Nachfolgeregelung

Interview zur neuen Steuerungsgeneration S7-1500 und der neuen Version des TIA-Portals
Die seit vielen Jahren verfügbaren Siemens-Steuerungen S7-300 und S7-400 werden langfristig abgelöst. Auf der SPS IPC Drives 2012 wurde die Nachfolgegeneration S7-1500 vorgestellt. SPS-MAGAZIN Chefredakteur Martin Buchwitz hatte die Gelegenheit, sich im Rahmen eines Exklusivinterviews mit Siemens-Manager Thomas Schott über Hintergrund, Technik und zukünftige Entwicklungen zu unterhalten. Dies ist Teil 1 des zweiteiligen Interviews; der zweite Teil wird in Heft 3/2013 veröffentlicht.

Mit dem TIA-Portal hat Siemens vor zwei Jahren ein neues Kapitel im Bereich der Engineering-Werkzeuge aufgeschlagen. Wie hat sich das TIA-Portal am Markt und beim Anwender durchgesetzt?

Schott: Wir hatten weltweit einen guten Erfolg. Es ist insbesondere gut angekommen in den Ländern, in denen wir Neukunden damit akquirieren konnten. Das heißt US-geprägte Märkte und Asien, wo man besonders auf das Thema \’easy to use\‘ Wert legt. Und ich glaube, vom TIA-Portal kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es eine sehr einfach anwendbare Software im Bereich der Automatisierungstechnik ist.

Nun war das TIA-Portal ja nicht von Anfang an schon vollständig im Sinne der Produkte, die unterstützt werden oder Themen wie z.B. die der Antriebstechnik. Inwieweit hat diese Tatsache die Marktdurchdringung verzögert?

Schott: Also sicherlich kann man eine Software dieser Größenordnung nicht auf einmal auf den Markt bringen. Aber wir haben von vornherein den Anwendern gesagt, welchen Funktionsumfang wir zur Verfügung stellen und unsere Kunden haben sich damit auf die Applikation ausgerichtet, auf ihre Applikation, die diesem Funktionsumfang entspricht, und waren damit auch nicht enttäuscht. Aber dass man, wie gesagt, so eine Plattform Stufe für Stufe auf den Markt bringen muss, sollte klar sein. Und wenn Sie die Antriebstechnik ansprechen, dann konnten wir ja schon immer im Zusammenspiel mit unserer Klassiksoftware Antriebe projektieren und programmieren. Aber sie waren eben nicht in der Art integriert, wie das jetzt beim TIA-Portal erfolgt. Aber ich denke für die Anwender in Summe gilt: Wenn man ihnen klar sagt, welcher Funktionsumfang zur Verfügung steht, dass sie nicht Dinge versuchen in ihrer Applikation abzuhandeln, die nicht möglich sind, dann funktioniert das auch ganz gut.

Das erklärt dann sicher auch, dass es in neuen Märkten schneller angenommen wird, weil man eben dort auf der grünen Wiese startet und man von vorne beginnt, das Engineering aufzubauen.

Schott: Ganz genau. Also das heißt, in den klassischen Märkten, in denen der Anspruch an die Simatic über Jahre gewachsen ist, war man vielleicht etwas vorsichtiger zu Anfang und hat genauer hingeschaut, welchen Funktionsumfang kann ich wirklich ablösen.

Jetzt zu den zwei Highlights auf der SPS IPC Drives. Zum einen eine neue Version des TIA-Portals, zum anderen auch eine neue Steuerungsgeneration als Ablösung der S7-300 und -400. Insgesamt betrachtet: Welche Bedeutung messen Sie diesen Produktlaunches auf der SPS IPC Drives für Siemens zu?

Schott: Es ist sicherlich ein sehr bedeutender Launch, da insbesondere die Hardware natürlich nicht jedes Jahr in der Größenordnung neu zur Verfügung steht. Wir starten damit eine neue Controller-Generation, die S7-1500, die in Stufen zur Verfügung stehen wird. Diese neue Controller-Generation wird das Thema Steuerungstechnik in die nächste Generation, in das nächste Level, führen. Damit ist es ein extrem wichtiger Launch. Dieser unterscheidet sich deutlich von der Einführung des TIA-Portals vor zwei Jahren. Dieses war mit der bestehenden Hardware -300 und -400 verknüpft, wenn wir mal die -1200 außen vor lassen. Und unsere Anwender konnten ihr vorhandenes Know-how zur Klassik-Hardware mit den neuen Engineering-Möglichkeiten kombinieren. Jetzt ist es eine neue Hardware, die nur mit dem TIA-Portal projektierbar und programmierbar ist. Das ist auch für unsere Anwender ein größerer Schritt. Und deswegen mussten wir diesen Launch sehr sehr sorgfältig planen und er hat für unsere Welteinführung eine größere Bedeutung. Das TIA-Portal zusammen mit einer neuen Hardware und natürlich erstmalig auch mit der direkten Antriebsintegration.

Ich möchte gerne auf das TIA-Portal zurückkommen. Welche Neuerungen beinhaltet die Version, die auf der SPS IPC Drives vorgestellt wurde?

