Sicheres Abschalten

Füllmedienfreie Massedrucksensoren für den Extruderbau
Füllmedienfreie Sensoren mit piezoresistiver Messtechnik und einer robusten Membran liegen im Extruderbau im Trend. Sie sind langlebig, leicht zu installieren und gewährleisten hohe Sicherheit durch Performance Level \'c\' (PL \'c\').

\“In Verkaufsgesprächen fordern unsere Gesprächspartner aus dem Kunststoff- und Gummimaschinenbau und auch zunehmend in der Kunststoff und Gummi verarbeitenden Industrie eine Lösung der Überdruckabsicherung nach der neuen EN1114-1\“, sagt Torsten Fuchs, Niederlassungsleiter der Gefran Deutschland GmbH, das heißt, Kunststoffextruder und -schmelzepumpen sowie sonstige unter Überdruck stehenden Anlagenteile müssen gegen Überschreiten des maximal zulässigen Innendrucks gesichert sein. Für Druckaufnehmersysteme nach EN ISO13849-1:2008, Performance Level \’c\‘ gilt damit, dass sie beim Erreichen eines Grenzwertes alle Druck erzeugenden Elemente über das Steuerungssystem abschalten. Häufig treten bei herkömmlichen flüssigkeitsgefüllten Schmelzedrucksensoren mit dünnen Messmembranen durch Abrasion, Adhesion oder Korrosion Risse in der Membran auf. Dabei ist nicht eindeutig zu erkennen, ob der Riss durch die Kunststoffschmelze wieder verschlossen und dadurch immer noch ein plausibler Druckwert angezeigt wird. Speziell bei der Verarbeitung von populärem Polycarbonat – z.B. zu Steg- und Wellplatten für die Bauindustrie – kommt es durch die anhaftende Schmelze zu Verformungen und damit falschen Messergebnissen bzw. zum Abreißen der Membran, was zum Totalausfall des Sensors führt. Andere moderne Materialien, wie das zur Herstellung von Terrassenprofilen verwendete WPC (Wood-Plastic-Compound), sind sehr abrasiv und zerstören auf Dauer die Sensormembran. Einige Unternehmen versuchen mit dem Einsatz von zwei herkömmlichen redundanten Sensoren einen Sensorausfall zu erkennen und damit die Anforderungen der Extrudernorm zu erfüllen – eine vergleichsweise teure und aufwändige Alternative.

Patentiertes MEMS-Sensorelement

Einen anderen Ansatz verfolgt der nach dem piezoresistiven Prinzip arbeitende Massedrucksensor Impact (Innovative Melt Pressure Accurate Transductor). Die Membran an der Fühlerspitze ist mit einer Dicke von 1 bis 1,5mm um das zehn- bis 15-fache stärker als die Membranen herkömmlicher Sensoren. Damit beherrscht sie auch die Extrusion von Polycarbonat oder WPC. Zudem ist die Membran mit einer speziellen Verschleißbeschichtung vor dem Abschmirgeln durch abrasive Füllstoffe geschützt. Das patentierte Sensorelement ist ein MEMS-System, also eine Kombination von Sensoren und elektronischen Schaltungen auf einem Substrat. In diesem Fall handelt es sich um einen quadratischen Silizium-Chip, der Membran und Messelement trägt. Das in der SOI-Technologie (Silicon On Insulator) aufgebaute Sensorelement besteht aus einer Wheatstoneschen Messbrücke. Die piezoresistiven Widerstände der Messbrücke werden mittels Ionenimplantation auf das Substrat aus Silizium und der Isolationsschicht aus Siliziumoxid aufgebracht. Dabei sorgt die SiO2-Trennmasse für wesentlich höhere Betriebstemperaturen als bei herkömmlichen piezoresistiven Sensoren ohne eine solche Schicht. Der Chip arbeitet bei Temperaturen bis 350°C dauerhaft zuverlässig. Ein 5mm langer Stößel überträgt den Druck von der Membran zum Chip. Das Sensorelement ist so empfindlich, dass die maximale Ausgangsspannung bereits bei einer Durchbiegung von 11 bis 14µm bereit steht. Eine Materialermüdung ist aufgrund der geringen Durchbiegung auch bei dynamischen Prozessen ausgeschlossen. Damit eignet sich der Sensor neben der direkten Messung entlang der Extruderschnecke auch für Messungen direkt in der Düse von Spritzgießmaschinen.

