Was haben Energie und Fast Food gemeinsam?

Überwachung der Stromnetzqualität mit der richtigen Messtechnik
Sie sind irgendwo unterwegs, weit weg von zuhause, es ist spät und Sie haben Hunger. Keine Zeit also, die regionalen Spezialitäten zu probieren. Sie wollen einfach nur etwas essen - und zwar schnell! Bei der Anfahrt zu Ihrem Hotel sehen Sie das Logo einer Fast-Food-Kette, die es auch bei Ihnen zuhause gibt. Sie waren bereits dort und haben bestimmte Erwartungen an Auswahl, Preise, Qualität und Service. Bei Fast Food können solche Standards hilfreich sein. Bei elektrischer Energie sind sie unverzichtbar.

Standards für Energie sind für den Endverbraucher notwendig, um Skalierbarkeit und Effizienz zu bewerten. So ist es z.B. für ein Unternehmen, das strombetriebene Geräte herstellt, viel einfacher, diese nach ein paar wenigen weltweiten Standards zu entwerfen als für viele verschiedene Stromnetze. Standards helfen auch staatlichen Einrichtungen und Versorgungsunternehmen dabei, ihre Systeme mit gleichbleibender Qualität zu erweitern. Das französische Stromnetz etwa wird vor allem von Kernkraftwerken gespeist, in Deutschland gibt es viele Solaranlagen auf Privatdächern, Großbritannien besitzt bedeutende Offshore-Windkraftanlagen und Kanada nutzt in großem Maßstab Wasserkraftwerke. Die Infrastruktur für die Erzeugung und Verteilung von Energie ist bereits immens. Doch ohne Standards wäre der Betrieb dieser separaten und doch zum Teil miteinander verknüpften Netze weitaus kostspieliger. Dabei ist es gleichgültig, ob die Energie durch Wind, Sonne, Erdgas, Kohle oder Wasser erzeugt wird – solange sie dem Standard entspricht, wenn sie ins Netz gelangt. Auf diese Weise fördern Standards Innovationen, denn sie setzen ein gemeinsames Ziel fest. Der Weg dorthin und die Methoden, die dazu führen, bleiben Ingenieuren und Wissenschaftlern in aller Welt überlassen. Der durchschnittliche Energiekunde will meist seine Mahlzeit in der Mikrowelle aufwärmen oder fernsehen. Anspruchsvollere Kunden dagegen wollen eine Produktionsanlage betreiben oder den neuesten Siliziumchip herstellen.

Bedeutung der Netzqualität

Für die meisten Menschen gibt es zwei Zustände der Netzqualität: Entweder ist der Strom an und alles ist in Ordnung oder der Strom ist ausgefallen und nichts geht mehr. Dieser Blick auf die Netzqualität ist allerdings nicht ganz vollständig, denn es gibt zahlreiche Messungen, mit denen in einem elektrischen Netzwerk die Gesamtqualität beurteilt werden kann. Ein einfaches Beispiel sind die Etiketten, die an fast jedem Gerät mit einem Netzteil für die Steckdose angebracht sind. Sie enthalten Angaben zur Stromstärke und der Frequenz, für die das jeweilige Gerät gemacht ist. So steht auf dem Etikett eines Geräts, das im norwegischen Stromnetz betrieben werden soll, dass es 230V und 50Hz benötigt. Wie bei den meisten Systemen ist aber auch hier eine gewisse Toleranz vorhanden. Wenn die Steckdose (Smart Grid) also 228V und/oder eine Frequenz von 50,02Hz liefert, kann der Endanwender von einem normalen Betrieb ausgehen. Ein anormaler Betrieb ist allerdings schon weit vor einem tatsächlichen Stromausfall festzustellen, vor allem bei Computern. Die Computer and Business Equipment Manufacturers\‘ Association (CBEMA) hat eine Kurvendarstellung veröffentlicht, mit deren Hilfe Entwickler, Versorger und Computersystembetreiber besser verstehen, ab welchen Pegeln die Energie negative Auswirkungen, etwa Datenkorruption oder unerwünschte Neustarts, auf Computerausstattung haben kann. Netzqualitätsstandards sind immer ein Balanceakt. Sind sie zu hoch, dann sind sie unerreichbar, und sind sie zu niedrig, dann nutzen sie nichts. Bei Harmonischen handelt es sich um ein weiteres Phänomen im Stromnetz, das unerwünschte oszillierende Bestandteile im Spannungsverlauf umfasst. Diese können z.B. in Kommunikationsnetzwerken, Audiokomponenten oder empfindlichen Messgeräten zu Problemen wie hörbarem Rauschen führen. Sauberer Strom sollte als reine Sinuswelle vorliegen, die mit 50 bis 60 Zyklen/sec oszilliert. Es gibt viele Gründe für Harmonische im Stromnetz, etwa Schwingungen großer industrieller Maschinen oder Ausgaben von Wechselrichtern, die mit Solar- und Windkraftanlagen betrieben werden. Wechselrichter sind anspruchsvolle digitale Controller, zu deren Erstellung spezielle Fachkenntnisse nötig sind, damit sie ein Gleichstromsystem effizient in ein reguliertes Wechselstromsystem umwandeln. Bild 2 zeigt ein Werkzeug für die Entwicklung und Simulation von Software, mit dem Ingenieure moderne Wechselrichter entwerfen können. Das Design von Wechselrichtern ist von großer Bedeutung, da etwa ein Solarpark, der die erforderliche Netzqualität nicht erreicht, nicht ans Netz angebunden werden kann. Das wäre in etwa so, als würde ein Fast-Food-Restaurant, das sich nicht an den Franchise-Vertrag hält, von der Muttergesellschaft geschlossen.

