Im Gespräch mit Manish Kumar, CEO von SolidWorks

„Wir sind ein Forschungs-getriebenes Unternehmen“

Seit Februar 2022 ist Manish Kumar neuer CEO des 3D-CAD-Softwarehauses Solidworks. Das SPS-MAGAZIN sprach mit ihm über die Veränderung der Engineering-Landschaft, die Rolle von SolidWorks bei Dassault Systèmes, die Möglichkeiten von KI und warum Emotion für Produkte wichtig ist.
 Manish Kumar kam direkt nach seinem Maschinenbau-Studium am IIT (Indian Institute of Technology in Delhi) als Entwickler zu SolidWorks. Bevor er im Februar CEO von SolidWorks wurde, war er dort Vice President R&D.
Manish Kumar kam direkt nach seinem Maschinenbau-Studium am IIT (Indian Institute of Technology in Delhi) als Entwickler zu SolidWorks. Bevor er im Februar CEO von SolidWorks wurde, war er dort Vice President R&D.Bild: TeDo Verlag GmbH

Bevor Sie CEO wurden, waren Sie für Forschung und Entwicklung zuständig. Wird das Thema Forschung in Ihrem Unternehmen wichtiger?

Nein, Forschung wird nicht wichtiger, sondern sie war schon immer enorm wichtig und wird es auch immer bleiben. Ich war Vice President R&D bei SolidWorks. Auch Gian Paolo Bassi, vor mir CEO bei SolidWorks, war davor VP R&D. Und schauen Sie sich Bernard Charlès an, unser CEO bei Dassault Systèmes. Auch er war in Forschung und Entwicklung tätig. Dassault ist also insgesamt ein sehr entwicklungs- und forschungsorientiertes Unternehmen, nicht nur SolidWorks.

Welche Rolle spielt SolidWorks innerhalb des Konzerns? Schließlich hat Dassault Systèmes mit Catia auch eine erfolgreiche 3D-Modellierungssoftware im Programm.

SolidWorks wurde 1997 von Dassault Systèmes übernommen, und die Summe, die Bernard Charlès sich vom Vorstand dafür genehmigen lassen musste, war nicht gering. Schon damals hatte Dassault Systèmes Catia im Portfolio. Das war bereits damals ein sehr ausgereiftes und erfolgreiches Produkt. Warum also SolidWorks? Der Grund war damals, dass SolidWorks den Mainstream-CAD-Markt beherrschte, während Catia den High-End-CAD-Markt dominierte. Und das gilt auch heute noch. Wenn man sich heute auf dem High-End-Markt umsieht, ist Catia der König. Funktionalität und Leistungsfähigkeit von Catia sind unübertroffen. Aber in den Mainstream-Märkten ist SolidWorks der König.

Wirklich? Wie kommen Sie darauf?

Ein Beispiel: Letzte Woche ging ich in ein Café und trug eine SolidWorks-Jacke. Da war ein junger Mann, der mich ständig ansah. Nach einer Weile kam er zu mir und fragte: Arbeiten Sie für SolidWorks? Ich sagte: Ja. Und er sagte: Ich liebe die Software! Ich habe angefangen, das Programm zu lernen und ich liebe es. Das ist die Leidenschaft, die nur ein Mainstream-CAD-Programm hervorrufen kann, das leicht verfügbar ist, das für jeden zugänglich ist. Wir haben SolidWorks so benutzerfreundlich gemacht, dass es einfach zu lernen ist. Ich denke, niemand kann uns hier schlagen.

Warum ist das so?

Es liegt nicht nur an der Software. Wichtiger sind folgende Fragen: Wenn Sie anfangen, die Software zu benutzen und nicht weiterkommen, finden Sie dann Hilfe? Wenn Sie auf YouTube gehen – finden Sie dort Videos? Wenn Sie nach Blogs suchen, finden Sie passende? Und genau hier finden Sie SolidWorks fast überall. Sie haben nie das Gefühl, dass Sie allein sind. Wenn Sie sich dann in SolidWorks-Foren umsehen: Stellen Sie eine Frage, egal zu welcher Zeit, irgendjemand wird Ihnen innerhalb von Minuten bis höchstens Stunden antworten – und üblicherweise ist es niemand von SolidWorks. Es ist die Community, die auf die Fragen der anderen antwortet. Diese Art von Gemeinschaftsgefühl ist für mich ein Mainstream-Gefühl. Das ist der besondere Wert, den SolidWorks bietet.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren verändert, und in welche Richtung bewegt sich die Industrie?

Vor 20 Jahren hat es ausgereicht, ein Produkt zu liefern, das funktionierte und dem Endverbraucher die Grundfunktionen bot. Dann kam Steve Jobs zurück in die Branche und hat es für alle ruiniert. Denn jetzt wurde das Erlebnis wichtig, die Customer Experience. Die Produkte müssen beim Kunden Emotionen wecken. Auf der anderen Seite dürfen sie aber nicht überteuert sein. Zu guter Letzt kommt heute noch das Thema Nachhaltigkeit dazu, sie müssen schon beim Design eines Produktes an den Lebenszyklus denken. Und all das müssen wir in unserer Software heute abdecken. User sollten in der Lage sein, mehrere verschiedene Prototypen auszuprobieren, um zu lernen, welches die bestmögliche Version ist, die sie produzieren möchten. Sie sollten auch wissen, wie sie diese Version am günstigsten produzieren können. Simulation, Fertigungssteuerung, Marketing. All diese Aspekte müssen berücksichtigt werden, um dem Kunden, dem Endverbraucher, ein Erlebnis zu bieten. Das Design allein ist nicht wichtig. Das ist es, was eine Konstruktionssoftware heute bieten muss. Deshalb gibt es auch die 3DExperience-Plattform, weil wir der Meinung sind, dass man, um vom Produkt zum Erlebnis zu kommen, eine kollaborative Plattform braucht, eine Plattform, bei der es nicht mehr nur um die Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Ingenieuren geht. Es sollte eine Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und allen anderen sein – eigentlich zwischen allen und allen.

