Weltraummotoren gelangen in Anwendungen für die Industrie

Die Hochleistungs-Servomotoren RoboDrive wurden ursprünglich am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Antriebe für einen Roboterarm an der Raumstation ISS entwickelt, finden jetzt aber auch Einsatz in industriellen Anwendungen, z.B. in Industrierobotern.

Bei der Auslegung und Entwicklung der Elektromotoren am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stand ein Leichtbauroboter im Fokus, der seinen wichtigsten Einsatzbereich und Hauptaktionsbereich in der Raumfahrt hat. Deshalb sind zwei Faktoren von besonderer Bedeutung: die Reduzierung von Gewicht und Verlustleistung. Da man keinen handelsüblichen Elektromotor fand, der die gestellten Anforderungen erfüllen konnte, entwickelte man einen für diesen Anwendungsfall optimierten Motor. Gerade bei der Anwendung in Robotern müssen die Motoren in raschen Zyklen unter Last immer wieder stoppen oder reversieren und durchfahren dabei immer wieder den Bereich um die Drehzahl Null. Hierbei wird wenig mechanische Leistung von der Maschine abgegeben, diese aber durch die in den Wicklungen fließenden Ströme thermisch stark belastet. Durch Optimierung aller relevanten Motorparameter unter Berücksichtigung des geforderten Lastprofils entstand die Motorentechnologie RoboDrive. Diese vereint hohe Drehmomententwicklung und Leistungsdichte bezogen auf Gewicht und Bauraum. Auch Größen wie Gleichlauf, Dynamik und thermische Anbindung sind an die hohen Anforderungen der Robotik ausgerichtet. Sprung vom Weltraum zu Anwendungen in der Industrie Die RoboDrive-Antriebe wurden von Anfang an vom Systemdienstleister TQ-Group für das DLR produziert. Als die Entscheidung fiel, diese Antriebe industriellen Anwendern anzubieten, lag es nahe, dies mit TQ zu verwirklichen. Mittlerweise werden die Antriebe über den Geschäftsbereich Antriebstechnik vertrieben. Dieser stellt mit der RoboDrive-Technologie einen Lösungsbaukasten und Know-how zur Integration der Antriebe zur Verfügung. Bei der Systemintegration werden, ausgehend von den Lastangaben, Bauraumplänen und Einsatzprofilen des potenziellen Anwenders, alle relevanten Parameter ermittelt. Dabei spielen häufig Betriebspunkte wie Halten unter Last oder eine hohe Verfahrgeschwindigkeit im Leerlauf eine dominante Rolle. Eine Aussage über eine pauschale Wirkungsgradangabe ist jedoch nicht relevant, da nahezu keine mechanische Leistung in die Anwendung abgegeben wird, der Wirkungsgrad also nahezu null ist. Wichtig ist es jedoch, alle anfallenden Verluste der elektrischen Maschine innerhalb zulässiger Temperaturniveaus abzuführen. Häufig müssen dazu die thermischen Randbedingungen der Anlage und der Umgebung vorab geklärt werden. Dann erst kann nach eingehender Beratung gemeinsam die optimale Einbauweise festgelegt werden. Mit dem Begriff \’Embedded Drive\‘ wird die dabei entstehende Verbindung zwischen dem Gesamtsystem und der Antriebskomponente bezeichnet. Diverse Motorvarianten für unterschiedliche Anwendungen Die RoboDrive-Antriebe sind derzeit in vier verschiedenen Außendurchmessern (Baureihen) und jeweils zwei unterschiedlichen Längen verfügbar. Nennspannungen von 48, 28, 24 und 14V sind durch Variation der Wicklungsverschaltung möglich. Die Einbausätze bestehen aus einem Stator und einer mit Dauermagneten bestückten Rotorhülse und können flexibel für unterschiedliche Anwendungen eingesetzt werden. Aufgrund der berechneten Motorparameter lässt sich mithilfe einer Auslegungskurve des Motortyps (Funktion der Verlustleistung über dem Gewicht) der Auslegungspunkt für einen geeigneten Motor wählen. Zudem kann die für einen Elektromotor wesentliche Motorkonstante kM berechnet werden. Diese Konstante hat die Einheit Nm/ÖW und ist ein Maß für die Momenten und Leistungsentwicklung des Motors bezogen auf die gesamte Verlustleitung. Die