Webbasierte Videoüberwachung von Produktionsprozessen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem neu entwickelten System zur automatisierten Videoüberwachung von Produktionsprozessen. Der Video Control Monitor VCM bietet dazu auf der Grundlage von IT-Standardtechnologien aus der Web-Welt eine kostengünstige und flexible Lösung, die auch mit vorhandener Anlagentechnik einfach kombiniert werden kann.

Bei der Automatisierung von Produktionsprozessen müssen häufig kritische Bereiche im Produktionsprozess zusätzlich optisch überwacht werden, damit ein Operator in die Lage versetzt wird auf komplexe Gefahren- bzw. Fehlsituationen schnell und zielstrebig zu reagieren. Dies betrifft z.B. den Durchlauf des Walzgutes in Bandwalzanlagen, bei dem das nicht rechtzeitige Erkennen von Unregelmäßigkeiten im durchlaufenden Walzgut zu Crash-Situationen führen kann, deren Beseitigung in der Folge einen sehr hohen Aufwand erfordert. Die für solche Zwecke üblicherweise eingesetzten Videoüberwachungssysteme sind aufwändig, teuer und besitzen den weiteren Nachteil, dass sie sich nur schwer in bestehende Prozessleit- und Überwachungssysteme integrieren lassen. Außerdem besitzen diese System nur unzureichende Möglichkeiten, um Sensor- bzw. Steuerungssignale aus dem automatisierten Produktionsprozess direkt für die PTZ-Steuerung einer Videokamera nutzen zu können (PTZ Pan, Tilt, Zoom). In einem neuen Entwicklungsprojekt bestand deshalb die Aufgabe, ein Videoüberwachungssystem für Produktionsprozesse mit folgenden Eigenschaften zu entwickeln: – PTZ-Steuerung der Videokameras in Abhängigkeit von Prozesssignalen, – Nutzbarkeit des Systems durch beliebige Operator-Terminals im lokalen Netzwerk, – Herstellerunabhängigkeit, Transparenz und leichte Änderbarkeit sowie hohe Flexibilität. Komponentenstruktur Ausgehend von den Anforderungen bot sich der Einsatz der Webtechnologie in Verbindung mit dem Konzept der Lean Web Automation an [1]. Dies bedeutet, dass die erforderlichen Prozessdaten aus dem Produktionsprozess und die PTZ-Steuerdaten für die Videokameras über spezielle Proxy-Server im TCP/IP-Netz bereitgestellt werden und die komplette Funktionalität des Videoüberwachungssystems mit herkömmlichen und lizenzfreien IT-Standardtechnologien aus der Web-Welt realisiert wird. Die so entwickelte Komponentenstruktur des Video Control Monitors VCM ist in Bild 2 dargestellt. Als Kernkomponenten des VCM fungieren die beiden Proxy-Server: – Prozessdatenserver, – Server zur Kamerasteuerung (CamControl-Server). Für den Prozessdatenserver wird das javabasierte Web Access Kit WAK von m+iTEC (Solingen) eingesetzt, das beliebige OPC-Daten über den Proxy-Server und einen zugehörigen Java-Applet auf Webseiten bereitstellen kann (Download einer Trial-Version unter [2]). Der Server zur Kamerasteuerung ist in C programmiert und stellt ähnlich wie WAK die Steuerungskommandos der angeschlossenen Webkameras sowie deren PTZ-Positionsdaten über ein Java-Applet einer Webseite zur Weiterverarbeitung z.B. mit JavaScript zur Verfügung. Beide Proxy-Server arbeiten ereignisbasiert, d.h. die entsprechenden Daten stehen in Echtzeit auf der Webseite zur Verfügung. Der Zugriff auf die Prozessdaten erfolgt über die OPC-Server der entsprechenden Steuerungshersteller. Als Videoserver können beliebige für das Internet geeignete Videostreaming-Server beispielsweise aus dem Low-Cost/Share-ware-Bereich eingesetzt werden. Zur Sicherung der Bildqualität wurden für den Prototyp als Videokameras Sony EVI-DC70 mit seriellem Visca-Interface zur PTZ-Steuerung eingesetzt. Prinzipiell können