Glauben Sie, dass das auch kleine Unternehmen betrifft, etwa Lohnfertiger mit nur wenigen CNC-Fräsen?

Wenn nicht heute, dann bald. Selbst wenn sie nur ein Gehäuse fräsen, sollten sie sich die Frage stellen: Gibt es Konstruktionsalternativen? Kann man es billiger machen? Kann man es schneller machen? Und: Wie liefere ich alle nötigen Daten, um den CO2-Fußabdruck nachzuverfolgen?

Das hat ja viel mit dem Mindset der User zu tun. Verändert sich die SolidWorks-Software auch?

Lange Jahre galt das sogenannte Mooresche Gesetz. Alle Softwareunternehmen, auch SolidWorks, haben davon profitiert, dass sich die Rechenleistung alle 18 Monate verdoppelt hat. Provokant gesagt: Selbst wenn ein Softwarehaus 18 Monate nichts verbessert hat, konnte es bei einer neuen Version sagen, dass Projekte sich doppelt so schnell öffnen oder doppelt so schnell rendern. Das ist heute nicht mehr so, die Rechenleistung steigt deutlich langsamer. Hinzu kommt, dass die Komplexität der Montage in einem Tempo zunimmt, das wir uns kaum vorstellen können. Als ich 1998 anfing, war eine Baugruppe mit 50 Bauteilen noch eine große Baugruppe. Dann waren es einige hundert Teile, dann einige Tausend. Wenn man sich heute die größten möglichen Baugruppen ansieht, spricht man manchmal von hunderttausenden Einzelteilen. Und wenn man Hunderttausende von Baugruppen in einem bestimmten Modell hat und weiß, dass die Geschwindigkeit des Computers nicht steigen wird, dann weiß man, dass man anfangen sollte, die Algorithmen so zu optimieren, dass man mit den begrenzten Ressourcen zurechtkommt. Eine weitere Veränderung, an der wir arbeiten, ist der Einsatz von KI und maschinellem Lernen. Die Frage ist: Was können wir aus den Daten lernen, die die Kunden erzeugen?

Stellen die Kunden Ihnen die Daten überhaupt zur Verfügung?

Die Verfügbarkeit von Daten ist ein großer Vorteil der 3DExperience-Plattform von Dassault Systèmes. Wir haben zwei Versionen von SolidWorks. SolidWorks und 3DExperience SolidWorks. Die zweite Version beinhaltet einen kollaborativen Designer für SolidWorks, aber im Grunde können Sie mit beiden Produkten die 3DExperience-Plattform nutzen. Und sobald Sie sie nutzen, werden die Daten eines Unternehmens, egal ob es sich um ein Unternehmen mit fünf, 100 oder 1000 Mitarbeitern handelt, an einem zentralen Ort gespeichert. So wissen Sie in Ihrem Unternehmen genau, wer was erstellt. Sie wissen, welche Art von Informationen es gibt. Dann wissen Sie auch, ob Sie für eine bestimmte Idee die Leute finden, die diese Idee umsetzen können. Oder ob sie die Idee produzieren können. Und auf solche Daten kann eine KI dann auch zurückgreifen.

Aber wie wirkt sich das, wie wirkt sich KI konkret auf die Arbeit in SolidWorks aus?

Zwei Beispiele: Konstruktionen haben oft symmetrische Elemente. Bohrungen, Befestigungsnuten etwa. Wenn man beginnt, eine Skizze auf der Grundlage der Symmetrie des Modells zu erstellen, sind wir in der Lage vorherzusagen, dass man ein bestimmtes Element vielleicht auch auf der anderen Seite haben möchte. Die KI schlägt es vor und man kann als User ja oder nein sagen. Wenn die Benutzer es ausprobieren, sind sie meist überwältigt von der Zeit, die sie einsparen können. Anderes Beispiel: Eines der größten Probleme im CAD ist immer noch, Elemente zueinander auszurichten, etwa den Deckel auf eine Flasche zu setzen. Dazu muss ich die zylindrische Fläche der Kappe auswählen und sagen, dass sie kollinear sein muss, dann muss ich die untere und die obere Fläche auswählen und sagen, dass sie koplanar sein müssen. Das sind vier Klicks, nur um diese Flächen auszuwählen. Dazu muss ich meist die Ansicht manipulieren, verschieben, zoomen und auswählen. Wenn Sie nun drei Flaschen haben, und alle drei müssen verschlossen werden, und Sie haben die erste Flasche bereits verschlossen: Sollten Sie wirklich Zeit investieren, um die anderen drei zu verschließen? Oder sollte die Software per KI Ihnen helfen können? Das können wir jetzt tun. Das sind die Bereiche, in denen wir KI und maschinelles Lernen einsetzen, um die Anzahl der unnötigen Schritte zu reduzieren. Damit sich die Nutzer auf das konzentrieren können, was sie am besten können – kreativ sein.

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