Welche Lösung für welche Anwendung? Kommunikation: Feldbus, Ethernet oder Wireless?

Vertikale Integration ist der Schlüsselbegriff für eine durchgängige Kommunikation von der Management-Ebene bis hinunter zum Sensor. Durch die Anbindung an das Internet wird die Kommunikation sogar weltumspannend. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine höhere Effizienz und damit mehr Wettbewerbsfähigkeit. Voraussetzung sind jedoch leistungsfähige Datennetze, die gerade in der Prozessindustrie besonderen Anforderungen gerecht werden müssen. Moderne Technologien wie Ethernet und drahtlose Verbindungen bieten hier neue Chancen.

Am schnellsten hat sich die Fabrikautomatisierung die Technologiesprünge der Informationstechnik zunutze gemacht. In der Prozessindustrie gelten aber andere Maßstäbe bezüglich der Anlagensicherheit und der Lebensdauer. Dennoch ist festzustellen, dass sich auch dort die gesamte Leittechnik in einem Umbruch befindet. In modernen Installationen erfolgt die Regelung der Prozesse inzwischen dezentral und die Steuerung der Anlage zentral. Hierfür ist eine vertikale Integration der Datennetze notwendig. Das bedeutet, dass von jeder beliebigen Ebene des Anlagennetzes die Daten eines einzelnen Sensors abgefragt werden können. Das ermöglicht z.B. Kosten sparende Wartungsstrategien mittels Web-Technologien oder Flexibilität durch drahtlose Sensoranbindungen. Trend zu Ethernet auf allen Kommunikationsebenen Für die vertikale Integration der Daten ist die Übertragungsphysik nicht entscheidend, denn die Datentransparenz wird auf der Applikationsebene erzeugt. Große Automatisierungshersteller transportieren die Daten ohne Transparenzverlust mit unterschiedlichen Protokollen in einer Anlage. Z.B. verwendet Rockwell Automation je nach Datenmenge, Echtzeitanforderungen und Umgebungsbedingungen Ethernet, Controlnet oder Devicenet. Auf heterogene Netze setzt nach einer Studie des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer auch in näherer Zukunft die überwiegende Mehrzahl der befragten Unternehmen. Dennoch zeigt sich ein klarer Trend hin zu Ethernet auf allen Ebenen. Der Vorteil liegt in erster Linie in niedrigeren Betriebskosten der Anlage. Zudem kann sich das Service-Personal auf eine einzige Technologie konzentrieren, womit sich das Know-how besser fokussieren lässt. Automobilbranche: Standardisierte Anschlusstechnik Die Automobilbranche ist hinsichtlich Standardisierung der physikalischen Schicht in Richtung Ethernet Vorreiter. Allerdings unterscheidet sich die mechanische Ausführung der Ethernet-Geräte dort wesentlich von denen in der Bürowelt. Das gilt beispielsweise für die hutschienenmontierbare Gehäuseausführung, die an Steuerungen angepasste Spannungsversorgung oder den größeren Betriebstemperaturbereich. Hierfür stehen heute schon geeignete Netzkomponenten zur Verfügung. Wesentliche Schritte zur Feldtauglichkeit von Ethernet erfolgen auch bei der Anschlusstechnik. M12-Steckverbinder sind für die rauen Industriebedingungen geeignet, aber Standard für die Übertragung von Ethernet-Signalen im Büroumfeld sind RJ45-Steckverbinder. Um diese robuster zu machen, werden sie auf unterschiedliche Weise gekapselt. Mit Hochdruck wird an entsprechend geschützten optischen und opto-elektrischen Steckverbindern gearbeitet. Das ist bei Ethernet besonders deshalb von Bedeutung, weil Datenraten von 100MBit/s Stand der Technik sind, und die Tendenz zu GBit/s geht. Hier sind Lichtwellenleiter aufgrund ihrer überlegenen Bandbreite erste Wahl. Netztopologie mit redundanten Ringen Die Prozessindustrie übernimmt mit der LWL-Technologie zugleich die in anderen Branchen bereits üblichen Netzstrukturen. Die gewohnte Stern- oder Linienverkabelung in der Prozessebene wird also ergänzt oder durch Ringstrukturen ersetzt. Moderne Chemiewerke strukturieren ihre prozessnahen Netzwerke meist als physikalisch doppelt ausgeführte Ringe. Damit erreichen sie einen Zugewinn an Betriebssicherheit bei geringen Zusatzkosten. Entsprechend der Kommunikationspyramide liegt über der Prozessebene die Kontrollebene. Auch hier sind die Datennetze meist ringförmig ausgelegt, wobei zur Pyramidenspitze hin Ethernet als Kommunikationsprotokoll verwendet wird. Anlagenweit betrachtet stellt sich das Netz als hierarchisch gestaffelte Ringstruktur dar: Gigabit-Ethernet im Backbone, Fast-Ethernet auf der Kontrollebene und redundante Feldbusringe in der Prozessebene. Die heute noch übliche Baumstruktur der Datennetze hat sich damit in den vergangenen Jahren zu einer hierarchisch strukturierten Ringtopologie entwickelt. Die Netzstruktur wird jedoch immer an die räumlichen Gegebenheiten der Anlage angepasst. Das ist selbst bei ausgedehnten Anlagen wie Pipelines möglich, da mit