About Automation findet am 9. und 10. September in der Messe Essen und am 23. und 24. September in der Messe Chemnitz statt. In Essen werden rund 130 Unternehmen erwartet, in Chemnitz umfasst die Ausstellerliste 150 Firmen. Das Konzept ‚The Safest Place to Meet‘ soll so vielen Besuchern wie in den Vorjahren den Messebesuch ermöglichen. Dazu wird die Besucherfrequenz über Halbtagestickets und ausgeweitete Öffnungszeiten gesteuert. Zudem gibt es Hygiene- und Abstandsregeln. Des Weiteren wurde die Fläche der Messe um Bereiche mit Networking Tables vergrößert, so dass sich Aussteller und Besucher auch außerhalb der Messestände in Bereichen mit genügend Abstand treffen können.

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