Mobile Automation mit Sicherheit

Effizienz, Komfort und Sicherheit für mobile Arbeitsmaschinen
Dass der Markt der mobilen Arbeitsmaschinen ein absoluter Wachstumsmarkt für die Automatisierungstechnik ist, das ist unbestritten. Eines der Unternehmen, das bereits seit vielen Jahren in dieser Branche erfolgreich aktiv ist, ist Sensor-Technik Wiedemann aus dem schönen Allgäu. Wir haben uns mit Markus Frey, Mitarbeiter aus dem Vertrieb, Andreas Huster, Projektmanager Messtechnik und Sensorik,und Kai Niestroj, Projektmanager bei STW und verantwortlich für Safety-Projekte, über Unternehmen, Markt und Technologie unterhalten.

Sensorik ist ja Teil des Namens des Unternehmens Sensor-Technik Wiedemann. Wie ist das Unternehmen entstanden?

Frey: Der Name Sensor-Technik kommt natürlich von der Sensorik. Es fing alles mit Wolfgang und Katharina Wiedemann an, die ihre eigenen Drucksensoren entwickeln und fertigen wollten. Später folgte dann der Einstieg in die Steuerungstechnik in Zusammenarbeit mit einem Landmaschinenhersteller hier aus der Gegend.

Wissen Sie ungefähr, wie viele Jahre das in etwa nach Start des Unternehmens waren, wo es dann in Richtung mobile Automation ging?

Niestroj: Die Gründung des Unternehmens erfolgte im Jahr 1985, der Einstieg in die mobile Automation dann im Jahr 1989.

Wie entwickelt sich der Markt für die mobile Automation aus Ihrer Sicht?

Frey: Er geht sehr stark in die Richtung Teleservice / Telemetrie. Für die Maschinenhersteller und -bediener ist es immer wichtiger geworden, aktuelle Daten über die Maschine verfügbar zu haben. Auch die Bereiche Fahrerassistenz-Systeme oder Maschinenbediener-assistenz-Systeme, werden immer bedeutender.

Huster: Es zeigt sich auch ein Trend hin zu allgemein anspruchsvolleren Produkten bezüglich Selbstdiagnose, Zuverlässigkeit und funktionaler Sicherheit.

Wo sehen Sie den Treiber der Automatisierung? Im Fertigungs-Maschinenbau war es ja so, dass es um Effizienz- und Produktionssteigerung ging. Ist das mit der mobilen Automation vergleichbar?

Frey: Natürlich spielt Effizienz immer eine große Rolle. Die Maschinen haben eine hohe Einsatzdauer und stellen für die Endkunden eine große Investition dar. Daher muss die Effizienz neuerer Maschinen natürlich steigen. Eine weitere Rolle spielt der Bedienkomfort. Moderne Maschinen werden immer komplexer. Hier geht es darum, dem Bediener möglichst viele Hilfestellungen zu bieten, um die Maschinen einfacher bedienen zu können.

Huster: Einfacher und vor allem auch sicherer. Das Thema funktionale Sicherheit oder hochausfallsichere Sensorik bzw. Steuerungstechnik gehört dazu. Also nicht nur die durch Normen geprägte funktionale Sicherheit, sondern eben auch Transmitter, die eine besondere Robustheit besitzen, Steuerungen mit einem besonders robusten Gehäuse, Eigendiagnose, Fehlererkennung, die die Servicefreundlichkeit erhöhen soll. Es geht nicht immer nur um Einhaltung des Produktsicherheitsgesetzes.

Wo in diesem sich stark entwickelten Markt sehen Sie als STW ihre besonderen Stärken, die Sie in die Waagschale werfen können?

Huster: Wir verfügen über ein sehr großes Know-how, was funktionale Sicherheit angeht, und unsere Technologien sind sehr ausgereift. Eine unserer Kernkompetenzen liegt sicherlich in unserer großen Flexibilität auf spezifische Kundenwünsche einzugehen, sowie in technisch komplexen, beratungsintensiven Lösungen für unsere Kunden. Wir haben modulare Systeme, die man in der Steuerungs- und Messtechnik sehr individuell konfigurieren kann. Wie in der Messtechnik, spielt im Technologiefeld Teleservice Modularität eine sehr wichtige Rolle. Die Modularität haben wir dem hohen Anteil an STW eigenen Entwicklern zu verdanken. Von gut 400 Mitarbeitern im Unternehmen sind 130 in der Entwicklung tätig. Das heißt natürlich auch, dass wir sehr schnell kundenspezifische Steuerungen, Sensoren usw. bis zur Serienreife entwickeln können.

Wie haben Sie das Thema Modularität gelöst?

