Moderne Antriebstechnik: Intelligente Antriebe ermöglichen dezentrale Architekturen

Intelligente Antriebe haben die Automatisierungsanlagen in den vergangenen Jahren stark verändert. Denn diese Antriebe können direkt im Feld montiert werden und vereinfachen somit die Installation, den Verdrahtungsaufwand sowie die Wartung. Quasi nebenbei entsteht mehr Platz im Schaltschrank, der dann auch in das Maschinenbett integriert werden kann.

Durch den Einzug der Feldbussysteme in die Automatisierungstechnik werden an die einzelnen Komponenten geänderte Anforderungen gestellt. Moderne Maschinenkonzepte verlangen immer mehr nach intelligenten, dezentralen Antrieben. Durch ihren Einsatz erzielt man eine hohe Produktqualität, Rationalisierungseffekte, Energieeinsparung, geringe Wartungskosten und somit in Summe eine Kos­tenreduzierung. Die Notwendigkeit intelligente, dezentrale Antriebe einzusetzen, wurde von den Anwendern früh erkannt. Das führte zu verschiedenen Ausführungen in der Servotechnik. Die Qualität des Antriebs, dazu zählt im Besonderen die Dynamik der Drehzahl- und Lageregelung, stellt den wesentlichen Parameter zur optimalen Prozesssteuerung dar.

Steuerungssysteme für flexible Automatisierung

Die heute noch oftmals anzutreffende Aufteilung der Komponenten in der Anlage existiert seit Beginn der Servotechnik und hat sich bewährt. Dabei werden die einzelnen Funktionselemente separat angeordnet. Derartige Systeme kommen auch heute noch zum Einsatz, werden aber zunehmend von den höher integrierten Lösungen verdrängt. Ein wesentlicher Vorteil besteht in der freien Kombination der Funktionselemente in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Herstellerauswahl. Außerdem kann hier jeder Punkt des Antriebs mit konventioneller Messtechnik erfasst werden. Die Einführung intelligenter digitaler Servoregler seit Mitte der 90er Jahre brachte viele Vereinfachungen und eröffnete neue Möglichkeiten. Bild 1 zeigt das aktuelle Konzept. Die bisher getrennten Funktionen konnten durch Einsatz leistungsfähiger Prozessoren in einem Gerät vereinigt werden. Nachteilig ist hier die notwendige Motoranpassung und der immer noch vorhandene Verdrahtungsaufwand. Die Kombination von Motor, Leistungselektronik, Regelelektronik und Feldbussystem in einem Gerät war meist aus technischen und wirtschaftlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Die digitalen Servoverstärker sind heute das Standardprodukt zur Lösung von Antriebsaufgaben. Daneben sind für kleine Leistungen analoge Servoverstärker im Einsatz.

Der intelligente integrierte Antrieb

Die Entwicklung im Bereich der Elektronik hat im Bereich der Mikroprozessoren zu teilweise drastischen Leistungssteigerungen geführt. Gleichzeitig fand eine Verbesserung der Parameter verschiedener Elektronikkomponenten statt. Diese Entwicklung gepaart mit moderner Servomotorentechnologie und der Erfahrung aus der digitalen Antriebstechnik führten zu den heute verfügbaren kompakten Antrieben. Die integrierten Antriebe haben ein hohes Maß an Leistungsfähigkeit und Funktionalität und eröffnen neue Lösungsmöglichkeiten. In Bild 3 wird deutlich, wie stark diese Konzentration war. Daraus wird die dramatische Reduzierung des Aufbaus und Setups einzelner Komponenten, der Verdrahtung und des Platzbedarfs deutlich. Derzeit sind nicht alle Anwender in vollem Umfang mit der neuen Technologie vertraut und verlieren somit die Möglichkeiten, ihre Maschine oder Anlage modern und optimal zu gestalten. Zudem sind derzeit integrierte Systeme meist in der Leistung begrenzt und überschreiten die 100 bis 200W-Leistungsgrenze nicht. Dadurch ist auch der Anwendungsbereich begrenzt. Daraus abgeleitet stellt der Anwender die Forderung nach leistungsfähigeren integrierten Antrieben, die diese Leistungsgrenze überschreiten und dadurch den Anwendungsbereich vergrößern. Ein weiterer Vorteil der Prozessorsysteme ist die Transparenz der Daten. Ob physikalische Daten wie Strom, Drehzahl oder Position, so sind auch alle digitalen Zustandsdaten jederzeit verfügbar. Hierzu benötigt man außer der dazugehörigen Kommunikationssoftware nur noch einen Standard-PC. Kostspielige Messgeräte werden zur Inbetriebnahme nicht mehr benötigt. Zudem verfügen die integrierten Antriebe der Baureihe BME über eine \’remote ­access\‘-Funktion und können somit von einem beliebigen Punkt des LANs oder über das Internet diagnostiziert werden.