Schott: An erster Stelle ist die Antriebsintegration, die wir jetzt vorgenommen haben. Aber einen großen Raum nimmt auch das Thema Security ein, das für unsere Kunden immer wichtiger wird. In aller Munde ist bzw. war das Thema Stuxnet. Wir haben jetzt mit dem TIA-Portal V12 in Zusammenspiel mit der neuen Steuerungsgeneration S7-1500 zwei wesentliche Neuerungen eingebracht, die den Zugriffschutz sowohl für die Manipulation der -1500 als auch für den IP-Schutz unserer Kunden verbessert. Und dann haben wir im TIA-Portal noch weitere Diagnose-Vorteile, sodass man die Steuerungsfamilie einfacher diagnostizieren kann. Zu nennen ist auch ein Performancegewinn im Zusammenspiel mit der -1500. Dies sind weitere Funktionen, die so in der V11 noch nicht vollständig vorhanden waren. Die sind natürlich auch hinzugekommen. Aber die großen Dinge sind Performancegewinn, Antriebsintegration, das Thema Diagnose und das Thema Security.

Das heißt, Security lässt sich dann für die jeweilige Steuerung im TIA-Portal parametrieren oder konfigurieren?

Schott: Genau. Sie können unterschiedliche Sicherheitslevel definieren, z.B. im Zusammenspiel mit der S7-1500. Und die werden über die Software projektiert und parametriert, sodass der User die Erlaubnis hat, etwas zu lesen und zu schreiben, was man ihm zur Verfügung stellen möchte. Ganz besonderen Wert haben wir darauf gelegt, dass wir Manipulations- und Zugriffschutz haben. Nichts ist 100%ig sicher. Das ist auch klar. Aber wir haben uns bemüht, das Level doch deutlich nach oben zu schieben.

Jetzt ist es ja mit neuen Steuerungssystemen nicht so wie im Consumermarkt, wo z.B. im Bereich Smartphones mehrmals im Jahr von verschiedenen Herstellern ein neues Produkt erscheint. Bei den Steuerungen sieht das etwas anders aus. Jetzt würde mich bei der neuen Steuerungsfamilie S7-1500 interessieren, wo Sie da die Highlights sehen. Gerade auch im Vergleich zu den bestehenden Systemen -300 und -400.

Schott: Davon ausgehend, dass die Performance auch in der Steuerung selbst gesteigert wurde – sie ist zwischen sieben- und zehnmal schneller als die heutigen Steuerungsfamilien -, wurde auch Wert gelegt auf ein integ-riertes Display, das schon Diagnosemöglichkeiten gibt, ohne überhaupt ein Programmiergerät oder Ähnliches anzuschließen. Das war von vorneherein ein Highlight. Und wir haben auch versucht, die Steuerung einfach nutzbar zu machen. Auch bei den Peripheriekomponenten haben wir darauf Wert gelegt, dass der Anwender mit einer Push-in-Technologie erstmalig die Ein- und Ausgangssignale einfach verdrahten kann. Zusätzlich haben wir auch das Ablaufkonzept geändert, was aufgrund der höheren Geschwindigkeit notwendig war. Einige Teile des Ablaufkonzepts wurden jetzt in die Engineering-Software verlagert, in das TIA-Portal. Somit sind Prüfungen, die vorher noch in der der Maschine – in der -300 oder -400 – abgehandelt werden mussten, nicht mehr notwendig und wir können damit diesen extremen Performance-Gewinn machen, den wir sonst bei ungefähr gleichem Hardware-Aufwand nie erreicht hätten.

Mit dem TIA-Portal und auch im Zusammenhang mit der neuen Steuerungsgeneration: Würden Sie sagen, dass das Thema der Integration damit abgerundet bzw. an einer Art Höhepunkt angekommen ist?

Schott: Ich sagte eingangs bereits, dass wir das auch in Stufen weiter einführen werden, also es z.B. weitere CPUs geben wird. Und unser Ziel ist es, das immer mehr in eine horizontale und vertikale Integration weiter zu bringen. Vertikale beginnt mit MES in die Steuerungsebene und geht bis in die Feldebene. Hier werden wir insbesondere im Zusammenspiel MES – HMI noch weitere Neuerungen in der Zukunft sehen. Aber auch in der Horizontalen, das heißt im Engineering-Prozess. Und hier integriert in die sogenannten PLM-Tools, also vom Design des Produkts unserer Kunden über das Design der Anlage bis hin zum Generieren der Software für die Steuerungsfamilien und für das Bedienen und Beobachten. Das ist unser Ziel. Das werden wir in Schritten angehen. Die ersten Schritte sind mit dem TIA-Portal getan. Aber wenn Sie jetzt fragen: \“Sind wir am Ende?\“, sage ich klar: \“Nein.\“ Das werden wir wahrscheinlich nie sein. Aber wir haben für die nächsten fünf Jahre klare Ziele, an denen wir arbeiten wollen. Dass, wenn wir näher an diese fünf Jahre rücken, es wieder neue Ziele geben wird, liegt auf der Hand.

Ja, es gibt auch neue Funktionalitäten. Wie Sie sagten, auch dieser gesamte Engineering-Prozess ist ja in sich gesehen auch komplex und besteht aus einer Vielzahl von Tools und Hardware.

Schott: Ja klar. Einmal wird er komplexer, auf der anderen Seite erwarten unsere Kunden, dass es einfacher wird. Also mehr Komplexität, die einfach und produktiver handhabbar ist. Das ist auch das Hauptziel, das wir mit dem TIA-Portal versucht haben zu erreichen, nämlich \’easy to use\‘, Produktivität und intuitiv bedienbar. Das sind so die Highlights, die bei der Entwicklung zugrunde gelegt wurden. (mbw)n

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Siemens AG
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