Time-Sensitive Networking

TSN ermöglicht konvergente Netzwerke für die smarte Produktion

Eine agile Produktion, die sich dynamisch auf veränderte Anforderungen einstellen kann, erfordert eine Kommunikation aller Teile der Anlagenautomatisierung mit anderen Systemen im Unternehmen. Das sorgt für rasch wachsende Netzwerkgrößen und Datenmengen im IIoT. TSN erweitert den Ethernet-Standard um Echtzeitfähigkeit, was das Verschmelzen von IT und OT zu einem gemeinsamen Netzwerk ermöglicht. Immer mehr Produkte unterstützen den Standard und erleichtern so die Umsetzung der Konzepte von Industrie 4.0.
Bild: Kontron Europe GmbH

Im globalen Wettbewerb geht es darum, immer komplexere Produkte mit gleichbleibend hoher Qualität zu marktverträglichen Kosten zu produzieren, und das oft in kundenindividuellen Varianten. Dazu braucht es Smart Factories, die sich nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 autonom auf veränderliche Produktionserfordernisse einstellen. Deren vernetzte Produktionsanlagen müssen dazu nicht nur miteinander, sondern auch mit anderen Systemen im Unternehmen Anweisungen und Daten austauschen. Dieser Kommunikationsbedarf ist universell, er reicht vom Sensor und Aktor auf der Feldebene über die Steuerungen und darüber operierende Leitrechner bis in lokale und zentrale Rechenzentren und auch in die Cloud. Alle diese Orte können Datenquellen und Ziele sein, nicht selten sind sie beides. So war es naheliegend, Standard-Ethernet aus der klassischen IT auch für die OT nutzbar zu machen. Allerdings ist für die strenge Vertaktung von Bewegungsvorgängen in industriellen Anwendungen an vielen Stellen Echtzeitfähigkeit erforderlich. Um diese zu gewährleisten, ist bei der Datenübertragung ein berechenbares Zeitverhalten mindestens ebenso wichtig wie eine ausreichend hohe Datenrate. Es entstand zunächst eine Fülle verschiedener Echtzeit-Protokolle, die nicht kompatibel sind. Hier kam TSN ins Spiel, das den Ethernet-Standard um die Echtzeitfähigkeit erweiterte.

OPC UA FX überwindet Kompatibilitätsmängel

Das Ende der unvermeidlichen Sprachverwirrung zwischen Systemen unterschiedlicher Hersteller wurde 2018 eingeläutet. Auf der Messe SPS erfolgte die Vorstellung von OPC UA over TSN als universelle, echtzeitfähige Kommunikationsplattform bis zur Sensorebene. Mittlerweile auf OPC UA FX (für Field eXchange) umbenannt, ermöglicht diese die Überwindung der bisherigen Kompatibilitätsmängel mit einem einzigen, weltweit einheitlichen Standard. Alle namhaften Hardwarehersteller unterstützen diesen, denn er ist die Grundlage für sämtliche Anwendungen im IIoT und der Schlüssel zur Verschmelzung von IT und OT zu einem gemeinsamen Netzwerk.

Einheitlicher Echtzeit-Standard

TSN setzt sich rasch als einheitlicher Standard für die Echtzeit-Datenkommunikation durch. Dazu trägt auch bei, dass im Zuge der Neudefinition von Ethernet bedeutende Performance-Steigerungen erfolgten. Die Technologie ermöglicht Netzwerke mit mehreren 10.000 Knoten. Diese können bis zu 18-mal schneller kommunizieren als mit allen bisherigen Protokollen und lassen sich darüber hinaus einfach verwalten und konfigurieren. Das ermöglicht z.B. Kombinationen aus digitaler Bildverarbeitung und synchroner Antriebstechnik in harter Echtzeit mit recht kostengünstiger Hardware direkt vor Ort. Da sich auch Endgeräte ohne TSN-Fähigkeit problemlos über TSN-Netzwerke betreiben lassen, kann davon ausgegangen werden, dass Ethernet-Installationen über kurz oder lang standardmäßig TSN-Funktionalitäten unterstützen werden. Das eliminiert den heute noch hohen Aufwand zum Überwinden der Kompatibilitätsgrenzen als Hürde für das Integrieren zeitkritischer Anlagenteile in das IoT. Damit kann es gelingen, die Ideen von Industrie 4.0 Wirklichkeit werden zu lassen. Zudem bringt ein deterministisches Zeitverhalten der Datenkommunikation auch außerhalb von Produktionsmaschinen und -anlagen in vielen Anwendungen Vorteile.

