Im Gespräch mit David Bongermino und Alexander Matt, Schubert System Elektronik

„Anpassbar dank Baukasten“

Die Rolle der Software wird auch im Automatisierungsumfeld immer wichtiger. Was bedeutet das für einen mittelständischen Hersteller? Das SPS-Magazin sprach mit David Bongermino, Teamleiter Systemsoftware, und Alexander Matt, Produktmanager für Prime Cube, über Trends im Bereich industrieller Steuerungstechnik.

Was sind nach Ihrer aktuellen Erfahrung derzeit die Anforderungen der Kunden? Hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?

Alexander Matt: Die Kunden wollen natürlich schon immer – und auch weiterhin – zuverlässige Systeme, robust und anpassbar. In der Beschaffung steht ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund. Allerdings war der Trend meines Erachtens in der Vergangenheit stark darauf getrimmt, möglichst kundenspezifische Systeme zu entwickeln, also auch Hardware und Gehäuse kundenindividuell zu designen. Dieser Trend hat ein wenig nachgelassen, weil der Preisdruck im Markt allgemein höher geworden ist. Kunden suchen jetzt eher günstige Produkte, gerne von der Stange, aber trotzdem mit vielen Anpassungsmöglichkeiten. Das haben wir mit unserem Baukastensystem auch aufgegriffen und umgesetzt.

David Bongermino: In der Software hatten wir im Grunde schon immer einen Baukasten, ein sogenanntes Framework. Man kann bei uns zwischen Windows oder Linux als Betriebssystem wählen und dann applikationsspezifische Module hinzufügen. Generell sehen wir bei unseren Kunden, dass Design und Usability wichtig sind. Allerdings wird doch viel Wert auf Standard-Plattformen gelegt, weil die Basis meist robuster ist und die Kunden bei gängigen Softwaresystemen wissen, dass die auch langfristig weiterentwickelt werden. Ein weiterer Vorteil von modularisierten Baukastensystemen, in Hard- und Software, ist eine schnelle Time-to-Market bei relativ guter Individualisierbarkeit.

Stichwort Time-to-Market: Haben Sie für Ihre Produkte derzeit überhaupt Bauteile? Alle reden doch von Materialmangel.

Matt: Also wir sehen das glücklicherweise in unserem aktuellen Portfolio noch nicht. Da haben wir momentan keine Versorgungsprobleme. Wo wir es tatsächlich merken, ist in einzelnen älteren kundenspezifischen Bestandssystemen, die wir ja noch nachliefern. Da sind z.B. spezielle Spannungswandler, die kosten normalerweise 20 Cent im Einkauf, und die bekommt man jetzt teilweise für 100 Dollar. Hier ist unsere Entwicklung natürlich damit beschäftigt, einige Systeme umzudesignen. Auch Aluminiumbleche haben teilweise Beschaffungszeiten von 25 bis 35 Wochen. Aber glücklicherweise haben wir letztes Jahr gut beschafft, sodass wir insgesamt noch keine Lieferengpässe haben.

Thema Linux vs. Windows-Systeme: Sehen Sie hier Entwicklungen in die eine oder andere Richtung?

Bongermino: Das ist und bleibt weiterhin bunt gemischt. Wenn die Kunden Entwickler haben, die mit Windows-Systemen vertraut sind, dann nehmen sie eher das, wenn deren IT selber viele Linux-Server betreibt und sich daher damit auskennt, dann nehmen sie auch gerne Linux. Das ist ein bunter Mix. Mit Windows ist man halt breiter aufgestellt und kann auf einen viel größeren Fundus an fertiger Software zurückgreifen, dafür sind die Lizenzkosten höher. Bei Linux hat man dafür die Chance, viel gezielter und effizienter auf die Applikation hinzuentwickeln, und die Hardwareanforderungen sind unter Umständen geringer.

Schubert hat ja in Deggendorf ein eigenes Softwarelab ins Leben gerufen. Wie sehr steigt der Wertschöpfungsanteil oder die Arbeit, die in der Software steckt, im Vergleich zu Hardware?

Matt: Wir sehen, dass der Trend auch bei uns, so wie im Markt allgemein, deutlich in Richtung Software geht. Natürlich muss ich in der Hardware immer noch eine gute Leistung bieten und eine zuverlässige Funktion, aber ein Stück weit ist Hardware austauschbar. Nicht ganz, denn unsere Softwaresysteme sind auf unsere Hardwaresysteme abgestimmt und optimiert. Das Zusammenspiel darf man nicht ganz außer Acht lassen. Aber über die Zeit wird sich herauskristallisieren, dass die Softwarekompetenz und -exzellenz, die wir im Haus haben, zu unserer wichtigsten Säule wird.

