Für eine Vielzahl an Anwendungen verspricht eine kombinierte Lösung von Steuerung und HMI Vorteile, welche die Eigenschaften beider Komponenten zusammenführt und gleichzeitig Flexibilität für die Ankopplung unterschiedlicher Ein-/Ausgabe-Baugruppen (E/A) lässt. Eine der am häufigsten eingesetzten Visualisierungslösungen ist die Kombination aus Hardware-SPS und HMI-Panel. Unterscheiden sich die SPSen in Leistung, anzukoppelnden E/A-Modulen, Motion- und Safety-Funktionen, Vernetzung und Preis, geht bei den HMI-Lösungen neben der Rechenleistung die Qualität der Projektierungsumgebung auseinander: Nicht jeder Anbieter führt umfangreiche Bibliotheken für Grafikobjekte, Seitenvorlagen und Stilrichtungsauswahl im Portfolio. Im besten Fall kann der Anwender allerdings die vorhandenen Funktionen nach eigenen Vorstellungen abändern und so sein Know-how in die Oberfläche einbringen. Eine solche kombinierte Lösung hat ihre Stärken in der Vielfältigkeit der Einsatzbereiche und Anwendungsausprägung. Sie hängt allerdings häufig von der Erweiterungsmöglichkeit der angeschlossenen Steuerung ab, zudem muss der Anwender zwei unabhängige Programmierumgebungen beherrschen. Ebenso müssen Kommunikationsprotokolle und Datenübergabe abgestimmt sein – und in der Regel kommen bei diesem Ansatz unterschiedliche Lieferanten zum Zug.
Web-Visualisierung kann Kosten senken
Die Web-Visualisierung basiert hingegen auf einer Client-Server-Struktur. Hierbei werden auf IT-Netzwerke sogenannte Web-Clients aufgeschaltet. Sie zeigen in einem Browser-Fenster die Bedienoberfläche an, die in dem Web-Server, also der Steuerung, hinterlegt ist. Der große Vorteil hierbei ist der Anschaffungspreis. Es werden häufig bestehende Kabel-Topologien genutzt, zur Visualisierung genügt ein Webbrowser. Treiber- oder Ankopplungsprobleme entfallen genauso wie der Erwerb von Runtime-Lizenzen für die Panels. Das Visualisierungskonzept kommt aber an seine Grenzen, wenn die Anwendung eine gewisse Komplexität überschreitet. So lassen sich die Erfassung und das Abspeichern von Maschinendaten und Störmeldungen im Client oft nicht realisieren. Hinzu kommt die funktionale Abhängigkeit von der als Web-Server ausgelegten Steuerung: In der Regel steht keine Erweiterungsmöglichkeit abseits des Lieferumfangs zur Verfügung, auch nicht für die Oberflächen-Projektierung.
Scada-Systeme für komplexe Anwendungen
\’Supervisory Control and Data Acquisition\‘-Lösungen (Scada) kommen dann zum Einsatz, wenn komplexe vernetzte Anlagen und Prozesse sowohl auf lokaler als auch zentraler Ebene überwacht und gesteuert werden sollen. Dazu werden Prozessdaten gesammelt und an übergeordnete Leitsysteme weiter vermittelt. SPSen überwachen und steuern im Feld, PC-Systeme oder Client-Monitore dienen zur Benutzereingabe und bildlichen Darstellung. Bei diesem Visualisierungskonzept gibt es keine Limitierung in Bezug auf E/As oder zu vernetzende Eingabestationen. Der Entwicklungsaufwand ist höher als bei kleineren Projekten, doch mittlerweile bieten viele Scada-Hersteller komfortable Editoren für die Oberflächenerstellung. Zu berücksichtigen ist auch hier, dass eine separate Steuerungsprogrammierung vonnöten ist, auch wenn das Scada-Paket im Rahmen der Bildgestaltung automatisch SPS-Code erzeugen kann. Der finanzielle Aufwand liegt meist weit über dem anderer HMI-Konzepte, nicht zuletzt durch die kostenintensiven, E/A-gebundenen Runtime-Lizenzen. Entsprechend lohnt sich diese Art zu bedienen und beobachten nur für größere Prozessvisualisierungen.
