Gegenüber händischem WIG-Schweißen wird beim Orbitalschweißen sichergestellt, dass Rohre vollkommen durchgeschweißt sind und dass eine saubere Wurzelbildung im Inneren des Rohres erzielt wird. Um eine derart hohe Qualität der Schweißnähte zu erzielen, erfordert es mehr, als einen standardisierten Stromwert. Vielmehr muss ein Rohr in mehrere Sektoren unterteilt werden, um mittels unterschiedlicher Fahrgeschwindigkeiten, Pulszeiten und Schweißströmen ein gutes Ergebnis zu erzielen. Für jeden Schweißjob sind zahlreiche Parameter zu setzen, um die Stromquelle und den Schweißprozess auf die spezifische Aufgabe einzustellen. Entsprechend herausfordernd ist die Auslegung des HMIs solcher Orbitalschweißgeräte. Schließlich sollen sie trotz Komplexität intuitiv und einfach zu bedienen sein. Die zahlreichen Programme einfach parametrierbar, ablegbar und wieder zugängig zu machen, stellt jedoch eine hohe Anforderung an das HMI. Vom Handling her wäre es z.B. unkomfortabel eine externe Tastatur und Maus anzuschließen. Auch die Bedienung mittels Drehsteller und Softkeys, wie man sie in Mittelkonsolen der Automobilindustrie findet, ist mittlerweile überholt.
Touch-Bedienung ergänzt Drehsteller mit Softkeys
Heute wird das Rohrwerkstück auf dem Display in einzelne Sektorsegmente unterteilt dargestellt. Direkt ohne Umwege kann nun mittels Touch etwa direkt ein Segment des Rohrs ausgewählt werden, um die gewünschten Einstellungen vorzunehmen. Der Bediener wählt die entsprechenden Felder aus und kann entweder mittels Touch oder mittels haptischem Drehsteller den gewünschten Parameter setzen. Eine Touch-Bedienung beim Orbitalschweißen funktional sicher auszulegen, ist jedoch eine Herausforderung. Schließlich können Zündspannungen mit mehreren Kilovolt elektromagnetische Phänomene erzeugen, die wiederum auf dem Touch Geisterbedienungen auslösen können. Das HMI musste folglich so ausgelegt sein, dass es die hohen Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) von Lichtbogenschweiß-Einrichtungen gemäß IEC60974-10 erreicht sowie die DIN/EN61000 zur funktionalen Sicherheit von elektrischen und elektronischen Systemen auch mit Blick auf elektromagnetische Phänomene erfüllt. Solche Systeme kann man in der Regel nicht von der Stange kaufen und einsetzen. Es ist vielmehr eine Auslegung auf den konkreten Anwendungsfall erforderlich.
EMI-Resistenz des Touchscreens
Wichtig ist hierbei vor allem die Auswahl des Touch-Controllers und seine Parametrierung hinsichtlich der Anforderungen an die Bedienung unter entsprechenden Umgebungsbedingungen. Die Anpassung kapazitiver Touchscreens an die Handschuhbedienung spielt sich z.B. im Spannungsfeld zwischen hoher Sensitivität und hoher Störfestigkeit ab. Für die Handschuhbedienung ist eine hohe Sensitivität nützlich, was den Touch jedoch anfälliger für elektromagnetische Störungen macht. Auch die Dicke und Art des Glases sowie die Art, wie Bildschirm und Glas verbunden sind, bestimmen die Auslegung und Programmierung des Touch-Controller. So wird beispielsweise ein Sensor, der für 1,8mm dickes Glas ausgelegt ist, mit einem 5mm dicken Glas nur unzureichende Touch-Ergebnisse erzielen.
Um allen realen Umgebungsbedingungen zu entsprechen, muss schlussendlich die Firmware passgenau für das verbaute System programmiert werden. Ein üblicher Touch-Controller hat dabei zwischen 90 und 200 Parameter, die zu setzen sind. Die Kette vom analogen Frontend über digitale Filter im Backend bis hin zu den Auswertungsfiltern macht dabei die Programmierung eines Touchcontrollers komplex. Das Unternehmen Orbitalum Tools suchte deshalb nach einem HMI-Hersteller, der sich mit den Herausforderungen der Touch-Controller-Programmierung auskennt und Systeme anbietet, die hohe EMV-Festigkeit mitbringen. Wichtig war auch, dass das komplette HMI-System aus einem Haus kommt, sodass man nur einen Ansprechpartner hat. Softwareseitig war Orbitalum Tools zudem die Unterstützung von Yocto sowie der integrierten Entwicklungsumgebung QT wichtig, da so der Applikations-Layer nahtlos mit dem Plattform-Layer harmoniert, was softwareseitige Customization-Anforderungen reduziert.
EMV-Festigkeit by Design
Zum Einsatz kommen heute HMI-Systeme der Santino Serie von Seco. Das Unternehmen bietet sie mit mindestens 15 Jahren langzeitverfügbaren Prozessoren vom Typ NXP i.MX6 und i.MX8 an. In der stationären Variante haben die Open-Frame-HMIs ein Touchpanel mit kundenspezifisch ausgelegtem Frontglas erhalten, das über die gesamte Gehäusebreite geht und oben einen abgerundeten Glasrand hat. Dies nicht, um die geforderte hohe EMV-Güte zu erreichen, sondern vor allem, um dem System ein hochwertiges Aussehen zu verschaffen. Die hohe EMV-Festigkeit hatte das System by Design, sodass der Touch-Controller lediglich auf die konkrete Auslegung angepasst werden musste. In der mobilen Variante setzt Orbitalum Tools seit kurzem auf die Standardauslegung dieser HMI-Serie.