 Die industrietaugliche KSwitch D10 MMT Familie ist für Fast- und Gigabit-Netze geeignet und verbindet Maschinen, Steuerungen und andere Komponenten zukunftsweisend auf der Basis von Time Sensitive Network Ethernet (IEEE802.1 TSN).
Die industrietaugliche KSwitch D10 MMT Familie ist für Fast- und Gigabit-Netze geeignet und verbindet Maschinen, Steuerungen und andere Komponenten zukunftsweisend auf der Basis von Time Sensitive Network Ethernet (IEEE802.1 TSN). Bild: Kontron Europe GmbH

Früher Einstieg in TSN

Einer der Vorreiter in Sachen TSN ist Kontron. Der Hersteller von Embedded-Produkten für das IIoT, brachte bereits 2018 ein Starterkit für TSN auf den Markt. Dessen Softwareumgebung unterstützt Programmierer und Anwender vor allem bei der im Vergleich zu Standard-Ethernet erheblich komplexeren Netzwerkkonfiguration. Zusätzlich enthält das Kit passende Hardware mit TSN-tauglichen Schnittstellen für realitätsnahe Tests. All dies erleichtert Systemherstellern den Einstieg in die Technologie. Zu den ersten TSN-tauglichen Produkten gehörte eine PCIe-Steckkarte zur Bereitstellung von bis zu vier externen TSN-Kanälen. Diese sind einfach, paarweise redundant oder in einer Ringkonfiguration nutzbar. Dadurch unterstützen sie den Aufbau topologieunabhängiger TSN-Netzwerke. Die schnelle Kommunikationslogik implementierte Kontron mittels FPGA, um durch Nachladen neuerer Versionen schnell und einfach auf Änderungen bei den damals noch nicht völlig ausformulierten Standards reagieren zu können. Das kompakte Smarc sAL28-Modul bietet bis zu fünf Gigabit-Ethernet-Anschlüsse sowie einen integrierten TSN-Switch. Damit eignet es sich vor allem für die Datenkonzentration als Edge-Gerät.

TSN in Produkte gegossen

Zusätzlich stattet Kontron immer mehr Produkte im Standard mit TSN-Fähigkeit aus, so z.B. die aktuellen Box-PCs, Rackmount Server, Workstations und Panel-PCs sowie COM-Express-Module, Motherboards und 3,5″-SBCs. Erleichtert wird das durch die Integration der TSN-Funktionalität in Halbleitern zahlreicher Hersteller, etwa der Intel-Core-Prozessoren bis zur 14. Generation. Diese unterstützen im Standard die Intel-Technologie Time Coordinated Computing (TCC) zur Schaffung der Voraussetzungen für TSN. So bietet etwa das für das COM-HPC Client-Modul COMh-ccAS mit Intel-Core-S-Prozessoren der 12. Generation die Power für vielseitige Anwendungen in Bereichen wie Automation, Mess- und Medizintechnik, die eine intensive Grafik- und Rechenleistung fordern. Ebenso bietet das COM HPC/Client Module size A COMh-caRP mit der 13. Generation Intel-Core-Prozessoren und bis zu 64GB DDR5-RAM und bis zu 2.5GB Ethernet mit TSN Support.

TSN ist jedoch bei Kontron keineswegs auf Produkte mit Intel-Prozessoren beschränkt. So integriert das auflötbare System-on-Module (SoM) OSM-S i.MX8M Plus auf nur 30x30mm einen Quad-Arm-Prozessor i.MX8M Plus mit 1,6GHz Quad Core- sowie einen AI-Prozessor, 64GB eMMC und 4GB LPDDR4-RAM Dual GbE-LAN, von denen einer mit TSN-Funktionalität ausgestattet ist.

Vom kleinsten Modul über Embedded Box-PCs und Panel-PCs bis zu den Industrial Rackmount-Systemen der KISS V4 ADL-Familie und der KWS-Workstation am anderen Ende des Spektrums deckt das Kontron-Portfolio an industrietauglicher Rechnerhardware mit erweitertem Temperaturbereich und TSN-Fähigkeit sämtliche Bedarfsfälle ab. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch auch kundenspezifische Entwicklungen und Varianten an sowie einen zusätzlichen Software Support.

Zentrale Komponente: Ethernet-Switch

Komplexe Lösungen, die im Industrieumfeld zum Einsatz kommen, verlangen ein perfektes Zusammenspiel von Hardware, Software und Konnektivität mit den Produktionssystemen. Nur so kann die erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation in der produzierenden Industrie funktionieren. Deshalb sind nicht zuletzt industrielle Switche dafür wesentliche Bausteine. Im Produktportfolio von Kontron finden sich deshalb neben Boards, Modules und Systemen auch passende Ethernet-Switches. Beim KSwitch D10 MMT handelt es sich um ebenso leistungsstarke wie kostengünstige gemanagte TSN-Switches für Fast- und Gigabit-Netze mit acht Ports. Das Gerät hat ein Metallgehäuse und ist daher unempfindlich gegen Umwelteinflüsse. Es kann bei Temperaturen von -40 bis +75°C eingesetzt werden und unterstützt einen erweiterten Versorgungsspannungsbereich von 12 bis 58VDC. Der Switch bietet neben sechs Fast- und Gigabit-Ethernet-Ports mit RJ45 zusätzlich zwei Ports mit RJ45 als auch SFP Fiber Interfaces bis 2,5GbE/s bei vollem TSN-Feature-Set und Management entsprechend IEEE 802.1 TSN.

Durch die vollständige Integration von TSN in die Hardware einschließlich der Switche soll Anwendern das Realisieren konvergenter Ethernet-basierender Netzwerke erleichtert werden, auf denen parallel zum regulären IT-Datenverkehr auch zeitsynchronisierte, deterministische Kommunikation abläuft. Damit wird echtes IIoT bzw. Industrie 4.0 basierend auf allgemeingültigen Ethernet-Protokollstandards möglich.

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