Schwimmender Sensor

\“Bei herkömmlichen piezoresistiven Druckmesssystemen werden die Sensoren mittels Chipbonden befestigt. Dies kann jedoch bei hohen Temperaturen zu Ausdehnungsdifferenzen und damit zu einer Verfälschung des Sensor-Ausgangssignals führen. Der Impact-Sensor verzichtet auf das Chipbonden und verwendet stattdessen das Floating-Konzept. Dabei sitzt der Sensor schwimmend in einem Keramikgehäuse aus Kovar, einer Eisen-Nickel-Cobalt-Legierung mit geringem Wärmeausdehnungskoeffizienten. Ein Stößel und die sehr enge Toleranz des Keramikträgers sorgen für die Befestigung bei konstanter Kraft-Weg-Übertragung. Mit diesem Konzept lassen sich auch flüssige Druckübertragungsmedien wie Quecksilber, Öl oder NaK und deren komplizierte Befüllung vermeiden\“, erklärt Ha-Duong Ngo (PhD), Leiter des Institutes für Mikrosensorik und Aktuatortechnologie der TU Berlin. Er und sein Vorgänger (Prof. E. Obermeier) entwickelten mit ihrem Team innerhalb von fünf Jahren den Sensor gemeinsam mit Gefran.

TÜV-geprüft und -zertifiziert

Hersteller von Extrudern und Extrusionsanlagen zur Verarbeitung von Kunststoffen, wie Battenfeld-Cincinnati oder KraussMaffei Berstorff, verbauen den Sensor in ihren Ein- oder Doppelschneckenextrudern mit Extrudersteuerung und setzen ihn darüber hinaus auch in Anwendungen mit Schmelzepumpen ein, die mit CE-Zertifikat oder Einbauerklärung ausgeliefert werden. \“Der Impact zeigt mit dem Istwert des Kunststoffschmelze-Massedrucks einen der wichtigsten Prozessparameter an und sorgt dafür, dass der Extruder gemäß der neuen Extrudernorm EN1114-1/EN ISO13489-1, PL \’c\‘ sicher abgeschaltet wird\“, erläutert Stefan Jovers, verantwortlich für die Elektrokonstruktion bei KraussMaffei Berstorff. Walter Kölbl, Direktor Electrical Engineering & Automation bei Battenfeld-Cincinnati, betont: \“Der Impact-Massedrucksensor erfüllt die mit der neuen Norm einhergehenden Sicherheitsanforderungen in einer für unsere Endkunden zumutbaren Art und Weise. Bei der Lösung benötigen wir lediglich einen einzigen Sensor. Er misst absolut exakt, benötigt dazu jedoch eine Kalibrierung für den Druck-Nullpunkt im aufgeheizten Zustand.\“ Andere Lösungen hätten für den Endkunden gravierende Nachteile, so Kölbl. Entweder wären pro Messstelle zwei flüssigkeitsgefüllte Sensoren sowie eine kostenintensive Auswertelektronik erforderlich. Bei Verwendung mechanischer Lösungen wie Sollbruchstellen, Berst- oder Dehnschrauben würden die Sicherheitsvorkehrungen zerstört, was zu einem Austritt von heißer Schmelze und damit zu neuen Gefahren führe, die ihrerseits durch weitere Maßnahmen unterbunden werden müssen. Zudem müsse für solche Verschleißteile Ersatz vorgehalten werden. Battenfeld-Cincinnati hält das für praxisuntauglich und unzumutbar für seine Kunden. Kölbl und Jovers sehen weitere Vorteile. Beide heben die extrem langen Standzeiten hervor. \“Durch seine ausgesprochen robust ausgeführte Membran an der Fühlerspitze hat der Impact eine zehn- bis 15x höhere Standzeit als herkömmliche flüssigkeitsgefüllte Massedrucksensoren\“, unterstreicht Kölbl. Jovers ergänzt: \“Außerdem ist der Sensor vom TÜV Rheinland geprüft und zertifiziert. Das können andere Lösungen nicht bieten.\“ Die Selbstüberwachung des Massedrucksensors mit PL \’c\‘ erfasst, ob ein Leitungsbruch vorliegt, ein Sensor defekt ist bzw. fehlt oder ob die Hilfsenergie weggefallen ist. Er überwacht die Versorgungsspannung und geht bei kritischen Abweichungen vom Sollwert in den Fehlerzustand, schaltet also ab.

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Gefran Deutschland GmbH
http://www.gefran.it

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