Bongermino: Über die Software kommt man auch in engere Geschäftsbeziehung zum Kunden. Wir sind ja Systemanbieter, wir machen Systemberatung, wir integrieren Software für unsere Kunden, auch Fremdsoftware, wenn unsere Kunden das wünschen. Wir bieten Gesamtpakete an, und dieser Komfort, dass wir unsere Kunden unterstützen von ersten Anforderungen bis zur fertigen Integration und Auslieferung, das macht einen großen Unterschied am Ende.

Was bedeutet das für Ihr Produktportfolio? Woran arbeiten Sie gerade?

Matt: Wir sind dabei, unser unser Portfolio an Industriecomputern auszubauen. Neu ist die kleine Prime Box Pico mit Atom-Prozessor als IoT-Plattform. Daneben gibt es die Prime Box Performance auf Mini-ITX-Plattform für höhere Anforderungen und mit der Möglichkeit, sie über PCI-E-Karten zu erweitern. Dann haben wir unsere Panel-Serie, die auf die gleichen Rechnerkerne aufsetzt, aktuell mit 15,6″ und 21,5″ Bildschirmdiagonale in Anbau- und Einbau-Systemen. Wir werden das Portfolio außerdem erweitern in Richtung Monitore, zum einen klassische Modelle mit DVI-Anschluss und Displayport, zum anderen eine Extender-Variante, die man bis zu 100m absetzen kann. Auch in Bezug auf Zubehör werden wir noch mehr machen. Es wird ein Netzteil dazukommen, wahrscheinlich auch USVs, sodass wir dem Kunden dann ein Komplettpaket anbieten können. Im Bereich der Monitore wollen wir fertig geprüfte Kabel und Zubehör mit ausliefern, bei dem wir dem Kunden gegenüber gerade stehen und sagen: Bei diesen Teilen musst du dir keine Sorgen machen, das ist alles in sich geprüft, das funktioniert. Das ist ein Trend, den ich sehr stark sehe, und ein Bereich, in dem wir in den kommenden Jahren weiter wachsen werden.

Denken Sie auch an Cloud-Dienste oder Themen wie Device Management?

Bongermino: Das Thema IoT ist für uns ein großes Thema. Und zwar nicht die Cloud, sondern die Middleware. Das heißt, wir bieten dem Kunden eine Plattform, auf der er seine IoT-Edge-Cloud-Applikation aufbauen kann. Das Thema Cloud ist zwar in aller Munde. Aber Hersteller, die sich tatsächlich damit beschäftigt haben, merken relativ schnell, dass es weder für ihre Kunden noch für sie selber ein leichtes Thema ist. Es geht um Cybersecurity, Kosten der Datenhaltung, Weiterverarbeitbarkeit der Daten und vieles mehr. Wir sehen eher einen Trend, dass die Maschinenbauer Edge- oder Fog-Computing nutzen, um Daten intern vorzuverarbeiten. Entsprechend sehe ich momentan noch nicht, dass Schubert System Elektronik selbst zum Cloudanbieter wird. Wir planen auch kein Device-Management, schließlich gibt es fertige Lösungen dafür. Wir wollen uns eher auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren: Wir bieten IoT-Plattformen an, sowohl bezüglich der Hardware als auch seitens der Software. Im IoT-Bereich fokussieren wir uns an der Stelle auf ein Linux-System, das containerisierbar ist. Unsere Kunden können dort dann eigenständig entsprechende Device-Management- oder auch Cloud-Konnektoren einbringen. Auf Wunsch können wir hier Support bezüglich der Konfiguration anbieten.

Matt: Und wie immer bei uns gilt: Man kann ein IoT-System auf unseren Plattformen auch unter Windows betreiben. Wenn ein Kunde hier entsprechend Erfahrung mit bestimmter Software hat, etwa Firewall oder VPN-Zugang, dann ist das natürlich auf unseren Geräten jederzeit auch möglich. Wir haben da einfach die Flexibilität für unsere Kunden, die sie brauchen.

Alexander Matt ist Product Manager bei Schubert System Elektronik. Er verantwortet das Standard-Produktportfolio der industriellen Computertechnik für die Produktmarke Prime Cube. Er verfügt über 15 Jahre Erfahrung in diversen Schnittstellenpositionen in der Elektronik- und Elektrotechnik-Industrie bei verschiedenen klein- und mittelständischen Betrieben. Alexander Matt hat einen Abschluss als staatlich geprüfter Techniker in der Fachrichtung Elektrotechnik.

David Bongermino ist Teamleiter der Systemsoftware bei Schubert System Elektronik und leitet zwei Expertenteams, die Betriebssysteme und Softwarekomponenten für industrielle Computerlösungen konzipieren und entwickeln. Er ist seit über 10 Jahren in der Softwareentwicklung in verschiedenen Positionen in klassischen und agilen Entwicklungsteams tätig. Er verfügt über einen M. Sc. Mechatronik und ist zertifizierter Scrum Master.

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