Netzqualität nur so gut, wie die nötigen Messungen

Wenn Standards vorgegeben werden, müssen sie auch befolgt und mit Messungen kontrolliert werden. Die bereits erwähnten Messungen für die Netzqualität, darunter Spannungspegel, Frequenz und harmonische Verzerrungen, sind nur einige Beispiele für die vielen technischen Berechnungen, mit denen die Qualität von Strom bestimmt wird. Die Spannung kann mit einem einfachen Voltmeter problemlos gemessen werden. Sollen jedoch Phänomene von kürzerer Dauer erkannt werden, ist ein Messgerät gefragt, das Daten viel schneller erfassen und verarbeiten kann. In der Kurve der CBMEA können bereits transiente Spannungspegel, die nur 1/100 eines Zyklus dauern, Schäden an Servern verursachen. Harmonische Bestandteile eines Spannungsverlaufs können im Vergleich zum nominalen Spannungspegel sehr klein ausfallen. Diese zu erfassen, setzt Messgeräte mit einem großen Dynamikbereich voraus, die kleine genauso wie nominale Spannungen präzise messen. Im Zusammenhang mit Big Data wird das Stromnetz häufig als Beispiel genannt. Der Grund dafür ist dieser Trend bei den Messgeräten: Bei Zählern wird zunehmend dazu übergegangen, Daten nicht mehr nur einmal im Monat nach einer manuellen Ablesung zu senden, sondern 96x pro Tag. Hier sind andere Parameter, die nunmehr in Betracht gezogen werden, etwa Leistungsfaktor, Spannungspegel und Frequenz, noch nicht einmal mit eingerechnet.

