Raum für Erkundungen

Dr. James Truchard, National Instruments, zur Zukunft der Messtechnik
Dr. James Truchard gründete 1976 mit zwei Kollegen National Instruments (NI) und ist seitdem Präsident und CEO der Firma. Ebenso spielte er eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der graphischen Programmierumgebung LabView. \'Dr. T\' - wie ihn seine Mitarbeiter nennen - ist also zweifelsohne einer der Gründungsväter der modernen Messtechnik. Das SPS-Magazin traf ihn in Dresden zu einem Interview über die Zukunft der Messtechnik.

Ein wichtiges Thema mit dem sich NI gerade beschäftigt, ist \’Big Analog Data\‘. Was verbirgt sich dahinter?

James Truchard: Der Begriff \’Big Analog Data\‘ ist eine Schöpfung von NI. Die Welt ist nach wie vor zum großen Teil analog, da die Daten aus der analogen – d.h. physikalischen – Welt kommen. Wir nutzen unsere Produkte, um große Datenmengen zu erfassen und auszuwerten, so dass wir die wichtigsten Daten für zusätzliche Analysen verwenden bzw. speichern können. Das ist z.B. ein wichtiges Thema bei Smart Grids. Für einige Anwendungen ist lediglich eine Vor-Ort-Analyse der Daten und die Weitergabe langfristiger Trends gefordert, bei anderen Applikationen stehen lokale Überwachung und Berechnungen, wie z.B. beim Condition Monitoring, im Mittelpunkt. Ein weiterer Aspekt ist die Synchronisation der Daten, damit wir wissen, dass sie alle zur gleichen Zeit erfasst wurden. Bei dem Forschungsprojekt CERN kommt es z.B. dabei auf ein Nanosekundenlevel an. Dort ist eine Technologie namens \’White Rabbit\‘ im Einsatz, bei der sich die synchrone Datenakquisition auf über 27km Länge beläuft.

Eine IDC-Studie besagt, dass sich die anfallenden Datenmenge alle zwei Jahre verdoppelt. In welchem Maße wird dafür intelligente Hardware benötigt?

Truchard: Ich glaube, was die Sammlung von Daten angeht, stellt sich eher die Frage nach Software und Werkzeugen, um diese Daten zu verwerten und verwalten. Früher haben wir dafür ausschließlich die Software NI DIAdem genutzt, inzwischen wird das Einbeziehen von Cloud-Technologien immer wichtiger.

Wie sieht die Hardware der Zukunft aus?

Truchard: Die Anschlüsse geben im Endeffekt vor, wie klein man ein Gerät machen kann. Wir haben eine Produktplattform entwickelt und uns davor 15 verschiedene Arten von Anschlüssen angeschaut, die wir in dieser Plattform unterbringen wollen. Letztendlich hat die Größe der Anschlüsse auch die Größe des Gerätes bestimmt. Versucht man es nur einen Zentimeter kleiner zu machen, muss man bei den Anschlüssen Zugeständnisse machen. Diese bestimmen also inzwischen die physische Größe der Messgeräte. Auf der Geräteoberfläche findet die virtuelle Instrumentierung statt, egal ob auf einem herkömmlichen PC oder einem Tablet-PC bzw. Smartphone. Wir haben für die letztgenannten Geräte die Software Data Dashboard entwickelt, wenn man so will eine Art Fernüberwachungslösung, die auch ein wenig Steuerung und Regelung macht.

Finde ich mein Datenerfassungssystem also zukünftig im App Store?

Truchard: Data Dashboard ist bereits im App Store verfügbar. Ziel ist es, eine Umgebung zu etablieren, bei der Software unterschiedlicher Hersteller auf derselben Hardware-Plattform laufen kann, wie z.B. Apps verschiedener Hersteller auf dem iPad. Wenn man es mit dem konventionellen Mobiltelefon und Smartphones vergleicht, dann konnten Anbieter von Handys nicht mit den Smartphones Schritt halten, weil ihre Plattform von der Hardware bzw. dem Unternehmen vorgegeben war. Die Unternehmen, die offene Softwaresysteme anboten, wie z.B. Apple und Google, verfolgten zwar verschiedene Philosophien, aber im Endeffekt stellten beide sicher, dass ihre Plattformumgebungen Add-ons von Drittanbietern unterstützen. Schauen Sie sich unsere Datenerfassungswelt an: traditionell sprechen wir von Hardware, die vom selben Anbieter durch Software unterstützt wird. Aber es gibt keine offene, softwarezentrierte Plattform. Die Offenheit der Software, die es Integratoren, Technologiepartnern und Beratern erlaubt Bibliotheken und Add-ons zu entwickeln, bestimmt den Erfolg jeder Plattform. Unser Messgerätetreiber-Modell unterstützte von Anfang an eine Vielzahl verschiedener Geräte-Anbieter. Wir haben inzwischen in unserer Gesamtplattform neben unseren eigenen Produkten noch ca.10.000 Messgeräte von Drittanbietern, die unterstützt werden. Mit dem LabView Tools Network wenden wir dieselbe Philosophie an, bei der man LabView-orientierte Apps downloaden kann. Genau diese softwarezentrierte Philosophie wird die Zukunft von Datenerfassungsgeräten sein und auch den Erfolg der jeweiligen Plattformen bestimmen.

