Panikmache in Sachen Ingenieurmangel? Interview mit Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts der Wirtschaftsforschung (DIW) in Be

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ein Papier veröffentlicht, in dem die Zahlen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zum Ingenieurmangel massiv infrage gestellt werden. In diesem SPS-Magazin lassen wir Vertreter von DIW und VDI zu diesem Thema zu Wort kommen. Ein Interview mit dem Autor des Papiers vom DIW Karl Brenke über Auslöser, Inhalte und Lösungsansätze.

Sie haben die Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure zum Ingenieurmangel in Deutschland näher untersucht. Was war der Auslöser dafür? Brenke: Geärgert hat mich ein Spiegel-Interview mit Herrn Fuchs, Geschäftsführer des VDI, der behauptete, dass die Hälfte der erwerbstätigen Ingenieure 50 Jahre und älter sei, und deshalb in den nächsten Jahren wegen einer anstehenden Verrentungswelle ein großer Personalaustausch anstehe. Alle verfügbaren Daten zeigen allerdings, dass weniger als ein Drittel der Ingenieure auf ein Alter von 50 Jahren und mehr kommen. Besonders gering ist das Durchschnittsalter in solchen Ingenieurberufen, in denen in den letzten Jahren die Beschäftigung etwas zugenommen hat – wie bei den Ingenieuren des Maschinen- und Fahrzeugbaus. Eigentlich müsste der VDI die Daten auch kennen, offenbar wird aber bewusst Panikmache betrieben. In unseren Branchen Maschinenbau und Automatisierungstechnik gibt es tatsächlich viele Unternehmen, die nach eigenen Angaben schon heute sehr unter dem Ingenieur- und Fachkräftemangel leiden. Manche davon sehen das sogar als Grund, mehr im Ausland aktiv zu werden. Würde das nicht qualitativ eher für die Richtigkeit der VDI-Zahlen sprechen? Brenke: Unternehmen, insbesondere die Verantwortlichen in den Personalabteilungen, klagen gern über einen Fachkräftemangel. Wer würde schon zugeben, dass die benötigten Fachkräfte einfach zu finden sind – insbesondere dann, wenn sie nicht zu 120% der Stellenanforderung entsprechen, sondern nur zu 90%, und man daher noch etwas in die Einarbeitung und Weiterbildung der neuen Mitarbeiter investieren müsste? Nehmen wir einfach einmal die Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Abschlussprüfungen an den Hochschulen. In den Fächern Maschinenbauwesen und Fertigungstechnik zusammengenommen gab es im Studienjahr 2006 knapp 10.000 erfolgreiche Absolventen, im Jahr 2010 waren es 14.500 also 45% mehr. Und der Run an die Unis hält weiter an. Im Jahr 2011 gab es 58.600 Erstsemester in diesen Studienbereichen – das waren 21% mehr als 2010. Das läuft auf eine Ingenieurschwemme hinaus. Beide Betrachtungsweisen, die des VDI und des DIW, scheinen vor allem theoretischer Natur zu sein. Ohne die Wichtigkeit statistischer Daten zu bezweifeln, wäre es nicht sinnvoll, eine umfassende Befragung bei den betroffenen Unternehmen zu machen? Brenke: Ich habe früher selbst solche Umfragen durchgeführt. Jedes Mal wurde über einen beachtlichen Fachkräftemangel geklagt. Bei einer davon wurde die Fragenbogenerhebung durch etwa 100 mündliche Interviews ergänzt. Dabei zeigte sich, dass hinter den Antworten in den Fragebögen viel heiße Luft steckte, denn tatsächlich knapp waren lediglich einige Spezialisten. Ein anderes Mal ergab sich bei einer Erhebung in Ostdeutschland, dass trotz hoher Arbeitslosigkeit ein Teil der Industrieunternehmen über einen Fachkräftemangel berichtete. Bei weitergehender Datenauswertung trat zutage, dass es sich dabei um solche Unternehmen handelte, die relativ geringe Löhne zahlten. Wie sieht aus Ihrer Sicht als Arbeitsmarktexperte ein angemessener Umgang mit dem Thema Ingenieurs- und Fachkräftemangel aus? Brenke: Man sollte vielleicht zunächst von dem Begriff \“Mangel\“ Abschied nehmen, denn der gehört zu einem Wirtschaftssystem, das vor mehr als 20 Jahren zugrunde gegangen ist. Wir leben in einem kapitalistischen System, das sich durch eine enorme Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auszeichnet. Wenn Knappheiten entstehen, wird automatisch darauf reagiert. Der beste Indikator dafür sind die Preise, auf dem Arbeitsmarkt sind es die Löhne. Allerdings zeigt sich, dass in den letzten Jahren auch bei Ingenieuren die Lohnentwicklung eher schwach war, was nicht gerade für ausgeprägte Knappheiten spricht. Zudem haben wir auch bei Ingenieuren eine verstärkte Tendenz hin zur Leiharbeit. Wenn die Arbeitskräfte tatsächlich knapp wären, müssten die Unternehmen allerdings versuchen, sie fest an sich zu binden. Kurzum: Man sollte dem Markt vertrauen, nicht in Panik verfallen und nach staatlicher Bildungssteuerung verlangen. (mbw)

Thema: Allgemein
Ausgabe:
DIW Berlin
http://www.diw.de

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