Vom Zulieferer bis zur Endmontage: Einsatz von Robotertechnik in der Automobilproduktion

Funkensprühende Schweißroboter kennt jeder, der die Karosserieproduktion eines Automobilwerkes gesehen hat. Optisch weniger spektakulär, aber häufig sehr produktiv arbeiten Roboterkollegen in unterschiedlichen Bereichen der Automobilindustrie, ihrer Zulieferer und im fertigungstechnischen Vorfeld. Dabei erfüllen sie oft innovative Anwendungen, optimieren Fertigungsprozesse, erhöhen die Qualität, reduzieren die Kosten und schaffen so Standortvorteile im globalen Wettbewerb. Die folgenden Anwendungen geben Anregungen für neue Lösungen.

Der italienische Magnetto-Konzern erbringt am alten Automobilstandort Treuen im südwestlichen Sachsen technologische Leistungen. Bei der Investition von 48 Mio. EUR in ein Karosseriewerk legt der Konzern Wert auf Flexibilität und Produktivität der Produktion. Die beiden vollautomatisch produzierenden Pressenlinien setzten diese Forderungen um. \“Nur wenn wir auf die Wünsche unserer Kunden schnell reagieren und sie qualitativ und kostenmäßig erfüllen, haben wir am Standort Deutschland realistische Chancen\“, erklärt Dieter Pfortner, Geschäftsführer von Magnetto Automotive Deutschland. Statt üblich acht bis neun Teile durchlaufen in Treuen zehn bis elf Teile pro Minute die Pressenlinien. Seit Herbst 2004 produzierte jede der beiden Linien rund einhundert unterschiedliche Bauteile. Bei Automobilherstellern lauten die Vergleichswerte sechs bis acht. Diese Flexibilität ist wirtschaftlich nur mit kurzen Umrüst-, Inbetriebnahme- und Einarbeitungszeiten darstellbar. Die Automatisierungs- und Handlingtechnik in Hard- und Software von ABB Robotics hat einen Anteil von rund 10% des Auftragswerts an der Realisierung. Einen großen Automationsvorteil bietet das Industrial-IT(Informationstechnik)-System StampMaster. Es stammt aus der Prozessleittechnik des Herstellers. Das System bildet quasi die virtuelle Schaltzentrale, die alle Informationen und Daten über die Anlage zur Verfügung stellt. Inhaltlich verbindet sie die einzelnen Aufgaben der Geschäftsprozesse wie Terminplanung, Produktion sowie Wartung mit den Pressenlinien. Das System bildet sie als interaktives \’Industrial Business Object\‘ ab. Weil StampMaster sowohl die Visualisierung und Bedienung enthält als auch das Managen der Sicherheitseinrichtungen, kann der Betreiber per Mausklick auf jeden Informationspool zugreifen. Als Standard-Steuerungskonzept sind die Softwarekomponenten getestet und in der Praxis erprobt. So erhält der Anwender funktionssichere Software zu einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Auf Wunsch von Magnetto können die Pressenhersteller Weingarten und ABB direkt aus ihren Zentralen Online-Unterstützung leisten. Das gilt auch für Software-Updates und das Übertragen von spezifischen Kundenwünschen in die Programmierung. Konkret setzen 16 ABB Roboter IRB 6400R/3.0-100 an beiden Pressenlinien das Handling der Platinen bzw. Pressteile und deren automatischen Ablauf um. Ihre Kenndaten lauten: Sechsachsige Manipulatoren mit S4Cplus-Robotersteuerung, 3,0m Reichwerte der fünften Achse, Handhabungskapazität 100kg, Positions- bzw. Bahnwiederholgenauigkeit ±0,15 bzw. ±1,5mm, maximale Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung des Werkzeugarbeitspunkts (TPC) >2 bis 3m/s bzw. >10m/s2. Dachrahmen für Kombi vollautomatisch gefertigt Im DaimlerChrysler Werk Hamburg produziert eine robotergestützte Anlage den Dachrahmen des aktuellen Mercedes-Benz E-Klasse-Kombis. ABB Robotics entwickelte und realisierte die komplexe Anlage, die Dachrahmen aus 29 Einzelkomponenten fertigt. Er wird später im DaimlerChrysler-Werk Sindelfingen unter der Dachhaut im Bereich der E-Säule eingebaut. Der Rahmen versteift die Karosserie und nimmt die Heckklappen-Scharniere, die Gasfedern zum Öffnen und Schließen der Heckklappe sowie die Kabelführungen auf. Die erste robotergestützte Rohbauanlage im Hamburger Werk besteht aus sechs Roboterzellen, unterteilt in vier Zonen. Sechs Industrieroboter vom Typ IRB 6400R und zwei IRB 2400 übernehmen dort unterschiedliche Prozessaufgaben wie Kleben, Punkt- und Lichtbogenschweißen, Bolzenschweißen, Nahtabdichten und Montage. Eine Vorgabe war, dass die drei mit Kleber zu versehenden Teile aus Gründen der Qualitätssicherung und des Schutzes der Mitarbeiter vor Hautkontakt ohne manuelles Umsetzen direkt weiterverarbeitet werden. Die geforderte hohe Qualität, die Taktzeitvorgabe, die Komplexität des Bauteils, das Zusammenspiel der verschiedenen Prozesse und die Integration der Wechselsysteme auf engem Raum stellten die größten Herausforderungen des Projektes dar. Da die Einzelteile teilweise später für den Endverbraucher sichtbar sind, spielt darüber hinaus auch die Optik eine wichtige Rolle. Der Zusammenbau in der komplexen Anlage untergliedert sich in insgesamt neun Fügefolgen. Die Fügefolge eins verbindet einen Verstärkungswinkel, die Aufnahme für die Gasfeder, das Schließteil für die Gasfeder-Aufnahme und eine Verstärkung zum Zentralbauteil (ZB) Federaufnahme. Anschließend fügen die Roboter in den Folgen zwei und drei die Kabelführung und Verstärkung bzw. die Scharnieraufnahme sowie einen Halter zum Zentralbauteil zusammen und verbinden dann Aufnahme und Gewindeplatte. Beide Teile ergeben in der Fügefolge fünf das Zentralbauteil Scharnieraufnahme. Das Resultat von Fügefolge vier ist das Zentralbauteil Verstärkung Halter. Die in den Fügefolgen eins bis fünf gefertigten Bauteile kombiniert Folge sechs zum Zentralbauteil Federaufnahme. Es wird in den nächsten Schritten mit den Bauteilen Dachrahmen hinten innen und außen zum Zentralbauteil Dachrahmen vereint. Den letzten Schritt bildet schließlich das Aufsetzen des Deckels. \“Daimler-Chrysler Hamburg sichert seine Zukunft, seine Auslastung und damit die Arbeitsplätze am Standort durch die Just-in-time-Anlieferung komplexer Bauteile. Ohne das bei uns gefertigte Teil steht die Produktion im Werk in Sindelfingen still\“, erläutert der Rainer Oppermann, Leiter des Produktionsleistungszentrums Systemelemente. Kofferraum-Innenverkleidung in flexibler Maßarbeit Collins & Aikman Corporation, Troy in Michigan, ist einer der größten international tätigen Zulieferer in der Automobilindustrie. 23.000 Mitarbeiter fertigen in 17 Ländern, an über 80 Standorten Cockpitmodule, Innenverkleidungen und Akustiksysteme. Die Qualität der Produkte ist an den Standorten der Hochlohnländer wie Schweden oder Deutschland nur mit automatisierter Produktion zu wettbewerbsfähigen Preisen realisierbar. Das gilt zunehmend auch für \’klassisch\‘ handgefertigte Teile wie die Innenverkleidung anspruchsvoller PKW. Die Entscheidung zugunsten des Laserschneidens fiel aus rationalen Gründen. Bei den aus Nadelfilz und Kunststoff geformten Teilen verschmelzen die Schnittkanten zu einer gerundeten Kante, so als ob sie entgratet seien. Der Hochdruck-Wasserstrahl würde dagegen scharfe Kanten an den Materialien erzeugen. Hinzu käme ein unerwünschter hygroskopischer Effekt. Stanzen hätte vor allem den Nachteil der geringen Flexibilität bei Formänderungen verbunden mit dem hohen Werkzeugaufwand. Für die komplett automatisierte Industrielösung sorgen zwei Roboter. Die Synergie aus Laser und Robotern erfüllt sowohl die Anforderungen der fertigungstechnischen Anwender wie die Ansprüche der zukünftigen PKW-Besitzer. Die Roboter stammen von ABB Robotics und unterscheiden sich entsprechend ihrer Aufgabenstellung. Am Beginn der Produktionslinie schneidet und erhitzt eine Maschine die Stoffbahnen. Die heiße Filzbahn übernimmt der Roboter IRB 6650. Er hat eine Tragkraft von 125kg und eine Reichweite von 3.200mm. Am Roboterhandgelenk ist eine Vorrichtung mit Greifern und Saugnäpfen installiert. Die Greifer nehmen die Filzbahnen und legen sie in die Spritzgießmaschine. Sie hinterspritzt die Bahnen und gibt ihnen ihre Kontur und Stabilität. Nach dem Einlegen des Filzes entnimmt der Roboter ein bereits gefertigtes Teil aus der Spritzgießmaschine und legt es auf einer Kühlstrecke ab. Das abgekühlte Verkleidungsteil fährt er zur Laserschneidvorrichtung. In der Schneidkabine übernimmt der speziell entwickelte Laserschneidroboter IRB 4400 den Zuschnitt. Der schnelle und kompakte Roboter passt seine Geschwindigkeit dynamisch den voraus berechneten Bahnbewegungen an, statt sie zu korrigieren bzw. nachzustellen. Die Ergebnisse sehen sowohl die Hersteller des Saab als auch ihre Kunden: glatte harmonische Schnittkanten ohne störende Absätze oder Verstellmarken. Neben der Steuerung, die mathematisch die virtuellen Schnittkanten abbildet, trägt die Roboterkonstruktion maßgeblich zum Ergebnis bei. Bauteile und ihre Formen ändern sich im Automobilbau häufig – und dies nicht nur bei Modellwechseln. Per einfachem Programmieren und ohne Werkzeugänderungen führen der Laser- und der Handhabungsroboter neue Vorgaben aus.

ABB Automation GmbH
http://www.abb.com

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