Integrierter Servoantrieb auf EC-Motorbasis

Die Baureihe BME ist ein integrierter Servoantrieb, der aus Servomotor, gegebenenfalls Getriebe, Leistungselektronik, Signalverarbeitung, Feldbusinterface und angepasster Stromversorgung besteht. Auf der Grundlage eines modernen DSP-Systems werden für den Anwender alle notwendigen Funktionen bereitgestellt. Somit kann sich der Anwender vollständig auf die Applikation konzentrieren, ohne auf Details des Zusammenspiels zwischen den einzelnen Komponenten des Servosystem eingehen zu müssen. Das wird vor allem durch die hohe Dynamik und Linearität der Regelung und aller untergeordneten Komponenten erreicht. Die Baureihe BME – Basic Motion Element – ist ein dynamischer Servoantrieb auf EC-Motorbasis. Der integrierte Antrieb ist ein Gemeinschaftsprodukt der Mesa Automation GmbH Berlin und der Mavilor Motors SA Barcelona. Mit dem Gerät werden Drehmomente von bis zu 6Nm und eine Spitzenleistung von bis zu 2kW erreicht.Die Abtastzeit der Lageregelung beträgt 250µs, die untergeordneten Regelkreise haben entsprechend kürzere Abtastzeiten, somit können mehrere Achsen einfach synchronisiert werden. Die Parametrierung kann zusätzlich zu der vorhandenen RS232-Schnittstelle über den Feldbus erfolgen. Neben den Betriebsarten Satzfahrt, Profilfahrt und Interpolation sind einfache Drehzahl- und Stromregelung möglich. Die vorhandenen digitalen Ein- und Ausgänge sowie ein analoger Eingang ermöglichen vielfältige Anwendungen. Durch die galvanische Trennung der einzelnen Bereiche wie Feldbus, E/A, Leistungsversorgung und RS232 ist ein zuverlässiger Betrieb unter schwierigen Bedingungen möglich. Die integrierte Elektronik ist für eine Betriebstemperatur von 85°C ausgelegt und ermöglicht einen kurzzeitigen Anstieg um einige 10°C. Durch die Konstruktion ist eine gute thermische Abstimmung zwischen Motor und Elektronik erreicht worden.

Servoantriebe positionieren industrielle Schneidysteme

Folgendes Praxisbeispiel zeigt die Vorteile des Systems. Es handelt sich um einen XY-Tisch zum industriellen Schneiden von unterschiedlichen Materialien in einer Breite von 2m und einer Länge von ca. 8m. Dabei kommen verschiedene Schneidsysteme zum Einsatz, die jeweils entsprechend durch einen Servoantrieb kontinuierlich positioniert werden müssen. Insgesamt müssen fünf Achsen koordiniert werden. Davon werden drei Achsen interpoliert betrieben. Besonders bei Maschinen mit Schleppkabel sind die Vorteile des integrierten Antriebs spürbar. Wog das Schleppkabel bisher rund 4kg, konnte es durch Einsatz des integ­rierten Antriebs auf unter 0,5kg reduziert werden. Der integrierte Antrieb wiegt dabei kaum mehr als ein herkömmlicher Servomotor vergleichbarer Leistung, da die robusten und somit schweren Stecker am Motor entfallen. Damit ergibt sich bei gleicher \’Motorisierung\‘ ein verbessertes dynamisches Verhalten.