Mit Messungen Probleme beheben

Die Qualität des Leistungsmessgeräts kann dabei helfen, die Gesamtqualität zu ermitteln, während die Quantität und der Standort der Messungen zur Bestimmung des Ursprungs eines Problems beitragen. Viele Probleme bei der Netzqualität werden von Verbrauchern oder verteilten Erzeugungsanlagen verursacht, die über das Netz verteilt sind. Ein Stahlwerk, eine Produktionsanlage oder ein Solarpark können auch in mehreren Kilometern Entfernung Probleme bei der Netzqualität auslösen, je nachdem, welche Lasten im Netz verursacht werden. Diese Einrichtungen sollten im Umgang mit Energie nicht nur eine Vorbildfunktion ausüben, sondern auch in ihrem eigenen Interesse den Stromverbrauch optimieren, denn Versorgungsunternehmen können von großen Energiekonsumenten eine Geldstrafe verlangen, wenn deren Verbrauch das Netz negativ beeinflusst. Um Probleme bei der Netzqualität und entsprechende Strafen zu vermeiden, können solche Einrichtungen ihren Stromverbrauch überwachen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Nucor, der größte Stahlproduzent in den Vereinigten Staaten und das größte Recyclingunternehmen in ganz Nordamerika, hat ein Stahlwerk in Marion, Ohio, übernommen, das zuvor nicht effizient gearbeitet hatte. Die Lichtbogenöfen, die zum Einschmelzen von Altmetall dienen, verbrauchen extrem viel Energie und können zu Energieschwankungen im Stromnetz in der Umgebung führen, wenn sie nicht sorgfältig gesteuert werden. In diesem Fall verursachte das technisch rückständige Stahlwerk (Bild 1) ein Problem bei der Netzqualität im Stromnetz in der Umgebung der Anlage. In Privathaushalten fingen Lampen an zu flackern, was für die Betroffenen nicht nur ärgerlich ist, sondern auch im Verdacht steht, Migräne oder gar epileptische Anfälle auszulösen. Darüber hinaus wurde Nucor aufgrund dieser Probleme von seinem Versorgungsunternehmen auch mit Geldstrafen belegt. Um das Problem zu lösen, erstellte der Elektroingenieur Dave Brandt ein System zur Überwachung und Steuerung der Netzqualität auf Basis von CompactRIO-Hardware. Das System überwacht die aus dem Netz bezogene Energie, sodass sich Steuermethoden schnell anpassen lassen und der Stromverbrauch gesenkt werden kann. Flackernde Lampen und Geldstrafen gehören damit der Vergangenheit an.

Flexibilität als wichtiger Faktor

Das Aufrüsten von Stromnetzen in aller Welt ist eine gigantische technische Aufgabe, die sich über die nächsten Jahrzehnte hinziehen wird. Diese Aufgabe umfasst neue Technologien, Forschungen und Fortschritte, welche die Verteilung von Energie über das Netzwerk verbessern können. Sie ist Teil einer riesigen technischen Herausforderung, an der Wissenschaftler, Ingenieure und Forscher in aller Welt arbeiten. Beispiele für diese Art von Aufgaben sind etwa die Umstellung von mechanischen Relais auf mikroprozessorbasierte Systeme oder der Einsatz von GPS-Takten zum Messen der Synchronisation innerhalb des Netzes. Anspruchsvolle Technologien beeinflussen Standards, die sich mit der Zeit weiterentwickeln, denn Best Practices werden immer wieder neu definiert und neuartige Technologien eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Ein Beispiel hierfür ist einer der Standards für die Weitbereichsüberwachung. Der Standard für Synchrophasor-Messungen innerhalb eines Netzes wurde kürzlich aktualisiert, wobei u.a. die Datenübertragungsrate erhöht wurde. Damit können Netzbetreiber Übertragungsprobleme und Instabilität überwachen. Zwar ist das ein gutes Beispiel für diesen Prozess, jedoch kann auch mit jeder Standardänderung neue Messausrüstung nötig werden. Deshalb untersuchen Ingenieure heute Möglichkeiten, programmierbare Controller als Herzstück moderner Messgeräte für die Netzqualität einzusetzen. So kann etwa der CompactRIO-Controller mit Änderungen an Standards oder Netztechnologien aktualisiert werden. Zu guter Letzt ist es von größter Bedeutung, dass sich Standards, Verbesserungen des Stromnetzes und Messtechnologien miteinander und im selben Tempo weiterentwickeln, damit kontinuierliche Fortschritte gewährleistet sind. Die rekonfigurierbare I/O-Architektur (RIO) von NI LabVIEW ermöglicht es, heutige genauso wie künftige Bedürfnisse von Kunden abzudecken, denn sie bietet eine einzigartige Mischung aus Flexibilität und Anpassbarkeit. Mit diesem Ansatz können Ingenieure ihre Anwendungen selbst in die Hand nehmen und mit dem steigenden Druck, Entwicklungszeit und -kosten zu sparen, besser umgehen.

National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com

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