Peter Lutz im Interview: \“Akzeptanz für Sercos III nicht nur im Maschinenbau\“

Sercos III ist vor allem eine offene echtzeitfähige Schnittstelle für Motion-Control-Awendungen. Welche Branchen sonst noch adressiert werden, und wo technologisch der größte Wachstumsmarkt für Sercos III steckt, verriet Peter Lutz, Geschäftsführer des Sercos International e.V. (SI), im Gespräch mit dem Industrial Ethernet Journal.

IE: Wo sehen Sie gerade in den Zeiten der Wirtschaftskrise Potenzial für neue Sercos III-Lösungen? Peter Lutz: Unabhängig von der Wirtschaftskrise wächst die Anzahl der Sercos III-basierten Automatisierungslösungen kontinuierlich an. Wir stellen zwar fest, dass einige Projekte, in denen Sercos III zum Einsatz kommt, mit kleineren Verzögerungen umgesetzt werden. Dennoch werden – trotz oder gerade aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation – viele neue, innovative Lösungen auf der Basis von Sercos III realisiert. Das zeigt sich auch auf der diesjährigen SPS/IPC/Drives, bei der mehr als ein Dutzend neuer Produkte mit Sercos III-Schnittstelle vorgestellt werden. Die Produkte decken ein breites Spektrum ab – von kompletten Automatisierungslösungen über Steuerungen, Servoantriebe bis hin zu dezentralen Peripheriegeräten. Das zeigt die hohe Akzeptanz bei Anwendern und Herstellern. IE: Sercos III ist vor allem eine offene echtzeitfähige Schnittstelle für Motion-Control-Anwendungen. Welche Branchen adressieren Sie mit dem System vorrangig? Peter Lutz: Bereits heute ist Sercos III in vielen unterschiedlichen Branchen verankert. Dazu gehören zum einen die Branchen, in denen Sercos schon seit vielen Jahren traditionell stark vertreten ist, z.B. Werkzeug-, Druck- und Verpackungsmaschinen sowie Robotik-Anwendungen. Hier kann Sercos III seine Stärken insbesondere hinsichtlich der Echtzeiteigenschaften und der Protokolleffizienz ausspielen. Entsprechend erklärt sich das Wachstum in weitere Branchen mit vergleichbaren Anforderungen wie beispielsweise die Halbleiterindustrie oder die Solarzellen-Fertigung. Durch die universelle Ausrichtung der Schnittstelle beschränkt sich der Einsatz jedoch nicht auf Motion-Control-Anwendungen innerhalb dieser Branchen der Fabrikautomatisierung. Diese Ausrichtung bietet vielmehr die Möglichkeit, Anwendungen des gesamten Spektrums der Fabrikautomatisierung abzudecken. Aufgrund der technischen Charakteristik sind auch Anwendungen in der Prozessautomatisierung möglich, allerdings sind aktuell nur wenige Hersteller von Sercos-Produkten in dieser Branche aktiv. Darüber hinaus wird Sercos III nicht nur aus technischen Gründen, sondern insbesondere auch aufgrund seiner Offenheit in zahlreichen Anwendungen außerhalb des klassischen Maschinenbaus eingesetzt. Dazu zählen beispielsweise Transportsysteme und maritime Anwendungen. IE: Wo sehen Sie technologisch für Sercos III derzeit den größten Wachstumsmarkt? Peter Lutz: Bei einer Vielzahl von Anwendungen wird immer noch die traditionelle Sercos II-Antriebsschnittstelle eingesetzt, meist in Kombination mit einer zusätzlichen Feldbus-Schnittstelle zur Anbindung der E/A-Peripherie. Da Sercos II eine Performance bietet, die für die meisten Motion-Control-Anwendungen absolut ausreichend ist, haben viele Hersteller und Anwender den Wechsel auf Sercos III noch nicht vollzogen. Ein großes Potenzial liegt somit in Anwendungen, in denen die bestehenden Multi-Bus-Architekturen durch Sercos III als \’Ein-Bus-Lösung\‘ abgelöst werden. Als universelle und einheitliche Schnittstelle werden dann alle prozessrelevanten Daten (Motion, Safety, I/O sowie andere Ethernet-Protokolle) über ein Kabel und ein Protokoll übertragen. Aufgrund seiner technischen Eigenschaften eignet sich Sercos III nicht nur für dynamische und präzise Motion-Anwendungen, sondern auch für die schnelle und synchrone Erfassung von Daten, sodass Mess- und Prüftechnik einen möglichen Wachstumsmarkt darstellen. Gleichzeitig vernetzt sich Sercos III zunehmend mit anderen offenen Standards wie FDT/ DTM oder CIP Safety. