Scada-Lösungen und Prozessleitsysteme für die Chemie-Industrie

Simatic PCS neo von Siemens im Einsatz: Erfolgreiches Pilotprojekt

Anlagen lückenlos zu überwachen ist nicht nur aus Sicht der Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit entscheidend - oft gilt es auch, behördliche Auflagen zu erfüllen. Die Anforderungen an Prozessleitsysteme steigen daher zunehmend. Um diese Ansprüche zu erfüllen und auch für die Zukunft gerüstet zu sein, hat sich Miltitz Aromatics für Simatic PCS neo von Siemens entschieden. Es konnte mithilfe des Industriedienstleisters Actemium in nur zwei Wochen implementiert werden.
 Spannender Moment: die 
Zuschaltung der Spannungsversorgung für die Erstinbetriebnahme
Spannender Moment: die Zuschaltung der Spannungsversorgung für die ErstinbetriebnahmeBild: Actemium Deutschland

Das 1992 gegründete Unternehmen Miltitz Aromatics ist im rund 35 Kilometer von Leipzig entfernt gelegenen Chemiepark Bitterfeld-Wolfen angesiedelt und unterhält ein Portfolio von etwa 100 feinchemischen Produkten – allem voran Riech- und Aromastoffe, aber auch agrochemische Zwischenprodukte. Im Zusammenhang mit einer strategischen Neuausrichtung und höheren behördlichen Auflagen reifte die Idee, das bisherige Bedien- und Beobachtungssystem durch die neue und vollständig webbasierte Lösung Simatic PCS neo zu ersetzen. Damit waren verschiedene Ziele verbunden: Sowohl die Bedienung als auch das Monitoring der Anlagen sollten erleichtert und zugleich erweitert werden – einschließlich der Alarmierung bei Störfällen. Zudem sollte das neue Leitsystem skalierbar sein, um etwa die Automatisierung von Prozessen zu ermöglichen und mobile Geräte schnell und einfach anbinden zu können. Zur Implementierung einer ersten Anlage in das neue Leitsystem beauftragte Miltitz Aromatics den Industriedienstleister Actemium. Dabei handelte es sich um ein echtes Pilotprojekt, da PCS neo erstmals bei einem Kunden zur praktischen Anwendung kam.

Probebetrieb der prozessnahen Operator-Station
Probebetrieb der prozessnahen Operator-Station – Bild: Actemium Deutschland

Von der Planung …

Bevor die eigentliche Planung für die Hardware und den Aufbau der neuen Systemlandschaft beginnen konnte, musste Actemium zunächst den Ist-Zustand sichten und mit den Anforderungen von Miltitz sowie der Roadmap von PCS neo abgleichen. Dazu war es unter anderem notwendig, neuralgische Punkte wie die Anbindung der vorhandenen SPSen und der dezentralen Peripherie (z.B. Ventilinseln und Remote-I/Os) zu analysieren, um sie in der neuen Netzwerktopologie zu berücksichtigen. Zu den Mindestanforderungen gehörte zudem die Möglichkeit einer Mehrplatzbedienung in einer zentralen Messwarte einschließlich flexibler Bedienplätze über mobile Endgeräte, die ERP-Systemanbindung sowie die spätere Fähigkeit, die Plant-Engineering-Lösung Comos ebenfalls zu integrieren.

Nach diesen Vorgaben plante Actemium die neue Systemlandschaft mit Comos, das auch zur Dokumentation diente. Da Miltitz bereits vorwiegend mit Siemens-Hardware arbeitete, mussten nur bestimmte High-Feature-Baugruppen (darunter einige SPS-Komponenten und I/O-Karten) nachbestellt und ausgetauscht werden. Ab November 2022 war die Hardware vollständig vorhanden. Für die Installation wurde die erste Kalenderwoche 2023 vereinbart. Miltitz hatte hierzu im Vorfeld mit der Belegschaft gemeinsame Betriebsferien beschlossen, um Actemium einen uneingeschränkten Zugang zum Betriebshof zu ermöglichen.

… bis zur Umsetzung

Im Zuge der Umrüstung einer Anlage, wurde diese als erste ausgewählt, um auch das neue Prozessleitsystem zu implementieren. Die dazu ebenfalls neue Systemlandschaft besteht aus rund 170 Prozessobjekten, davon 15 Reaktoren. Zum Anlagenbereich gehören ein MSR-Schrank, Kühltürme, vier Motorenschränke und mehrere Frequenzumrichter, die über Profinet miteinander verbunden sind. Die Sensorik und Aktorik, die sich im Ex-Bereich der Zone 1 befinden, sind über Remote-I/O-Stationen und Ventilinseln an den Feldbus angebunden. Die Ringtopologien sowohl des Terminal- als auch des Anlagenbusses erhöhen die Verfügbarkeit des Systems. Der darüber liegende EMS-Raum besteht unter anderem aus zwei Ventilinseln, diversen SPS-Komponenten und mehreren redundanten Feld- und Anlagenbussen sowie einer Vielzahl an Direktstartern und Remote-I/Os. Der Terminalbus stellt die Verbindung mit der Server/Client-Architektur her, die sich zum einen aus einem Domain Controller, einem ES-Server, und zwei redundanten MC-Servern und zum anderen aus verschiedenen Terminals und Web Clients zusammensetzt. Über den neu integrierten PCS neo Web Client erfolgt derzeit das Bedienen und Beobachten. Momentan wird der Automatisierungsgrad der Anlage Schritt für Schritt erhöht. Dabei erleichtern automatische Regelungen und Dosierungen den Produktionsablauf.

Gelungene Implementierung…

Das Projekt zur Integration eines neuen Prozessleitsystems bei Miltitz Aromatics war das erste überhaupt, bei dem Simatic PCS neo in der Praxis bei einem Endkunden zum Einsatz kam. Trotz einiger Hürden – etwa die Balance zwischen den Kundenanforderungen und den durchgängigen Veränderungen im Entwicklungsprozess der Roadmap von PCS neo – konnte die von Actemium erbrachte Pionierarbeit erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Nach der Umsetzung der neuen Systemlandschaft und der Rückkehr der Miltitz-Belegschaft brauchte es lediglich zwei bis drei Tage zur Schulung rund um das neue Prozessleitsystem. Indem viele Prozesse bereits im Hintergrund ablaufen, nimmt auch die Arbeit der Entwickler deutlich ab.

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Actemium Germany

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