Powerlink – das erste offene Echtzeit-Protokoll

Das offene, rein softwarebasierte Echtzeitkommunikationssystem Powerlink mit Taktzyklen im Bereich einiger hundert µ-Sekunden setzt ganz auf Standard-Ethernet-Hardware. Für Komponentenhersteller bedeutet dies, dass keine proprietären ASICs entwickelt und aufwendig getestet werden müssen, Software-Implementierungen und Neuentwicklungen lassen sich leicht realisieren. Das führt bei Powerlink gegenüber proprietär geprägten Systemen zu großen Vorteilen hinsichtlich der Second-Source-Verfügbarkeit. Die offene Struktur ermöglicht zudem Maschinenbauern den flexiblen Einsatz von Hardwarekomponenten: Soll beispielsweise in eine Powerlink-Anwendung ein Gerät eingebunden werden, das mit einem anderen Netzwerkprotokoll betrieben wird, so sind dafür lediglich ein weiterer Standardcontroller und ein zusätzlicher Feldbusstrang erforderlich. Zu Service- und Wartungszwecken lassen sich bei Powerlink überdies häufig Standarddiagnose- und Messsysteme aus dem Office-Bereich einsetzen, wodurch sich die Betriebskosten deutlich verringern.

Industrial Ethernet in Echtzeit

Die Vorteile, die eine ethernetbasierte Infrastruktur bietet, liegen in der Standardisierung und Kostengünstigkeit der Komponenten und im Potenzial, eine durchgängige Kommunikationslösung für unterschiedlichste Anwendungsbereiche in einem System zu realisieren. Während bei vielen Unternehmen noch mehrere Netzwerkarten je unterschiedliche Bereiche abdecken, lassen sich mit Ethernet alle Ebenen verbinden, von der Leit- über die Steuerungs- bis zur Feldebene. Doch damit sich Ethernet auch in zeitkritischen Systemen einsetzen lässt, müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Eignen sich die Standardprotokolle TCP/IP und UDP/IP sehr gut für zeitliche unkritische Kommunikation, stößt Ethernet dann an seine Grenzen, wenn es um Echtzeitverhalten in der Automatisierung geht. Das CSMA/CD-Verfahren (Carrier Sense Multiple Access/Collision Detection) bei Ethernet, das der Erkennung und Vermeidung von Datenkollisionen dient, verhindert ein vorhersagbares Zeitverhalten. Ziel der Powerlink-Entwickler war es, dieses bremsende Verfahren zu umgehen, ohne dabei vom Ethernet-Standard abzuweichen. Grundsätzlich bieten sich zwei Möglichkeiten an, diesem Verfahren \’zuvorzukommen\‘ und so die CSMA/CD-bedingten Verzögerungen zu vermeiden: Durch Segmentierung des Netzwerks mit Switches oder durch die zeitliche Organisation der Kommunikation. Bei der Netzwerksegmentierung wird jeder Netzwerkteilnehmer durch einen Switch von anderen Teilnehmern entkoppelt und belegt einen eigenen Netzwerkstrang. So werden zwar Kollisionen ausgeschlossen, aber die Nachteile liegen in der hohen Anzahl benötigter Switches, zusätzlichen Kosten und hohem Aufwand für ihre Parametrierung. Außerdem verzögern Switches ihrerseits den Datenverkehr und verhindern harte Echtzeit. Die zweite Möglichkeit besteht in der zeitlichen Regulierung des Datenaustausches. Die Powerlink-Entwickler haben ein Zeitscheibenverfahren eingeführt, das jedem Netzteilnehmer einen klar definierten Zeitpunkt zum Senden zuweist. Zu diesem Zweck haben sie die TCP/IP- und UDP/IP-Protokoll-Stacks durch den echtzeitfähigen Powerlink-Stack ersetzt. Das Slot Communication Network Management (SCNM) organisiert den zeitlichen Datenaustausch. Bei der Implementierung des Powerlink-Stacks wurde der Ethernet-Standard im Kern nicht angetastet, weshalb die Hersteller garantieren können, dass Powerlink auf jeder ethernetfähigen Standard-Hardware läuft.

