Kritische Schwingungen online aufspüren

Schwingungsüberwachung bis 100kHz bei Aluminiumproduzent
In Walzanlagen treten zahlreiche Schwingungen mit unterschiedlichen Resultaten auf. Diese können sich negativ auf die Lebensdauer und den Zustand der Anlage, aber auch auf die Produktqualität auswirken. In jedem Fall ist es erforderlich, das Schwingungsverhalten der Anlage genau zu kennen, um Verschleiß und Defekte entsprechend zu überwachen. Der Aluminiumproduzent Novelis weiß um die nachteiligen Auswirkungen von Schwingungen und nutzt zur Analyse und Intervention ein online-basiertes Condition-Monitoring-System, welches Prozessdaten aus der Anlage zusammen mit den Schwingungsdaten auswertet.

Schwingungen in Walzwerken können sich negativ auf die Produktivität, die Produktqualität und die Lebensdauer einzelner Anlagenkomponenten auswirken. Die Anlage kann so beeinträchtigt werden, dass Schädigungen wie Getriebedefekte oder Spindelbruch auftreten. Insbesondere beim Kaltwalzen nehmen Schwingungen einen entscheidenden Einfluss auf die Produktqualität in Form von Chatter-Marks (Rattermarken). Das sind quer zur Walzrichtung meist periodisch verlaufende Wellen auf der Bandoberfläche im µm-Bereich. Die Folgen sind eindeutig: Das Endprodukt ist von minderer Qualität oder Ausschuss, die Walzgeschwindigkeiten müssen in einen schwingungsfreien Bereich reduziert werden und Stillstandszeiten nehmen zu. Die Anforderungen an die Anlagen bezüglich Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Prozessstabilität sind aber enorm gestiegen. Die Betriebssicherheit der Anlagen lässt sich am besten mit einer Prozess- und Zustandsüberwachung herstellen. Novelis mit Hauptsitz in Atlanta, USA, produziert an 31 Standorten auf vier Kontinenten nahezu 20% aller gewalzter Aluminiumerzeugnisse weltweit. Um diese Position zu festigen, optimiert die Firma ihre Fertigungsprozesse, die Auslastung und die Produktivität stetig.

Maschinenschwingungen an Kaltwalzanlagen

Ein Element dieser Zielsetzung ist, die Maschinenschwingungen an den Kaltwalzanlagen datenbasiert und zustandsbezogen zu überwachen, daraus Diagnosen abzuleiten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dies will Novelis mit dem Condition-Monitoring-System ibalnSpectra factory erreichen, das als Pilotprojekt in den Anlagen im Werk Nachterstedt für onlinebasiertes Chatter-Monitoring installiert ist. Der Standort in Sachsen-Anhalt hatte schon länger ein Schwingungsmesssystem in Betrieb. Da dieses über eine separate Auswertung lief, konnten die Prozessdaten aus der Anlage nicht zusammen mit den Schwingungsdaten ausgewertet werden. Um die Schwingungen beim Walzen nicht nur zu erkennen, sondern gleichzeitig aus den erfassten Daten Defekte zu diagnostizieren, Kennwerttrends zu analysieren und daraus Maßnahmen für die Instandhaltung und Prozessoptimierung zu generieren, tauschte Novelis das bisherige Schwingungsmesssystem gegen ein System der iba AG aus. \“In den Gerüsten hatten wir zur Prozessanalyse bereits das Prozess-Daten-Aufzeichnungssystem ibaPDA eingesetzt. Deshalb war es sinnvoll, das ibalnSpectra als zusätzliches Add-On dieses Systems für das Chatter-Monitoring zu nutzen\“, erklärt Dr. Robert Krumbach, Leiter des Kaltwalzwerks in Nachterstedt bei der Novelis Deutschland GmbH. Das ibalnSpectra wertet die erfassten Signale nicht nur unter der Maßgabe von Condition-Monitoring-Vorgaben aus, sondern nutzt auch alle anderen relevanten Betriebsparameter. Nur so kann die Überwachung für die beim Condition Monitoring relevanten Daten bei gleichzeitiger Prozessüberwachung mit allen Maschinen-, Prozess-, Material- und Qualitätsdaten realisiert werden. Das System steht in verschiedenen Skalierungen für unterschiedliche Anwendungsszenarien zur Verfügung. Für die Überwachung im Kontext einer komplexen Anlage wie z.B. bei Novelis ist ibalnSpectra factory die geeignete Lösung. Mit ihr lassen sich die relevanten Rohdaten für das Condition Monitoring und die Prozessüberwachung fertigungsweit und produktionsübergreifend erfassen. Zudem lässt es sich herstellerneutral in jedes gängige Automatisierungssystem integrieren. In dieser Konnektivität der CM-Module sieht das Kaltwalzwerk von Novelis einen weiteren wichtigen Vorteil des Systems. Das Projekt in Nachterstedt startete im Februar 2012, seit Anfang dieses Jahres ist das Chatter-Monitoring nun in Betrieb. Wenn sich das Pilotprojekt in Nachterstedt als praktikabel erweist, plant Novelis das CM-System konzernweit zur Anwendung zu bringen. Die Konnektivität der Module ist Voraussetzung, um in einem Konzern mit rund 30 Produktionsstandorten weltweit eine Gesamtoptimierung vorzunehmen.