Welche Hochgeschwindigkeitsbusse stehen für die Übertragung der Datenmengen zukünftig zur Verfügung?

Truchard: Im Fall von PCI Express geht es im Endeffekt um die Erfassung von RF-Signalen. Dort ist PCI Express Version 3.0 gerade aktuell, 4.0 dann die Zukunft. Bei USB3.0 haben wir viel mehr Datenraten, aber dieselben Probleme mit der Latenz, wie bereits in den Vorgängerversionen. Power-over-Ethernet kann hilfreich sein, wenn die Geräte fernbetrieben werden. WLAN ist sehr wichtig, weil es allgegenwärtig ist und ein anderes Modell für die Datenerfassung vorgibt, bei dem man lokale Intelligenz mit einem WLAN-Gerät einsetzt. Darüber hinaus bin ich ein großer Fan von Thunderbolt, auch wenn noch nicht ganz klar ist, in welche Richtung sich das entwickelt. Es ist derzeit der beste Highspeed-Standard, denn es hat eine sehr niedrige Latenz. Da es essentiell eine spezialisierte Version von PCI-Express ist, kann man PCI Express-Geräte via Thunderbolt anschließen.

Was sind für Sie die Treiber der Datenerfassung?

Truchard: Unsere Aktivitäten konzentrieren sich z.B. derzeit auch auf 5G. Um 3G auf 5G weiterzuentwickeln beschäftigen wir uns mit drei Bereichen: Reaktionszeiten, Übertragungsgeschwindigkeiten und die Einsatzdauer der Geräte (Bild 2). Es werden z.B. derzeit neue Signalformtypen definiert, um die zukünftig geforderten Reaktionszeiten zu erreichen. Momentan sind das Sekunden, irgendwann werden es vielleicht Millisekunden sein. Im Grunde genommen zeigt diese Grafik die Verallgemeinerung der Frage \“Was sind die drei Forschungsbereiche der Datenerfassung?\“

Wie sieht es mit der Datenerfassung für die Automatisierung aus?

Truchard: Die Unternehmen wollen die Qualität ihrer Produkte verbessern. Ein Weg dahin sind zusätzliche Programme für die Maschinen, um deren Daten zu erfassen. Diese Programme laufen nebenbei, sodass Abweichungen im Produkt usw. überwacht werden können. Das funktioniert bereits beim Condition Monitoring von Gasturbinen oder Windkraftanlagen, Geräte die sehr teuer sind und deshalb permanent überwacht werden müssen. Beim Condition Monitoring sehen die Anwender also bereits die Vorteile. Zusätzlich werden die Bandbreiten immer größer, wodurch die Kosten für die Übertragung der Daten sinken. All dies spricht für den zunehmenden Einsatz von Datenerfassung in diesen Systemen, ob nun Wireless oder über drahtgebundene Netzwerke.

Was benötigen die Anwender, damit die Datenerfassung Einzug hält in neue Anwendungsbereiche?

Truchard: Im Moment brauchen die meisten Leute mehr Informationen über Big Analog Data und die Cloud. Wie funktioniert das, was sind die Möglichkeiten und wie kann es umgesetzt werden? In der Vergangenheit haben Domain-Experten die Datenerfassungs-Technologie schon sehr gut genutzt. Je weiter wir uns aber in Richtung Cloud Computing bewegen, desto mehr ist zusätzliche Software gefragt, die die Nutzung der Hardware erleichtert. Ein weiterer Schwerpunkt ist es, dem Domain-Experten mehr Fähigkeiten an die Hand zu geben, sodass er nicht auf zu viele verschiedene Systementwickler, FPGA-Programmierer usw. angewiesen ist. Man muss ihm Werkzeuge zur Verfügung stellen, mit denen er selbst produktiver werden kann, anstatt sich auf andere spezialisierte Disziplinen zu verlassen, denn die Teams der Zukunft werden kleiner und nicht größer. Unser plattformbasierter Ansatz des Graphical System Designs adressiert alle diese Themen, z.B. den Bereich Benutzeroberfläche. Der Anwender kann entweder eine textbasierte oder eine datenflussbasierte Sprache benutzen, je nachdem aus welchem Gebiet er kommt. Ein Chemiker würde z.B. eine andere Beschreibungssprache verwenden als ein Informatiker. Ein weiteres Projekt sind die Plattformen, auf denen man programmieren kann, was immer man benötigt und auf denen dann die eigene Version eines Messgerätes auch ausgeführt wird. Graphical System Design gibt uns die Randbedingungen vor, die notwendig sind, um selbst ein eigenes System für die spezifische Anwendung zu erschaffen, anstatt auf die Fachkenntnisse verschiedener Berufsgruppen zurückgreifen zu müssen. Man kann sein Produkt testen und es mit einer darunterliegenden Architektur formen, die danach immer wieder neu verwendet werden kann. Diese Herangehensweise ermöglicht es, sich auf Innovation zu konzentrieren, d.h. auf die Dinge die man automatisieren bzw. erforschen will. Ansonsten leidet nur das Budget und die Time-to-Market. Um es zusammenzufassen: unser Plattform-Ansatz liefert Raum für Erkundungen. (peb)

National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com

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