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten in der Vernetzung von Systemen, und die Integration von Feldgeräten unterschiedlicher Anbieter wird weiter vereinfacht. IE: Wie sieht die regionale Verteilung aus? In welchen Ländern wird Sercos III am häufigsten eingesetzt, in welchen Ländern noch nicht? Peter Lutz: Die meisten Hersteller und Anwender von Sercos III-Automatisierungsgeräten haben ihren Firmensitz in Europa. Dieser Schwerpunkt ergibt sich aus der hohen Dichte von Maschinenbauunternehmen und Automatisierungsherstellern und aus der Tatsache, dass diese Firmen sich sehr aktiv an der Weiterentwicklung des Standards beteiligen. Allerdings sind die meisten Unternehmen global aufgestellt, sodass die Sercos III-Lösungen weltweit zum Einsatz kommen. Neben Europa hat Sercos insbesondere in Nordamerika eine hohe Akzeptanz. Dort werden neben den technischen Eigenschaften der hohe Grad der Standardisierung und die Herstellerunabhängigkeit geschätzt. Seit vielen Jahren sind wir in Nordamerika mit einem technischen Arbeitskreis vertreten, um die Anforderungen und Wünsche der dortigen Anwender und Hersteller aufzunehmen und bei der technischen Weiterentwicklung berücksichtigen zu können. Eine stark wachsende Nachfrage ist im asiatischen Raum zu verzeichnen. Dort erwarten wir in den nächsten Jahren ein starkes Wachstum. IE: Welche Vorteile kann Sercos III gegenüber anderen Ethernet-Standards nutzen, um neue Märkte oder Regionen zu erschließen? Peter Lutz: Sercos III zeichnet sich als Echtzeit-Ethernet-Lösung dadurch aus, dass es selbst für Anwendungen mit hohen Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit, Performance und Verfügbarkeit geeignet ist und somit die ganze Bandbreite von Anwendungen im Maschinen- und Anlagenbau abdeckt. Darüber hinaus erreicht Sercos III durch einheitliche und umfassende Profile einen hohen Standardisierungsgrad, der die Voraussetzung dafür ist, dass Peripheriegeräte verschiedener Hersteller bei geringem Anpassungs- oder Konfigurationsaufwand an unterschiedliche Steuerungen angebunden werden können. Das und auch die Möglichkeit, die Technologie zu nutzen, ohne sich in Abhängigkeit zu einzelnen Firmen zu begeben, ist für viele Maschinenhersteller ein wichtiges Argument. Das erklärt auch, weshalb sich zahlreiche Marktführer in ganz unterschiedlichen Branchen für Sercos III entschieden haben. Es sind also zusammenfassend die folgenden Faktoren, die für Sercos III sprechen: Die Unabhängigkeit des Kunden von einzelnen Herstellern, die Leistungsfähigkeit der zugrunde liegenden Technologie und die Akzeptanz in unterschiedlichen Branchen des Maschinenbaus. (afs) Das Interview wurde im November 2009 geführt. Kasten: Sercos III Slave Conformizer Der Sercos III Slave Conformizer wird als komplette Test- und Entwicklungsumgebung für die Produktentwicklung und Qualitätssicherung von Sercos III-Slave-Implementierungen angeboten. Das Tool beinhaltet eine aktive PCI-Sercos-III-Schnitt­stellenkarte sowie die eigentliche Referenzsoftware, die unter Windows ohne zusätzliche Echtzeiterweiterungen läuft. Umfangreiche Testskripte für die Kommunikation, das generische Geräteprofil sowie für die Funktionsprofile von Antrieben und E/As sind beigefügt. Darüber hinaus können produkt- bzw. herstellerspezifische Tests integriert werden. Da das identische Tool auch bei der Zertifizierung eingesetzt wird, kann die eigentliche Zertifizierung bei geringem Zeitaufwand erfolgen.

Sercos International e.V.
http://www.sercos.de

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