Schwingungen mit Abtastrate bis zu 100kHz erkennen

Kaltwalzanlagen verfügen über ein komplexes Schwingungsverhalten, ausgehend von Eigenschwingungen der Anlagenmechanik über Anregungen aus den Getrieben oder Lagern bis hin zu Anregungen durch Defekte oder Drehzahlveränderungen. Während des Walzens können sich Schwingungsanregungen unterschiedlicher Frequenzen und Entstehungsmechanismen überlagern und sich gegenseitig verstärken. Prozessbedingt sind Schwingungen bei neuen wie auch alten Anlagen nicht zu verhindern. Vielmehr geht es darum, sie mithilfe geeigneter Methoden so zu überwachen, dass Schäden jeglicher Art vermieden werden. Bei Novelis in Nachterstedt machte man die Erfahrung, dass Gerüstschwingungen in Abhängigkeit vom Belastungszustand unterschiedlich zu beurteilen sind: \“Beim Kaltwalzen wird das Coil an unseren Gerüsten bis auf eine Geschwindigkeit von 1.250m/min beschleunigt. Während der Beschleunigungsphase registrieren wir verschiedene Schwingungszustände mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Anlage und das Produkt\“, erklärt Dr. Krumbach. Die Walzen werden in sogenannten Einbaustücken gelagert. Die Schwingungen, die u.a. über die Einbaustücke initiiert werden, übertragen sich sofort auf das Gerüst. Deshalb hat Novelis an den Einbaustücken der beiden Walzgerüste Beschleunigungssensoren angebracht, die das Schwingungsverhalten überwachen und damit Aufschluss über das Schwingungsverhalten des kompletten Gerüsts geben. Der Walzwerksleiter erläutert: \“Die Einbaustücke verfügen über eine Eigenfrequenz im Niederfrequenzbereich. Sie schwingen bei Anregung also sehr langsam. Wenn aus den niederfrequenten Schwingungen hochfrequente werden, können wir z.B. auf Fremderregung schließen.\“ Um die Ursache für die Fremdschwingungen ermitteln zu können, bedarf es einer genauen Kenntnis der Schwingungsfrequenzen aller Elemente im Gerüst. Die Auswerteeinheit des CM-Systems, das Messwerterfassungssystem ibaPDA-V6, erfasst alle Sensoren mit bis zu 100kHz Abtastrate zeitsynchron, kontinuierlich und auf physikalische Einheiten skaliert. Das System wird in mehreren Varianten bezüglich der Signalanzahl angeboten. Zur Verfügung stehen Lizenzen für 64 bis 2.048 Signale sowie für eine unbegrenzte Anzahl Signale. Für die normale Messdatenerfassung stehen Zeitbasen von eins bis 1.000ms zur Auswahl. Für höhere Signaländerungsgeschwindigkeiten können auch kürzere Erfassungsraten bis zu 10µs realisiert werden. Ist ein Bauteil beschädigt, verursacht dies Schwingungen in einem bestimmten Frequenzband. Die von der Auswerteeinheit erfassten Zusatzschwingungen können auf Basis der Werte konkreten Bauteilen zugeordnet werden. Ist z.B. ein Kugellager mechanisch defekt, verursacht es hochfrequente Zusatzschwingungen von 1.200Hz. Ab diesem Frequenzband deuten die Schwingungen z.B. auf Lagerschäden hin.

Komplexes Schwingungsverhalten online überwachen

Eine erfolgreiche Zuordnung der Maschinenschwingungen ist möglich, wenn CM- und Prozessdaten miteinander in Echtzeit in Verbindung gebracht werden können. Dank des neuen CM-Systems ist es bei Novelis Nachterstedt erstmals möglich, Daten wie Geschwindigkeit, Walzkraft, Drehmomente, Temperatur und Walzöldruck online mit den Schwingungsdaten zu korrelieren. Um die Schwingungen positiv beeinflussen und sie minimieren zu können, kann Novelis die Einflussgrößen auf das Schwingungsverhalten auch online variieren. Dazu werden die Messdaten mit dem ibaQPanel auf dem Steuerstand der Leittechnik in Echtzeit visualisiert. Zusätzlich können Alarmmeldungen generiert werden, die entweder eine automatische Anpassung der Walzengeschwindigkeit auslösen oder eine manuelle Einstellung anstoßen. Bevor das Chatter-Monitoring-System eingesetzt wurde, gab es keinen exakten Rückschluss auf Ursachen für die entstehenden Schwingungszustände des Kaltwalzgerüstes. Für die werksübergreifende Analyse der Messdaten ist es von Vorteil, dass die Geräte zwar autark betrieben werden, aber die Daten über verschiedene Netzwerkschnittstellen an die zentrale Auswerteeinheit übertragen werden.

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iba AG
http://www.iba-ag.com

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