aber auch andere PTZ-Videokameras zur Anwendung kommen. Ein Vorteil der Visca-Schnittstelle besteht darin, dass man bis zu vier EVI-Kameras in Reihe schalten kann, so dass nur ein Proxy-Server zur Steuerung aller Kameras benötigt wird. An den Webserver werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Er muss eigentlich nur in der Lage sein Java-Applets zu den Clients zu senden. VCM-Webseiten und Betriebsarten Neben der in Bild 2 dargestellten serverseitigen Komponentenstruktur besteht das eigentliche VCM aus neun Webdateien (Bild 3), die auf beliebigen Webservern im Intranet (oder auch im Internet) verteilt werden können. Nach dem Start über die Frameseite main.html werden die beiden Seiten gv.html und loading.html in den Browser geladen. gv.html ist eine für den Nutzer unsichtbare Seite, die die erforderlichen globalen Variablen und globalen Scripte beinhaltet. loading.html testet die korrekte Verbindung zum CamControl-Server und startet dann eine der beiden sichtbaren Betriebsartenseiten edit.html oder run.html. Zwischen beiden Seiten kann während der Arbeit des VCM beliebig umgeschaltet werden. Alle HTML-Elemente auf den beiden sichtbaren Seiten run.html und edit.html sind mittels Style Sheets (*.css) absolut positioniert. Die Abarbeitung der VCM-Funktionen übernehmen die jeweils zugeordneten JavaScript-Dateien (*.js). Die VCM-Webseiten bestehen aus ca. 750 Zeilen HTML- und 850 Zeilen JavaScript-Quellcode. Nach dem Einloggen befindet sich VCM in der Betriebsart RUN und der Operator arbeitet mit der in Bild 1 dargestellten Bedienoberfläche. Im Automatikbetrieb bewegt sich die Videokamera in Abhängigkeit vom ausgewählten Prozessdatum selbsttätig zur vorgegebenen PTZ-Position. Dem Wertebereich eines Prozessdatums können in der aktuellen Version maximal zehn verschiedene Kamerapositionen zugeordnet werden. Jede Kamera ist darüber hinaus von zehn unterschiedlichen Prozessdaten steuerbar. Im Handbetrieb kann der Operator – falls erforderlich – eine Feinjustierung der Kamera mit einem PTZ-Tastenblock vornehmen. Die Auswahl der Prozessdaten, die Festlegung der Prozessdaten-Wertebereiche und die zugeordneten Kamerapositionen erfolgen in der Betriebart Edit (Bild 4). Die entsprechenden Werte werden ähnlich wie bei der Bewegungsprogrammierung eines Roboters geteacht und dann abgespeichert. Durch die Nutzung von Cookies kann sich jeder Operator für jede Kamera ein eigenes Bewegungsprofil für die Kamera teachen. Praktische Ergebnisse VCM arbeitet im Dauerbetrieb stabil und kann unter www.lean-web-automation rund um die Uhr getestet werden. Die Prozessdaten in der Testanlage generiert ein OPC-Simulationsserver. Da alle Komponenten des VCM-Überwachungssystems über IP-Adressen und TCP/IP kommunizieren, können die einzelnen Komponenten im lokalen Netz beliebig verteilt und auch einfach durch andere ausgetauscht werden. So sind z.B. anstatt Stand-Alone-Kameras auch PTZ-Netzwerkkameras (Sony-SNC, Axis 213/14, …) einsetzbar. Bild 5 veranschaulicht an einem Einsatzbeispiel ein solches verteiltes System. Hierbei kann die Anordnung der VCM-Systemkomponenten optimal an die u.U. große räumliche Ausdehnung einer verteilten Produktionsanlage angepasst werden. Möglich ist auch ein Zugriff über das Internet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die erforderlichen Ports (s. Bild 5) über die jeweiligen Firewalls freigeschaltet sein müssen, um mit den entsprechenden VCM-Servern kommunizieren zu können. Zusammengefasst besitzt VCM folgende Vorteile:

Fachhochschule Düsseldorf
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