Bahnkurvensteuerung mit CANopen

Die durch CAN-Bus vernetzten Achsen werden mit einer Zykluszeit von 2 bis 4ms im \’Interpolated mode\‘ betrieben. Durch die zusätzliche Interpolation im integrierten Antrieb ergibt sich eine gute Bahngenauigkeit. Die sich in X-Richtung bewegende Brücke wird von zwei integrierten Antrieben sysnchron bewegt. Dafür ist die Generierung nur eines Sollwertes notwendig. Die interne Schleppfehlererkennung der integrierten Antriebe wird zur Überprüfung der Synchronität genutzt. Für die Steuerung ist somit nur eine Achse zu verwalten. Durch diese Konstruktion ist der Schaltschrank fast leer und kann somit in das Maschinenbett ohne zusätzlichen Aufwand integriert werden. Auch die bisher übliche Schrankkühlung kann entfallen. Das ist möglich, da die bisher von der Leis-tungselektronik erzeugte Wärme sich nicht mehr im Schaltschrank konzentriert, sondern über die Maschine verteilt abgegeben wird.

Digitale Eingänge frei konfigurierbar

Durch die frei konfigurierbaren digitalen Ein- und Ausgänge (EAs) konnte auf zusätzliche EA-Module in der Steuerung verzichtet werden. Die notwendigen Informationen werden vom integrierten Antrieb erfasst und über das Bussystem an die Steuerung weitergegeben. Da die Antriebe an verschiedenen Punkten der Maschine platziert sind, konnte im konkreten Fall auch der Verdrahtungsaufwand für die Sensoren verringert werden. Damit war der Weg frei für ein integriertes Steuerungs/HMI-System in Form eines Touchpanels. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Achsen wird über den standardisierten CAN-Bus mit CANopen-Protokoll durchgeführt. Viele Überwachungsfunktionen werden im integrierten Antrieb eigenständig ausgeführt und belas-ten die Steuerung somit nicht. Dazu gehören u.a. die Überwachung der Betriebsspannungen verschiedener Grenzwerte (Strom, Drehzahl, Position), des Gebersys-tems und der Temperatur von Motor und Elektronik. Da diese Werte bei Bedarf auch über das Bus­sys­tem zur Verfügung stehen, kann je nach Situation der gegebenenfalls kritische Parameter überwacht und ein Maschinenstillstand rechtzeitig verhindert werden.

Programmierung und Inbetriebnahme

Die Inbetriebnahme und Programmierung des integrierten Antriebs wurde durch folgende Punkte erleichtert: Der Antrieb wird in der gewünschten Konfiguration geliefert, das Protokoll ist standardisiert, die mitgelieferte PC-Software ist grafisch gestaltet und benutzt die üblichen Begriffe der Servotechnik. Das Handbuch ist in die Bereiche Hardware, Feldbus (CANopen, Profibus), Bediensoftware und Inbetriebnahme gegliedert. Die voreingestellten Parameter ermöglichen eine Inbetriebnahme ohne langwierige Setup-Prozedur. In vielen Fällen müssen keine oder nur geringfügige Änderungen an den Parametern vorgenommen werden, um einen lauffähigen Antrieb zu erhalten. Bei dem ausgeführten XY-Tisch konnten die Werksparameter der integrierten Antriebe unverändert beibehalten werden. Die Optimierung der integrierten Antriebe ist durch die in der Bedienoberfläche enthaltenen Hilfsmittel, wie z.B. das Digitalscope, einfach und schnell möglich. Es können z.B. verschiedene Referenzkurven zur Erfolgskontrolle genutzt werden. Für die Langzeitbewertung des Temperaturverlaufs steht ein yt-Schreiber zur Verfügung, der zusätzlich den Motorstrom und die Drehzahl aufzeichnet. Die Dokumentation erfolgt durch verschiedene Protokoll- und Speichermöglichkeiten sowie die Übertragung der Daten in Tabellenkalkulationen oder Textprogramme. Die integrierten Antriebe ermöglichen dem Anwender also eine ökonomische Lösung. Durch die vorhandenen digitalen E/As und den vorhandenen analogen Eingang kann der integrierte Antrieb zusätzliche Aufgaben übernehmen. In der ausgeführten Maschine wurden auf der Antriebsseite im Vergleich zum klassischen System Materialkosten von ca. 10% eingespart. Hinzu kommen außerdem die erzielte Leistungssteigerung des Systems und die verringerten Montagekosten.

MESA Automation GmbH
http://www.mesa-berlin.de

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