Nachfolgeregelung Teil 2

Interview zur neuen Steuerungsgeneration S7-1500 und der neuen Version des TIA-Portal
In SPS-Magazin 1+2/2013 haben wir den ersten Teil zum Interview von SPS-Magazin Chefredakteur Martin Buchwitz mit dem Siemens-Manager Thomas Schott veröffentlicht. In diesem zweiten Teil geht es speziell um die Themen Safety, Security und Antriebstechnik.

Die neue Steuerungsfamilie beinhaltet auch die funktionale Sicherheit. Bisher gab es immer die Situation, dass ich zwei unterschiedliche Steuerungssysteme benötigt habe, einmal für die funktionale Sicherheit, einmal ein herkömmliches SPS-System. Ist es denn bei der S7-1500 so, dass ich keine separate Sicherheitssteuerung mehr benötige?

Schott: Das haben wir ja konsequent verfolgt, nämlich die Integration der Sicherheitstechnik in die Standard-Umgebung. Weil unsere Anwender – wenn sie Sicherheitstechnik in ihrer Anlage haben – diese erstens genauso projektieren, parametrieren wollen wie im Standard. Sie wollen zweitens nichts anderes lernen und auch keine weitere Programmiersoftware einsetzen. Und letzten Endes wollen sie auch die Hardware-Elemente, sei es die CPU oder die Ein- und Ausgänge, in die Standardkonfiguration mischen. Dies haben wir konsequent in der S7-1500 integriert. Unsere Kunden bekommen also die S7-1500 mit Safety integrated und können das genauso projektieren und programmieren, wie sie das im Standard gewohnt sind. Sie fügen dann mit zentraler oder dezentraler Peripherie die Eingangs- und Ausgangselemente mit sicherheitstechnischer Funktion ein, an dem Ort, an dem sie dies wirklich benötigen. Damit bieten wir dem Anwender eine durchgängige, homogene Landschaft. Und er benötigt keine separate sicherheitstechnische Steuerung mehr.

Wir hatten zuvor schon über das Thema Security gesprochen, im Zusammenhang mit dem TIA-Portal. Da haben Sie angesprochen, dass es im TIA-Portal möglich ist, die entsprechende Konfiguration zu machen. Wieviel Security-Funktionalität ist in den Steuerungen und ist dieser Schutz aus Ihrer Sicht ausreichend? Oder was braucht es noch zusätzlich, um den Bedrohungen Herr zu werden?

Schott: Bevor ich mit unseren Kunden über die Security-Technik in unseren Steuerungen spreche, betone ich immer erst gerne: Die Sicherheit der Anlage beginnt beim Pförtner. Das ist meist ein Denkanstoß für das weitere Gespräch. Zur Sicherung einer Anlage sind geeignete Maßnahmen zu treffen. Ein gutes Bild hierfür ist ein Schalenmodell. Die äußerste Schale kann der Eingang in die Anlage sein und die inneren Schalen reichen dann in Stufen bis zu den Steuerungen selbst. Mit der S7-1500 haben wir das Security-Level deutlich nach oben geschraubt. Z.B. ist ein Zugriffschutz von außen implementiert – sei es über die Programmiersoftware oder auch die Bedien- und Beobachtungsgeräte. Zusätzlich gibt es den Manipulationsschutz, das Gerät kann nicht gestoppt werden oder die Software kann nicht verändert werden. Und wir haben – neben den Manipulationsthemen – Funktionen für den vielfach von unseren Anwendern geforderten IP-Schutz realisiert: um also die Software, die das Know-how für die Maschine enthält, zu schützen. Dem haben wir z.B. Rechnung getragen, dass Bausteine, die dieses Wissen enthalten, nicht mehr ausgelesen und verwendet werden können. Oder auch, dass das Speichermodul für das Programm bei eingeschaltetem Security-Level nicht ohne Weiteres von einer CPU auf die andere übertragen werden kann. Mit diesen Mechanismen haben wir das Security-Level ein ganzes Stück nach oben gebracht. Wobei ich sicher sagen kann, Security ist immer endlich und es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Wir nehmen das Thema weiter sehr ernst, nachdem es in der Vergangenheit in der Industrie wohl von allen etwas stiefmütterlich behandelt worden ist. Und die eher dedizierten und damit exotischen Industriesysteme wohl nicht im Fokus potenzieller Angreifer lagen. Heute ist die Office-Welt mit ihren Standards in der Industrie verbreitet und Security auch Thema in der Industrie. Genutzt werden Ethernet als Kommunikationsmittel und Microsoft-Betriebssysteme für Bedien- und Beobachtungsgeräte. Dem müssen wir in der Industrie einfach Rechnung tragen. Mit der neuen Steuerungsfamilie im Zusammenspiel mit dem TIA-Portal und unseren HMI-Geräten, haben wir einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht und sehen uns auf gutem Weg.

Ich möchte gerne beim Thema Integration bleiben. Zur Antriebstechnik: Wo liegen Ihrer Meinung nach – bezogen auf das neue System – die Grenzen der Antriebsintegration? Wo muss man sagen, dass etwas mit einer SPS-Steuerung mit Antriebsintegration nicht mehr möglich ist und auf eine Robotersteuerung oder eine CNC-Steuerung zugegriffen werden muss?

