Ethernet-APL im Praxistest bei der BASF

Erfolgreiche Tests

Auf der letzten Namur Hauptversammlung stellte die BASF und die Profibus Nutzerorganisation (PNO) die ersten Ergebnisse des Ethernet-APL-Praxistests bei der BASF vor. Das SPS-Magazin sprach mit Dr. Jörg Hähniche, Mitglied im Vorstand der PNO, über die gewonnenen Ergebnisse zu Ethernet im Ex-Bereich.

Können Sie bitte nochmals kurz Ethernet-APL vorstellen?

Dr. Jörg Hähniche: Bisherige Ethernet-Lösungen stoßen an ihre Grenzen, wenn Themen wie Eigensicherheit, Leitungslängen bis zu einem Kilometer oder die Wirtschaftlichkeit beachtet werden müssen. Angesichts der weitläufigen Chemiestandorte und den dort vorhandenen explosionsgeschützten Anlagen kam man mit den bisherigen Standard-Ethernet-Lösungen einfach nicht weiter. In den vergangenen Jahren wurde daher in einer Kooperation zwischen zwölf Industriepartnern und den führenden Nutzerorganisationen (ODVA, FCG und PNO) intensiv an einer 2-Draht Ethernet-Lösung für die Prozessautomatisierung gearbeitet. Das Konzept wurde vor zwei Jahren unter dem Namen Ethernet-Advanced Physical Layer (APL) vorgestellt und basiert inzwischen auf IEEE- und IEC-Standards. Damit stößt nun die Ethernet-Technologie – und damit die Highspeed-Kommunikation – bis in das Feld der Prozessindustrie vor.

Die BASF hat bereits Tests mit Ethernet-APL in einem Testlabor gefahren. Könnten Sie den dortigen Aufbau skizzieren?

Hähniche: In dem Testlabor der BASF kamen erste Prototypen von Geräten von verschiedenen Industriepartnern zum Einsatz. Beim Aufbau des Testszenarios orientierte man sich an gängigen BASF-Anforderungen für Neu-Anlagen. Diese sind im Detail sehr komplex. So wird eine performante digitale Kommunikation bis ins Feld für die Gesamtanlage erwartet. Man möchte ein Ethernet-Protokoll für alle Prozesskomponenten, wie Sensorik, Aktorik, Motorsteuergeräte, Frequenzumrichter. Auch die Redundanz spielt eine große Rolle. Weiterhin war für die BASF der Einsatz eines zentralen Asset Management sehr wichtig sowie die parallele Ausschleusung von Daten entsprechend dem NOA-Konzept (Namur Open Architecture). Daher wurde die Testanwendung – Feldgeräte sowie der Schaltraumbereich – vollredundant ausgeführt. Pro Ring wurden zwei Profinet-Controller eingesetzt, das entspricht einem Feld mit 250 Feldgeräten. Der Fokus des Testaufbaus lag auf der Integration aller Feldgerätetypen und Aktorik ins Leitsystem. Weiter spielten für die Praxis die Installation und Inbetriebnahme eines Ethernet-APL-Netzwerks, der Betrieb mit verschiedenen Protokollen, Redundanz, Geräteaustausch und Export von Gerätediagnose- und Konfigurationsdaten parallel zum zyklischen Datenaustausch, eine große Rolle.

Welche Ergebnisse haben die Tests gebracht?

Hähniche: In Bezug auf das APL-Konzept gab es keine Probleme. Alle Tests wurden erfolgreich abgeschlossen. Es gab auch keine Abhängigkeiten zu überlagerten Protokollen. Es konnte bei der BASF klar gezeigt werden, dass Ethernet-APL als ein Physical Layer im Bereich der Prozessautomatisierung und als Basistechnologie für übergeordnete Anwendungen geeignet ist.

Wie sorgen Sie dafür, dass eine neue Technologie auch in der Praxis funktioniert und verwendet wird?

Hähniche: Zum einen müssen wir klarstellen, dass es sich bei Ethernet-APL nur um das Physical Layer handelt. Bei den darüber liegenden Kommunikationsprotokollen handelt es sich um bewährte Technologie, die schon seit vielen Jahren im Einsatz ist. Hier hat in den letzten Jahren z.B. die PNO sehr viel in die Qualitätssicherung investiert, so dass wir auf vorhandene Kommunikations-Stacks aufsetzen, die diesen Qualitätssicherungen unterzogen wurden. Wir merken immer wieder, dass für den Anwender eine einfache verlässliche Technologie entscheidend ist. In der Praxis ist einfach keine Zeit, sich mit kleinen ärgerlichen Problemen der Interoperabilität herumzuschlagen. Zudem muss der Anwender in der Prozessautomatisierung die Technologie auch verstehen. So verfügt die PNO auch über die entsprechende Infrastruktur für Trainings, Workshops etc. und über Testlabs und Prüflabore, die die Qualität sichern.

Wie hat die BASF eigentlich Ethernet-APL testen können; die Produkte sind ja noch gar nicht auf dem Markt?