Kombination aus Panel-PC und SPS-Funktionen
Ist die Steuerung in ein Bedienpanel integriert, ermöglicht das eine Vielzahl von Anwendungen. Möglich wird das Konzept, da aktuelle Prozessoren neben der Datenaktualisierung der grafischen Prozessdarstellung auch die strukturierte Verarbeitung der Steuerungsdaten übernehmen. Die CPU-Priorität liegt dabei immer auf dem Steuerungsteil. Das Panel besitzt entweder eigene E/A oder bietet entsprechende Kopplungsmöglichkeiten. Obwohl der Umfang der zu verarbeitenden digitalen und analogen Signale nicht ganz an den leistungsstarker Hardware-SPSen heranragt, lassen sich mit HMI-Steuerungen auch umfangreiche Applikationen realisieren. Zu nennen sind Verpackungsanlagen, Montageautomaten, Licht-, Tür-, Klima- und Belüftungssteuerungen sowie Produktionsmaschinen aller Art. Insbesondere Serienmaschinenhersteller mit überschaubarer Steuerungsfunktionalität können von dieser Zusammenführung der SPS-Visualisierung profitieren. Wurde die Lösung mit Fokus auf HMI-Gestaltung aufgesetzt, können sich zudem durch einfache Bedienung geringere Schulungs- und Wartungsaufwände ergeben.
Touchterminals mit integrierter SPS-Umgebung
Beijer Electronics, Anbieter von Industrieautomationskomponenten, hat vor diesem Hintergrund sein iX-System im Rahmen der Lösung iX HMI Softcontrol um eine Steuerung erweitert. Dazu setzt der Anbieter das herstellerunabhängige Automatisierungstool Codesys ein, das mittlerweile von über 350 OEM genutzt wird. Die Bedienpanels arbeiten mit Version 3.5 der Plattform. Aufgeteilt in zwei Leistungsklassen stehen für kleine bis mittlere Anwendungen die TXA-Serie und für komplexere Aufgaben die TXB-Serie zur Verfügung. Zur Geräteanbindung werden intelligente E/A-Klemmen per Ethercat, Modbus RTU oder Modbus TCP mit den Touchterminals verbunden.
Steuerungsauslegung vor Oberflächendesign
Bevor mit der Visualisierung begonnen wird, steht zunächst die Steuerungsdisziplin im Vordergrund. Der Projekt-Ingenieur wählt in der Codesys-Umgebung einmalig das zu koppelnde Gerät aus und stellt die Verbindung her. Anschließend definiert er seine Variablen und entwickelt das SPS-Programm. Ist dies erledigt, erzeugt er eine Variablendatei, die später auf das Bedienpanel übertragen wird. Nachfolgend legt er das E/A-Protokoll fest. Zusammen mit dem SPS-Programm wird dann die Konfiguration auf das Touchpanel übertragen. Sind die Steuerungsroutinen getestet, simuliert und für fehlerfrei befunden, geht es an die Umsetzung der Bildschirmseiten. Als Entwicklungsumgebung steht der iX-Developer zum Erstellen kompletter Visualisierungen zur Verfügung. Im Projektassistenten des Software-Tools wählt der Projektierer einen von sechs Gerätetypen aus. Als nächstes folgt die Zuweisung des Treibers und der Import der Variablendatei. Fertig ist die Konfiguration der Soft-SPS.
Visualisierung auch für kleine Bedienpanels
Nun beginnt die Entwicklung der Bedienoberflächen. Dazu können Grafikobjekte, wie Anzeige und Eingabefelder, bedarfsgerecht platziert und über eine XML-Liste mit den entsprechenden Variablen verbunden werden. Das sogenannte Action-Menü, als .Net Control in dem Softwarewerkzeug zu finden, gestattet dem Anwender dabei, eine mehrstufige Bedienstruktur platzsparend auf dem Touch-Bildschirm unterzubringen. Für die Entwicklung der Prozessnavigation kann der Projektingenieur in der Menüstruktur vordefinierte Funktionen wie Bildschirmausdruck, Reportgenerator oder Seitenwechsel erzeugen und diese in Untermenüs wiederverwenden. Dadurch können auch kleinere Bedienpanels mit bis zu 10\“ Touch-Displays für die Prozesskontrolle eingesetzt werden. Per \’Rollerpanels\‘ lassen sich Stellwerte durch Fingerwischen gezielt einstellen. Animierte Labels dienen als flexible Klartextanzeige, wie in früheren Maschinenvisualisierungen üblich. Laufschrift und Laufrichtung lassen sich dabei allerdings frei auf dem Bildschirm platzieren. Das fertige Control platziert der Projektierer mit zwei Mausklicks an beliebiger Stelle. Auf diese Weise kann die Kombination von Visualisierung und IEC61131-3-konformer SPS-Programmierung für eine Vielzahl von Steuerungsaufgaben eingesetzt werden. Dabei verspricht der Rückgriff auf etablierte Programmierstandards eine langfristige Produktpflege. Nicht zuletzt bietet diese Kombination den Vorteil, dass die Anzahl erfahrener Programmierer groß ist.