Schott: Wir unterscheiden mehrere Level der Antriebsintegration – auch hier in einem Stufenmodell. Dies beginnt – auch gezeigt auf der SPS IPC Drives – jetzt mit der Integration der so genannten Sinamics G-Familie. Das sind im Wesentlichen die Standard-Antriebe, die über dieselbe Projektier- und Programmiersoftware, TIA-Portal, sehr einfach parametriert und an die Steuerung angebunden werden können. Die Sinamics G-Antriebe bleiben aber immer noch eine separate Hardware. Was wir antriebstechnisch in die neue Simatic-1500- und TIA-Portal-Technologie integriert haben – bereits mit der 1200 gestartet – ist Motion Control. Die 1200 verfügt über einen Basic Motion Control Level, in der S7-1500 ist jetzt Standard Motion Control integriert. Aber das ganze spielt sich softewaretechnisch ab. Der Antrieb wird sich nicht in die Steuerung bewegen, sonder die Steuerung wird in der Lage versetzt, Antriebe anzusteuern und Soll-Werte vorzugeben. Und das lässt sich sehr leicht über das TIA-Portal projektieren und parametrieren, weil diese Software über eine Datenbasis mit einer Kommunikationstechnologie verfügt. Motion Control ist bereits zu einem bestimmten Level als Projektiersoftware im TIA-Portal und als Runtime-Software in der S7-1500. Die Interpolation bleibt einer nächsten Stufe vorbehalten, sodass unsere Anwender auch wählen können, ob sie mit Basic, Standard oder in der Zukunft mit Advanced Motion Control arbeiten möchten. Wir sehen zunehmend ein Zusammenwachsen von Antrieb und Motion mit der Verknüpfungstechnologie zu einem Angebot. Kein Schnitt mehr, um auf der einen Seite den Antrieb und auf der anderen Seite die Steuerung mit ihrer Verknüpfungstechnologie – mit unterschiedlicher Projektier- und Programmiersoftware zu projektieren und parametrieren. Der Anwender fordert alles aus einem Guss. Dieser möchte einen Parameter in der Steuerung eingeben, diesen dann in der Antriebstechnik weiterverwenden und ihn anzeigen auf einem Bedien- oder Beobachtungsgerät anzeigen lassen – oder ihn dann noch über Profinet an weitere Steuerungen weiterreichen, oder von der führenden Achse an Folge-Achsen weitergeben.

Das zeigt ja letztlich auch wieder die Bedeutung des TIA-Portals als Engineering-Plattform für diese ganzen Automatisierungsfunktionen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, war es Anfang/ Mitte der 90er Jahre als Siemens mit \’Totally Integrated Automation\‘ an den Markt gegangen ist. Mich würde jetzt interessieren, wenn Sie mit wenigen Sätzen die mittelfristige bis langfristige Ausrichtung von Siemens im Bereich der Automatisierungstechnik beschreiben würden, wie würden Sie dies beschreiben?

Schott: 1996 sind wir mit der Grundidee \’Totally Integrated Automation\‘ an den Markt gegangen: in einer immer komplexer werdenden Automatisierungslandschaft das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten einfacher machen. Und wir haben mit den Technologiemitteln begonnen, die damals möglich waren. Und wenn Sie das jetzt mit dem Thema 1500 TIA-Portal und auch der zunehmenden Integration in PLM-Tools vergleichen, dann sind wir natürlich – jetzt würde ich nicht sagen Welten, aber Jahrzehnte – weiter in diesem Thema. Und das wird uns auch weiter begleiten: also die einfache Integration in horizontaler und vertikaler Weise für die Zukunft. Unser Anspruch ist, dass die Anwender einfacher mit der komplexer werdenden Systemtechnik, mit den komplexer werdenden Automatisierungsprodukten umgehen können. Dass sie auf der einen Seite die Möglichkeit haben, diese in der Produktion an überlagerte Ebenen anzubinden, sei es an MES und ERP, aber auch in den Engineeringprozess. Und auf der anderen Seite, dass sie die Produktion mit dem eigentlich wichtigsten Engineeringprozess, dem Design des Produkts, verknüpfen können. Wir arbeiten für unsere Kunden an der Durchgängigkeit vom Design des Produkts über das Design der Anlage bis hin zum Umsetzen der Automatisierungsaufgabe. Das sind spannende Aufgaben, die uns in Zukunft noch viel stärker begleiten werden. Dies wird noch hohe Ansprüche an die Softwareintegration stellen, um mehr Produktivität zu generieren und unseren Kunden die Wiederholbarkeit leicht zu machen. Sodass sie ihre Automatisierungsaufgabe wie aus dem Baukasten erledigen können.

Das heißt für Sie, dass die Bedeutung der Software weiter steigt?

Schott: Absolut. Jetzt könnte man natürlich sagen, die 1500 wäre ein Stück Hardware. Aber es ist jede Menge Software als Firmware in der Steuerung enthalten. Diese erweckt Betriebssystem diese Hardware zum Leben und ermöglicht es dann dem Kunden die entsprechende Applikationssoftware in die Steuerung zu laden und damit seinen Prozess zu steuern. Software wird noch weiter wachsen – in der Steuerung selbst und außen herum, für das Projektieren, Parametrieren und Diagnostizieren. Begleitend dazu das Thema Maintenance über den gesamten Prozess. Z.B. haben sich in der Automobilindustrie die Anlaufzeiten über die letzten zehn Jahre gedrittelt: Also in 30% der Zeit muss heute der Anlauf funktionieren. Ganz einfach erwarten unsere Kunden, dass wir ihnen dafür die richtigen Tools und dazugehörige Hardware zur Verfügung stellen. Die größten Hebel liegen hierbei im effizienten Zusammenspiel aller Komponenten und insbesondere der Software. Daran arbeiten wir.

Herr Schott, ganz herzlichen Dank für das Interview!

www.siemens.de

Siemens AG
http://www.siemens.de

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