Zentrale oder dezentrale Intelligenz?

Technologischer Fortschritt in der Steuerungstechnik, bei Feldbussen und bei Mikro-Controllern bringt regelmäßig neue Aspekte in die Diskussion über Vor- und Nachteile einer zentralen oder dezentralen Ansteuerung von Antriebsverstärkern. Gemeint ist dabei nicht deren Platzierung im Feld oder in einem Leitstand, sondern ihre eigentliche Funktion: die Bewegungsgenerierung. Soll eine zentrale, leistungsstarke Motion-Steuerung den Hauptteil der Rechenarbeit zur Sollwertvorgabe übernehmen, oder soll jeder einzelne Antriebsverstärker für die Bewegungsgenerierung seiner Achse verantwortlich sein?

Ausführungskonzepte dezentraler Steuerungstechnik

Dezentrale Steuerungstechnik kann in verschiedenen Ausbaustufen realisiert werden. Die einfachste Form ist eine Fahrsatztabelle, die in Listenform alle für eine Positionierung notwendigen Parameter enthält. In einer Zeile werden Zielposition, Geschwindigkeit und Beschleunigungen definiert. Die einzelnen Zeilen können über Sprungbefehle verknüpft werden, sodass komplexe Bewegungsabfolgen möglich sind. Zum Start einer Bewegungabsfolge wird eine Listenposition beispielsweise über den Feldbus oder einen digitalen Eingang angewählt. (Bild 3) Für komplexere Aufgaben wird zusätzliche eine Ablaufsteuerung mit Funktionen wie Parameter setzen, Parameter modifizieren, Vergleichen und Sprüngen in Abhängigkeit bestimmter Zustände benötigt. Dies ist mit der Erweiterung der Fahrsatztabelle um die entsprechenden Befehle möglich, wobei ein Listeneintrag einem Befehl entspricht. Im Antriebsverstärker wird Zeile für Zeile der Kommandoliste interpretiert und ausgeführt. Beispiele für solche komplexe Motion-Aufgaben sind Greifvorgänge, die aus einem positions- und einem kraftgeregelten Anteil bestehen.

Hochsprachenprogrammierung für High-End-Anforderungen

Wünscht der Anwender größtmögliche Flexibilität, dann bietet eine Hochsprache oder ein daran angelehnter, strukturierter Text nach EN61131-3:2014-06 sehr gute Möglichkeiten. Das Programm wird auf einem PC editiert, kompiliert, auf den Antriebsverstärker übertragen und ausgeführt. Der Verstärker muss somit eine Laufzeitumgebung für die in der Hochsprache erstellten Programme besitzen. Mit der Flexibilität und dem Funktionsumfang einer Hochsprache steigt jedoch die Komplexität der Programmerstellung. Während einfache und erweiterte Fahrsatztabellen ohne große Programmierkenntnisse erstellt werden können, ist die Entwicklung von Hochsprachenprogrammen hauptsächlich Programmierern vorbehalten. Sobald Kommandos nicht mehr vordefiniert vorliegen, z.B. in Form von Drop-Down-Boxen, sondern in einem Editor als Text eingegeben werden, der von einem Compiler übersetzt wird, ist ein Komplexitätssprung vorhanden. Zunächst müssen Kommandoumfang der Sprache, Syntax und Semantik erlernt und die unausweichlichen Fehlermeldungen des Compilers verstanden und behoben werden. Syntax Highlighting in unterschiedlichen Farben, Schriftarten und -stilen sowie Code Completion moderner Entwicklungsumgebungen zur sinnvollen Ergänzung von Nutzereingaben erleichtern die Aufgabenstellung, ändern aber nichts an der grundsätzlichen Herausforderung.

Dezentrale Technik am Beispiel kraftgeregeltes Greifen

Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sorgen für effizienten Materialfluss innerhalb eines Untenehmens. Im vorliegenden Praxisbeispiel des Unternehmens BeeWatec (Bild 4) besitzt ein FTF eine Klemmvorrichtung, sodass Warenbehälter von dem Fahrzeug aufgenommen und abgesetzt werden können. Das Antriebssystem, das in dem Huckepack-FTF für die Greifapplikation verwendet wird, besteht aus dem Servoregler Simco Drive und der Aktuatorbaureihe Cyber Dynamic Line. Der Klemmvorgang wurde ohne übergeordnete Steuerung mit einer erweiterten Fahrsatztabelle realisiert: Zunächst wird über Endschalter eine Startposition der Klemmbacken angefahren. Danach wird der maximale Motorstrom auf den Wert der gewünschten Klemmkraft parametriert, sodass der Motor den Behälter mit konstanter Kraft festklemmen kann. Nach erfolgreichem Klemmvorgang wird während des gesamten Transports die Klemmkraft überwacht, sodass auch ein herausrutschen eines Behälters während der Fahrt sicher erkannt wird.

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Wittenstein Motion Control GmbH
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