Leistungsdichte dieser Motoren wird durch einen hohen Kupferfüllfaktor erreicht. Durch die entsprechende Auslegung konnte hier die geometrisch optimale Wahl zwischen Nutkontur und Drahtdurchmesser ermittelt werden. Auch die orthozyklische Einzelpolwicklung stellt eine wesentliche Notwendigkeit für die Realisierung eines Kupferfüllfaktors von über 80% dar. Wie das Schnittbild des Motors ILM85 in Bild 5 zeigt, wird der gesamte Raum zwischen zwei einzelnen Polen für das Verlegen der Wicklung genutzt. Neue Anwendungen in Leichtbaurobotern in Sicht Die auf diese Weise optimierten Elekt­romotoren stellen einen deutlichen Fortschritt in der Motorentechnik dar. Sie kamen zunächst in der Raumfahrt zur Anwendung, etwa beim auf der Außenhaut der Internationalen Raumstation ISS installierten Weltraumexperiment ROKVISS (Robotik-Komponenten-Verifikation auf der ISS). Dieses hatte 2005 seine Arbeit auf der Internationalen Raumstation ISS aufgenommen. Fünfeinhalb Jahre lang wurde der 50cm große und 7kg schwere robotische Arm im Weltraum betrieben und hat dabei rund 500 Tests erfolgreich absolviert. Dieser Erfolg ist sicher auch Grund dafür, dass die RoboDrive-Motoren auch in der Industrierobotik Einzug hielten. Für ein führendes Robotik-Unternehmen wurde ein Leichtbauroboter entwickelt und diese Firma ist nach wie vor einer der größten Kunden von RoboDrive. Aber auch in der Peripherie rund um den Roboter, wie Handhabungssysteme, Zuführachsen usw. und in der Medizintechnik erfreuen sich die Antriebe zunehmender Beliebtheit. Darüber hinaus ist der Antrieb auch für die Optik- und Halbleitertechnik interessant, wobei es in diesem Bereich neben der Leistungsdichte vor allem um die Präzision geht. Die Antriebe, die im µrad-Bereich genau zu positionieren sind, kommen in Laserablenkeinheiten, Präzisionspositioniersysteme oder Wafer-Testsysteme zum Einsatz. Ein weiterer interessanter Markt ist der für High-End-E-Bikes, für den bereits Motoren geliefert werden. Geeignet für Direktantrieb und mobile Applikationen Durch die hohe Momentausbeute auf begrenztem Bauraum eignen sich die Motoren auch gut für den Direct-Drive-Betrieb. Dies bedeutet, dass statt einer Motor-Getriebe-Kombination lediglich der passende Servomotor eingesetzt wird. Für diese Anwendung spielt die Kostenreduzierung durch das Eliminieren einer Komponente und verschiedener mechanischer Komponenten häufig keine große Rolle. Viel wichtiger für das Prinzip des direkten Antriebs sind die spielfreie präzise Regelbarkeit der Motoren sowie eine deutliche Geräuschminderung gegenüber einer Motor-Getriebe-Kombination. Die Verringerung der Geräusche wird durch zwei Faktoren begünstigt: Zum einen gibt es im direkten Antrieb außer den Lagern keine mechanisch bewegten Elemente, die sich berühren, und zum zweiten ist die notwendige Motordrehzahl um den sonst durch das Getriebe nötigen Übersetzungsfaktor niedriger. Die Antriebe eignen sich auch gut für mobile Anwendungen. Durch die hohe Leistungsdichte kann die durch die Batterien bzw. Akkumulatoren nur begrenzt nutzbare Energie mit einem ausgezeichneten Wirkungsgrad umgesetzt werden. Das geringe Eigengewicht der Motoren stellt für den Energiehaushalt eines bewegten Systems ebenfalls einen positiven Einflussfaktor dar. Produktpalette wird als Modulsystem ausgebaut Künftig wird die RoboDrive-Produktpalette als Modulsystem ausgebaut und auch noch Sensoren und Steuerungen in das Programm aufgenommen werden. Diese sollen dann, ergänzend zu den anwendungsspezifischen Entwicklungen, auch als Standardprodukte angeboten werden. Die Anwender könnten dann vom Branchen-Know-how und der Entwicklungsexpertise sowie der Beratung profitieren und damit letztendlich eine kürzere Markteinführungszeit für ihre eigenen Produkte erreichen.

TQ-Systems GmbH
http://www.tq-group.de

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