Huster: Bei den Drucktransmittern ist das Thema so gelöst: Wir haben für die Drucktransmitter eine Art Baukastensystem entwickelt. Das heißt, die Geräte werden erst nach Bestelleingang aufgebaut. Wir haben keine fertigen Transmitter im Lager liegen und können trotzdem sehr kurze Lieferzeiten realisieren. Das modulare System der Drucktransmitter ist so flexibel aufgebaut, dass wir aus mehreren Dutzend verschiedenen Systemanschlüssen wählen können. In Kombination mit unterschiedlichen Ausführungen in der Elektronik für das Ausgangssignal und einer Vielzahl von Steckern bekommen wir eine praktisch beliebig hohe Anzahl an Varianten unserer Drucktransmitter. Das Ganze ist so aufgebaut, dass wir innerhalb kürzester Zeit so ausliefern können, wie es der Kunde benötigt.

Frey: Die Teleservice-Module sind ähnlich modular. Wir haben ein festes Grundmodul mit dem Prozessorsystem sowie gewissen Schnittstellen wie CAN oder auch Ethernet. Weiterhin gibt es noch die verschiedenen Optionen GSM, WLAN, Bluetooth oder GPS, welche über eine Kommunikationsplatine bestückt werden.

Niestroj: In der Steuerungstechnik sind wir vergleichbar aufgestellt. Am konkreten Beispiel der ESX-3XL ist es folgendermaßen gelöst: Diese kann mit bis zu sechs Erweiterungsboards bestückt werden, so stehen dem Applikationsentwickler verschiedenste Steuerungsvariationen offen. Die Erweiterungsboards können in beliebiger Kombination in das Gerät eingebaut werden. Diese können die verschiedensten Funktionalitäten, wie z.B. USB, Ethernet oder CAN, übernehmen. Andere Erweiterungsboards stellen unterschiedliche E/A-Funktionalitäten mit verschiedener Genauigkeitsklassifizierung bereit. Aktuell besitzen wir die Möglichkeit, zehn Millionen unterschiedliche Varianten zu erzeugen.

Befinden sich die Erweiterungsboards in einem separaten Gehäuse?

Niestroj: Die Boards sind fest im Gehäuse der Steuerung verbaut und können vom Anwender nicht gesteckt werden. Sie sind mit der Mainboardplatine verpresst bzw. verlötet.

Welche Rolle spielt Ethernet aktuell? Kann Ethernet oder eine andere Bus- bzw. Kommunikationstechnologie möglicherweise langfristig CAN ablösen?

Frey: Ethernet ist natürlich momentan noch kein Standard wie z.B. CAN. Es gibt in der Automatisierungstechnik sehr viele Ethernet-Protokolle. In der mobilen Automation hat sich Ethernet noch nicht als Standard etabliert. Viele unserer Kunden sind mit der Leistungsfähigkeit von CAN an der Grenze angekommen. In manchen Landmaschinen beispielsweise sind bis zu 15 oder 20 CAN-Schnittstellen parallel auf dem Fahrzeug. Hier kann Ethernet natürlich eine optimale Schnittstelle darstellen.

Bräuchte es aus Ihrer Sicht noch eine Spezialvariante für die mobile Automation?

Frey: Wenn sich von den vielen verfügbaren Ethernet-Protokollen eines zum Standard etablieren würde, dann sollte das ausreichen.

Das heißt, im Moment ist das für Sie weniger eine Frage der Technologie bzw. der technologischen Machbarkeit dessen, was da ist, sondern eher, dass sich die Branche Mobile Automation mal einigt und sagt \’Okay, wir gehen den Weg\‘?

Niestroj: Richtig, Ethernet ist weniger eine Frage der Technologie oder des Know-hows, sondern eher eine Frage nach dem Standard, welcher sich in der mobilen Automation durchsetzen wird. Unsere Geräte bieten, wie bereits erwähnt, Ethernet-Schnittstellen.

Wie werden die aktuell genutzt?

Frey: Das ist sehr unterschiedlich. Ethernet wird für Up- und Downloads von Fahrzeug- bzw. Diagnosedaten verwendet. Es gibt aber auch Kunden, welche die Ethernet-Schnittstelle verwenden, um zwischen Geräten zu kommunizieren. Zum einen zwischen mehreren Fahrzeugen, zum anderen zwischen mehreren Geräten auf einem Fahrzeug.

Zum Thema Energieeffizienz: Welche Schritte geht Ihr Unternehmen in Richtung der Elektrifizierung von mobilen Arbeitsmaschinen?

Frey: STW ist in diesem Bereich seit Langem aktiv. Unsere Mobil-Elektrische-Leistungs- und Antriebseinheit kurz MELA ist eine Maschine, die als Motor oder Generator betrieben werden kann. Hierbei ist es möglich, komplexe Antriebsstränge zu elektrifizieren und Bremsenergien zu rekuperieren. Diese Energie kann entweder zum Antrieb von Nebenaggregaten verwendet oder in einer Batterie zwischengespeichert werden. Für die Zwischenspeicherung bieten wir auch eigene modulare Batteriemanagementsysteme an.