Lichtwellenleiter-Technik Entfernungen kein Problem mehr sind. Maßstab für Wireless ist die Betriebszuverlässigkeit Mit der Verbreitung von Ethernet im Fertigungs- und Prozessbereich rückt die Nutzung von drahtlosen Technologien näher. Die Vorteile, zu denen insbesondere Mobilität und Flexibilität, vergleichsweise einfache Installation sowie ein geringer Material- und Kostenaufwand gehören, machen diese Technologie auch für den Einsatz im industriellen Umfeld interessant. Aufgrund der dort erhöhten Anforderungen, beispielsweise in Bezug auf die Verfügbarkeit des Netzes, werden einerseits die etablierten Informationstechnik-Systeme für die Automatisierung optimiert. Zugleich entstehen neue Übertragungstechniken wie etwa Ultra Wide Band (UWB) oder ZigBee, die den spezifischen Anforderungen besser gerecht werden sollen. Was den Reifegrad der verschiedenen Technologien betrifft, stehen W-LAN mit seiner neuen Evolutionsstufe 802.11n und Bluetooth nach IEEE802.15.1 an erster Stelle. W-LAN wird für die funkbasierte Erweiterung von lokalen Netzwerken eingesetzt, da es die höchste Affinität zu kabelbasierten Netzen besitzt. Diese Technologie eignet sich insbesondere dann, wenn sowohl längere Distanzen überbrückt als auch hohe Datenraten übermittelt werden sollen. Bluetooth hingegen wird vor allem verwendet, wenn wenige Teilnehmer mit niedrigen Übertragungsraten über einige Meter hinweg miteinander kommunizieren sollen, etwa beim Konfigurieren oder Parametrieren einer Anlage über ein mobiles Handheld-Terminal. Maßstab für Wireless-Verbindungen ist die Betriebszuverlässigkeit. Bei naturgemäß offenen Funkverbindungen wird diese wesentlich vom räumlichen Umfeld bestimmt. In der Prozessindustrie besteht oft freie Sichtverbindung zwischen den beiden über die Funkstrecke kommunizierenden Geräten, was Übertragungslängen im Kilometerbereich ermöglicht. In den USA sind drahtlose Datenverbindungen in ausgedehnten Anlagen bereits weit verbreitet, beispielsweise wird so kostengünstig die Füllhöhe eines Tanks übertragen. Datensicherheit und Schutz vor unberechtigten Zugriffen als organisatorische Aufgabe Neben der Übertragungssicherheit spielen bei Funkstrecken auch Kriterien wie Abhörsicherheit oder Schutz gegen unberechtigte Zugriffe eine wichtige Rolle. Entsprechende Authentifizierungs- und Verschlüsselungsmechanismen sind im IT-Bereich Stand der Technik und für die Automatisierung völlig ausreichend. Dasselbe gilt für den Schutz leitungsgebundener Datennetze gegen Angriffe aus dem Internet. Die Schutzmechanismen müssen aber konsequent angewendet werden. Meist ist das produktionsnahe Datennetz mit üblichen Firewalls vom Intranet der Firma getrennt. Zur Abschottung einzelner Produktionsinseln stehen spezielle industrietaugliche Firewalls zur Verfügung. Die Umsetzung einer sicheren Datenkommunikation im Produktionsumfeld erfordert jedoch eine entsprechende innerbetriebliche Organisation, die bei Betreibern großer Anlagen meist vorhanden ist. Zuverlässiger Explosionsschutz durch Lichtwellenleiter In Chemieanlagen gehört zur Sicherheit auch der Explosionsschutz. Aber auch in anderen Branchen wie der Lebensmittelindustrie treten – beispielsweise bei Mühlen – explosionsfähige Stäube auf. Daher müssen die Datennetze den Vorschriften der europäischen Richtlinien 94/9/EG, besser bekannt unter Atex100a, genügen. Seit Jahrzehnten bewähren sich unter diesen Bedingungen Bussysteme wie Hart, Profibus PA und Fieldbus Foundation H1. Diese Systeme arbeiten jedoch mit niedrigen Übertragungsraten und werden deshalb den Anforderungen moderner Steuerungen nicht mehr gerecht. Daher werden schnelle und echtzeitfähige Protokolle wie Profibus oder Ethernet, die außerhalb der Ex-Zone Stand der Technik sind, für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen optimiert. Mit Lichtwellenleitern stehen bereits heute explosionssichere Kabel für Datennetze in Ex-Zonen zur Verfügung. Ein Vorteil besteht darin, dass Lichtsignale keine Explosion auslösen können und gleichzeitig eine praktisch unbegrenzte Übertragungsgeschwindigkeit bieten. Damit entfallen die Reichweiten- und Geschwindigkeits-Einschränkungen der oben genannten langsamen Busse. In der Regel werden die Daten optisch bis in die Ex-Zone übertragenen und dort konventionell zu den Endgeräten geführt. Für die elektrische Profibus-Verkabelung steht inzwischen eine eigensichere RS485-Variante zur Verfügung, die Datenraten bis 1,5MBit/s ermöglicht. Alternativ ist eine Kabelverlegung in erhöhter Sicherheit möglich, wie sie etwa auch für Stromversorgungskabel üblich ist. Durchgängige Kommunikation als wesentliche Triebkraft

Hirschmann Automation and Control GmbH
http://www.hirschmann.com

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