Zeitliche Organisation des Datenaustausches bei Powerlink

Um ein gleichzeitiges Senden mehrerer Netzteilnehmer zu vermeiden, das die zeitverzögernden Kollisionsvermeidungsmechanismen aktiviert, haben die Programmierer den Netzgeräten \’Gesprächskultur\‘ beigebracht; alle Teilnehmer im Netzwerk melden sich nur dann, wenn sie dazu aufgefordert werden: in Reihenfolge und mit fester Sendezeit. Um das zu gewährleisten, erweiterten die Entwickler den Protokoll-Stack dahingehend, dass immer nur ein Teilnehmer zur Zeit Zugriff auf das Netzwerk haben kann. So kann es schon im Ansatz zu keinen Kollisionen mehr kommen. Eine SPS oder ein Industrie-PC Gerät erhält die Funktion eines Moderators, des sogenannten Managing Nodes (MN), zugewiesen, alle andere Geräte fungieren als Controlled Nodes (CN). Der MN gibt den Zeittakt zur Synchronisation aller Geräte vor und steuert die zyklische Datenkommunikation. Innerhalb eines Taktzyklus, der alle Teilnehmer bedient und eine Mindestdauer von 200µ-Sekunden besitzt, sendet der MN Anfragen (PollRequests) nacheinander an alle CNs. Diese antworten mit PollResponses unmittelbar auf die Anfragen im Broadcast-Modus. Ein Powerlink-Zyklus besteht aus vier Abschnitten: In der \’Start Period\‘ sendet der MN einen \’Start of Cycle Frame\‘ (SoC) an alle CNs, der die Geräte synchronisiert. Der Jitter, die Ungenauigkeit durch \’Taktzittern\‘, liegt dabei weit unter einer µ-Sekunde. Im zweiten Abschnitt, der \’Cyclic Period\‘, erfolgt der zyklische isochrone Datenaustausch. Durch Multiplexing kann in dieser Phase eine bessere Nutzung der Bandbreite erreicht werden: Da die Daten der CNs unterschiedliche Prioritäten besitzen können und daher nicht in jedem Zyklus abgefragt werden müssen, teilen sich diese Nodes einen Zeitabschnitt innerhalb der isochronen Übertragungsphase. So können sich beispielsweise drei Knoten mit weniger zeitkritischen Eigenschaften Zeitabschnitte eines Zyklus so teilen, dass ein Gerät nur den ersten, das zweite Gerät den zweiten und das dritte Gerät den dritten Zyklus in Folge nutzt, um seine Daten zu übermitteln. Die Zuteilung und Erkennung der von mehreren Knoten genutzten Zeitabschnitte erfolgt durch den MN. Mit dem dritten Abschnitt eines Zyklus beginnt die asynchrone Phase. Sie steht für die Übertragung größerer und nicht-zeitkritischer Datenpakete zur Verfügung. Diese Daten, z.B. Anwenderdaten, werden auf die asynchronen Phasen mehrerer Zyklen verteilt. Ethernet Powerlink unterscheidet zwischen Echtzeit-Domänen und Nicht-Echtzeit-Domänen. Da die Datenübertragung der asynchronen Phase Standard-IP-Frames unterstützt, trennen Router die Daten sicher und transparent von den Echtzeit-Domänen. Abgeschlossen wird ein Zyklus vom vierten Abschnitt, der \’Idle Period\‘. Weil durch das Zeitschlitzverfahren das gleichzeitige Senden verschiedener Geräte ausgeschlossen wird, ist die Anzahl von Hubs, die im Netzwerk eingesetzt werden können, nicht begrenzt. Es sind die gleichen Topologien wie bei Fast Ethernet möglich, bei einer Segmentlänge von bis zu 100m und unter Verwendung von Kat.5-Patchkabeln. Der Einsatz von Lichtleitern ist ebenfalls möglich. Zudem unterstützt Powerlink auch den Einsatz mit Gigabit-Ethernet.

Powerlink und CANopen

Als die EPSG im Jahr 2003 die Spezifikation Powerlink V2 veröffentlichte, stellte sie damit die vollständige Kompatibilität des Protokolls mit CANopen sicher. Diese Spezifikation definiert für das Echtzeit-Ethernet-Protokoll Powerlink die Anwendungsschicht als Träger der CANopen-Mechanismen. Somit verwendet Powerlink dasselbe Objektverzeichnis wie CANopen und unterscheidet dieselben Kommunikationsobjekte, wie Prozessdatenobjekte, Servicedatenobjekte und Netzwerkmanagement. Alle CANopen-Applikationen und Geräteprofile lassen sich mit Powerlink direkt nutzen, aus Sicht der Anwendung gibt es keinen Unterschied zwischen den Protokollen. Für die Verbindung bestehender Powerlink und CANopen-Netzwerke stehen Gateways bereit. Wenn lokale Anwendungen über größere Entfernungen angesteuert werden müssen, kann es sinnvoll sein, CAN-Subsysteme in ein übergeordnetes Powerlink-Netzwerk einzubinden. Wo lokale Anwendungen intern eine hohe Bandbreite benötigen, wie bei bestimmten Messeinrichtungen mit größerer Datenverarbeitung, ist umgekehrt die Integration von Powerlink-Subsystemen in ein übergeordnetes CAN-Netzwerk eine Alternative.

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Ethernet Powerlink Standardization Group (EPSG)
http://www.ethernet-powerlink.org

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