Wo stehen wir heute mit dem Thema Elektrifizierung von mobilen Arbeitsmaschinen?

Frey: Verschiedene Kunden aus dem Sondermaschinenbau bieten bereits elektrifizierte Fahrzeuge mit unseren Komponenten an. Weiterhin arbeiten sehr viele Fahrzeughersteller bzw. Anbaugerätehersteller für die Landtechnik an dieser Thematik.

STW ist nach Ihren eigenen Angaben der erste Anbieter, der sicherheitsgerichtete Anforderungen eines Codesys-Designs nach IEC61131-3 bzw. -6 erfüllen kann. Wie sieht Ihr Konzept für eine mobile Arbeitsmaschine in Sachen funktionale Sicherheit aus?

Niestroj: Das stimmt. Sicherheitsgerichtete Codesys-Anwendungen gibt es zwar schon seit längerer Zeit, wir sind jedoch die ersten, die ein für SIL2-Anwendungen zertifiziertes Codesys Safety SIL2 auf Basis von Codesys V3 anbieten können. Auch bei dem nicht sicherheitsgerichteten Standard-Laufzeitsystem Codesys V3 können wir mehrjährige Erfahrungen nachweisen. Bezüglich der Frage nach dem Sicherheitskonzept ist die Situation so: Wir entwickeln nicht das Gesamtsystem, wie z.B. einen Kran. STW bietet ein sicherheitsgerichtetes frei programmierbares Steuergerät, die Bibliotheken zur sicherheitsgerichteten C- bzw. IEC61131-Programmierung sowie die für die Safety-Zulassung notwendigen Kennzahlen und Zertifikate. Der Anwender bleibt nach wie vor für die Zertifizierung seines Gesamtsystems verantwortlich.

Wo sehen Sie die mobile Automation in fünf Jahren und welche Rolle spielt STW dann dabei?

Niestroj: Der Trend geht ganz klar in Zukunft in die Miniaturisierung, da weniger Platz in mobilen Arbeitsmaschinen verfügbar ist – sei es in der Sensorik oder in der Steuerungstechnik. Man wird eine höhere Leistungsdichte pro Volumen haben, wenn man das physikalisch beschreiben möchte. Der Trend zeichnet sich klar ab: Die Maschinenrichtlinie ist gültig – das ist eine gesetzliche Vorgabe, abgehandelt im Produktsicherheitsgesetz, welches wiederum auf die harmonisierten Normen verweist. Deshalb wird kein Weg daran vorbeiführen, dass wir hier verstärkt auch funktionale Sicherheit machen. Wobei das für uns kein Problem darstellt, weil wir seit mehreren Jahren schon funktionale Sicherheit betreiben. Die neuen Herausforderungen sind zum einen leistungsfähigere Produkte, die natürlich auch höhere Datenraten für die Kommunikation zur Verfügung stellen. Zum anderen wird die Elektrifizierung von mobilen Arbeitsmaschinen weiter voranschreiten. Für beide Herausforderungen sind wir gut gerüstet.

Huster: Auch im Bereich Messtechnik wird es so sein, dass immer mehr Miniaturisierung bei steigender Leistungsfähigkeit und erhöhtem Funktionsumfang gefordert sein wird. Auch zeigt sich ein Trend in Richtung digitaler Signale, hohe Ausfallsicherheit und immer robustere Geräte. Energieeffizienz wird auch mehr und mehr zu einem Thema. Im Bereich Sensorik sind wir ebenfalls sehr gut auf die sich abzeichnenden Trends vorbereitet. Unsere ausgereiften Technologien und große Flexibilität werden uns auch in Zukunft erlauben, schnell auf die wachsenden Anforderungen in diesem Markt zu reagieren.

Frey: Im Bereich Teleservice entwickeln wir uns auch noch sehr stark weiter. Wir verwenden generell bei Steuerungstechnik und Teleservice neue Prozessoren. Diese immer leistungsfähiger werdenden Prozessoren werden in die Steuergeräte eingebunden. So können die Ansprüche der Kunden auch in der Zukunft erfüllt werden. Da sind wir in allen Bereichen, wie wir vorhin schon erwähnt haben, mit unserem hohen Anteil an Entwicklern in unserer Firma sehr gut aufgestellt. So können wir neue Technologien schnell auf den Markt bringen.

Das war ein gutes Schluss-Statement. Vielen Dank für das Interview.

STW Sensor-Technik Wiedemann GmbH
http://www.sensor-technik.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen