VDMA-Technik-Benchmark: Klassische Technik oder Sicherheitssteuerung?

Der VDMA-Fachverband Industrial Communication setzte mit dem zweiten Technik-Benchmark das Konzept \"Technik im praktischen Vergleich\" fort. In der Veranstaltung wurden zu einer realen Automatisierungsaufgabe aus dem Maschinen- und Anlagenbau verschiedene Lösungen projektiert und zur Diskussion gestellt. Ziel des Meetings war es, neue Anregungen und Informationen für die tägliche Praxis zu bekommen.

Viele Anlagen- und Maschinenbauer planen den Einsatz von programmierbarer Sicherheitstechnik. Doch sie fürchten bei der Umstellung unter anderem höheren Programmieraufwand, Aufwand bei der Hardwareumstellung und andere Probleme. Der Technik-Benchmark Sicherheitssteuerungen sollte auch dazu beitragen, diese Befürchtungen auszuräumen oder wenigstens abzuschwächen. In einigen Bereichen der Automatisierungstechnik ist der Einsatz sicherheitsgerichteter Systeme in den letzten Jahren zum Standard geworden. \“Die Produktionsanlagen rentieren sich nur dann, wenn eine hohe Verfügbarkeit garantiert wird\“, so Dr. Peter Wratil von der innotec GmbH, der die Veranstaltung moderierte. Diese hohe Verfügbarkeit erreicht man unter anderem dadurch, dass man den Menschen in den Fertigungsprozess integriert. Um hierbei die Sicherheit für Leben und Gesundheit zu gewährleisten, ist eine umfangreiche Sicherheitstechnik unumgänglich. Aufgabenstellung Die Automatisierungsaufgabe stellte Robert Giehrl von Krones vor: Für einen neuen Maschinentyp aus der Produktsparte der Etikettiertechnik wurde ein modernes Sicherheitssystem gesucht. Dabei galt es nicht nur die Sicherheitsfunktionen zu erfüllen, sondern vor allem auf die Wirtschaftlichkeit zu achten. Die Sicherheitsfunktion der Maschine ist in zwei Bereiche, Not-Aus und Schutz, aufgeteilt. Das zentrale aufgebaute Bedienterminal ist über den gesamten Bereich der Etikettiermaschine schwenkbar. Je nach Position werden bestimmte Funktionen freigeschaltet, deshalb ist auch hier eine sicherheitsgerichtete Abfrage erforderlich. Da die Maschine in unterschiedlichen Funktions- und Kundenausprägungen hergestellt und über einen Zeitraum von über zehn Jahren betrieben werden sollte, sind Flexibilität und Diagnosemöglichkeiten besonders wichtig. Erforderlich ist die Gesamtbe-trachtung der elektrischen Sicherheit, vom Sensor über die Steuerung bis hin zu Bedienung und Kommunikation. Die Aufgabe liegt grenzwertig zwischen Sicherheitssteuerung, Sicherheitscontroller und logikverschaltbaren Sicherheitsmodulen. Die Lösungen sollen den Anforderungen der Normen EN954-1 nach Kategorie 3 und IEC61508 SIL3 gerecht werden. Lösungsvorschläge Die Aufgabe war gestellt. Jetzt galt es für die sieben Hersteller und Anbieter von Sicherheitstechnik, – Bernstein, Jokab, Leuze, Rockwell, Pilz, Sick sowie Siemens, – die anwesenden Experten von ihren Lösungen zu überzeugen. Harald Schmidt von Sick machte den Anfang und stellte eine Sicherheitslösung vor, bestehend aus kompakter Sicherheitssteuerung UE4400 und dezentralen E/A- Einheiten. Sowohl das Hardwarekonzept als auch das Softwarekonzept sind hier modular aufgebaut. Die Einbringung der Steuerungstechnik erfolgt unabhängig von der gewählten Standardautomatisierung. Die Programmier- und Konfigurationsoberfläche ermöglicht ein einfaches Engineering der gesamten Sicherheitsaufgabe. Jokab Safety, vertreten durch Tobias Blickle, stellte ein modular aufgebautes Steuerungskonzept mit der Sicherheits-SPS Pluto vor. Diese Sicherheits-SPS beinhaltet eine umfassende Diagnosefähikeit und eine einfache Programmierung. Abhängigkeiten der verschiedenen Kreise, ein- und ausgangsseitig, können einfach ge-schaffen werden. Michael Mayr von Leuze präsentierte eine Lösung mit dem Sicherheits-Bussystem AS-i Safety at Work. Das System zeichnet sich durch seine geringen Montage-, Verdrahtungs- und Anschlusskosten aus. Geeignete Gateways schaffen Verbindungen zu übergeordneten Feldbussystemen. Gunther Sälzler von Rockwell Automation zeigte zwei Lösungen, die sich in der Integration in das Automatisierungskonzept unterscheiden. Kommt ein Sicherheitssystem eines anderen Herstellers zum Einsatz, sind die modularen Sicherheitsrelais MSR200/300 eine Lösung. Die Verdrahtung von Hilfskontakten entfällt. Auf Programmierung der Sicherheitsfunktionen wird vollständig verzichtet, die Konfiguration erfolgt über Auswahlschalter und eine Software ist nicht erforderlich. Die zweite Variante ist die Sicherheitssteuerung GuardLogix, bei der alle Steuerungsaufgaben in einem einzigen System integriert sind und man eine einheitliche Programmierumgebung hat. Das Lösungskonzept von Bernstein, vertreten durch Andreas Halter, basiert auf der sicheren Steuerung Safe LogiControl als zentraler Komponente, woran gemäß der Aufgabenstellung verschiedene Sensoren und Schalter aus dem Sicherheitsprogramm angeschlossen werden. Bei dieser Lösung wird nur der sichere Teil der Steuerung verwendet, da die Etikettiermaschine bereits mit anderen Systemen und Komponenten als Maschinensteuerung arbeitet. Mit der sicheren Steuerung Safe LogiControl kann man aber auch die Standard-Steuerungsaufgabe realisieren. Ein besonderer Vorteil dieser Integration von Standard- und Sicherheitstechnik ist die sehr stark vereinfachte Diagnose, da alle Informationen in einem Projekt zur Verfügung stehen. Stefan Olding von der Firma Pilz stellte mit PSSuniversal mit integrierter Multikopf CPU eine Plattform für die Zusammenführung von Sicherheits- und Standardtechnik vor. Aus Sicht der Standardsteuerung wird PSSuniversal als ganz normaler Busteilnehmer mit E/A-Komponenten gesehen und integriert. Die Steuerbefehle aus der Standard-SPS werden über die frei konfigurierbaren Sicherheitsfunktionen des Multi-Kopfs sicher angebunden. Das System ist leicht in vorhandene Feldbusarchitekturen integrierbar. Stefan Schaan von Siemens präsentierte die Automatisierungslösung Safety Integrated. Mit diesem System setzt Siemens auf die Verarbeitung fehlersicherer und nicht-fehlersicherer Signale über einen gemeinsamen Bus sowie auf gemischte, exakt an die Aufgabe angepasste dezentrale Peripherie. Durch die einheitliche Programmierumgebung Step 7 mit Distributed Safety für Standard- und Sicherheitstechnik ist eine einfache Portierbarkeit gewährleistet und das System bietet eine durchgängige Diagnose. Fazit Nach jedem Lösungsvorschlag wurde das vorgetragene Konzept von den anwesenden Experten kritisch begutachtet. Bei der Auswertung wirkten die herstellerunabhängigen Systemintegratoren und Automatisier-ungsdienstleister Peter Hebig von Beck Automation, Manfred Wunderlich von Blumenbecker Automatisierungstechnik und Stefan Fink von Heitec mit. Neben den von Krones genannten Wertungskriterien wie niedrige Kosten, robuste Bauweise, umfangreiche Diagnose, einfacher Austausch der Komponenten und nachträgliches Ändern der Sicherheitslogik sollte aus der Sicht der anwesenden Spezialis-ten besonders das Engineering betrachtet und verglichen werden. Sowohl Krones als auch die Systemintegratoren kamen zu dem Ergebnis, dass die Lösungvorschläge doch sehr unterschiedlich sind und eine Entscheidung für ein bestimmtes Konzept nicht einfach ist. Um eine Entscheidung zu treffen, wurde vor allem der wirtschaftliche Aspekt von den Vortragenden nicht detailliert genug projektiert. Dennoch war die allgemeine Quintessenz der anwesenden Experten, dass die Referenten durch ihre Vorträge dazu beigetragen haben, zukünftige Entscheidungen zu erleichtern.

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