Hähniche: Das Tolle an dem APL-Projekt ist, dass wirklich alle Partner am gleichen Strang ziehen. So arbeiten die Hersteller bereits seit mehreren Jahren an ihren Prototypen und stehen im engen Kontakt zu den Anwendern und zu den Anwenderorganisationen, wie PNO, ODVA und der FieldComm Group. So wurden in der Testanwendung Sensoren von Endress+Hauser, Vega, Krohne, Samson, Bürkert, Emerson und Festo verwendet, außerdem kamen Komponenten von Phoenix Contact, Danfoss, Indusol, Natus, Siemens, ABB, Honeywell sowie Pepperl + Fuchs zum Einsatz.

Wie sah es mit der Interoperabilität der unterschiedlichen Geräte von verschiedenen Herstellern aus?

Hähniche: In der Tat ist das Thema ´Kommunikation im Mischbetrieb‘ gerade für Prozessanlagen, die oft Jahrzehnte im Betrieb sind, sehr wichtig. Daher wurde untersucht, ob es zum Beispiel Probleme gibt, wenn APL-Feldgeräte und Profibus PA-Feldgeräte an einem Switch hängen oder ob unterschiedliche Profinet-Teilnehmer, also APL-Switch, Proxy, Remote I/O, etc., verschiedener Hersteller in einem Ring miteinander kommunizieren können. Diese Tests verliefen unspektakulär. Eine Erklärung hierfür ist in der vorher gegebenen Antwort zu finden. Mit anderen Worten: es gab keinerlei Kommunikationsstörungen zwischen den verschiedenen Teilnehmern. Und obwohl es sich noch um Prototypen handelte, funktionierte alles reibungslos.

Zudem wurde bei der BASF auch das NOA-Modell getestet. Welche Ergebnisse gab es hierbei?

Hähniche: Ethernet-APL soll ein Enabler für NOA-Anwendungen werden, daher wurde dies auch untersucht. Auch dieser Test lief reibungslos. Die parallele Datenausschleusung über den NOA-Kanal vor den Controllern war möglich.

Gab es auch Kritikpunkte von Seiten der BASF?

Hähniche: In Richtung Ethernet-APL gab es überhaupt keine Kritikpunkte. Lediglich beim Erstellen der HMI fehlten notwendige Treiberdateien seitens der Leitsysteme. Dies soll aber in nächster Zeit behoben werden. Zudem sahen die Tester in puncto Integration der Geräte in Asset Management-Systeme noch Verbesserungsbedarf. Dies gestaltete sich als aufwendig, da je nach System unterschiedliche Dateien (EDDL, DTM, FDI, …) benötigt werden. Aber auch diese Punkte werden in nächster Zeit abgearbeitet.

Wie sieht die weitere APL-Roadmap aus? Ab wann werden die APL-Produkte offiziell erhältlich sein?

Hähniche: Anfang November 2019 wurde der Standard IEEE Std 802.3-2019 (10BASE-T1L) als IEEE-Standard freigegeben. Dieser bildet die Grundlage für die Integration von Ethernet-APL in die Ethernet-Protokollspezifikationen. Diese wird voraussichtlich in den Organisationen PI, FCG und ODVA in 2020 abgeschlossen sein. Gleichzeitig kann nun die Geräteentwicklung durchstarten. Auf der Achema 2021 sollen die ersten APL-Produkte gezeigt werden und 2022 erwarte ich ein breites Geräte-Portfolio. Der ambitionierte Zeitplan kann jedoch nur eingehalten werden, wenn zeitnah auch Chip-Sätze für Ethernet-APL zur Verfügung stehen. Hier hatte bereits ADI auf der SPS im November letzten Jahres erste Prototypen vorgestellt.

Welche Rolle spielt dabei 2-Wise?

Hähniche: Um sicherzustellen, dass Ethernet-APL die Eigensicherheit in explosionsgefährdeten Bereichen unterstützt, arbeitet die Arbeitsgruppe IEC PT60079-47 an einer technischen Spezifikation für das zweiadrige eigensichere Ethernet (2-Wire Intrinsically Safe Ethernet, 2-Wise). Hintergrund ist, dass die Inbetriebnahme in eigensicheren Umgebungen vereinfacht wird. Das in der Prozessindustrie eingeführte Fisco-Konzept (Fieldbus Intrinsically Safe Concept) für den Feldbus hat sich in den vergangen Jahren sehr bewährt. Daher sollen die dort definierten Prinzipien auch für die technische 2-Wise-Spezifikation mit einigen Anpassungen für den neuen Physical Layer übernommen werden. Bestätigt wurde diese Vorgehensweise durch erfolgreiche Prüfungen bei der Dekra Testing and Certification GmbH. Die Fertigstellung der endgültigen technischen Spezifikation (IEC TS60079-47) wird bis Ende 2020 erwartet. (peb)

PROFIBUS Nutzerorganisation

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