Industrial Ethernet: Ein universelles Netzwerk für die industrielle Kommunikation?

Die Verwendung ethernetbasierter Kommunikationslösungen in der Automatisierung findet heute weltweit breite Anwendung. Dabei gibt es für die Netzwerke der diversen Automatisierungsapplikationen zwar einige grundlegende, allgemeine Anforderungen, die Automatisierung ist jedoch keine homogene Welt, in der alle Applikationen den gleichen Funktionsumfang der Netzkomponenten erfordern. Im Gegenteil, die Unterschiede in den Anforderungen diverser Applikationen sind mitunter ebenso gravierend wie die Unterschiede von Industrial Ethernet zur allgemeinen IT-Kommunikation. Die Herausforderung liegt also darin, für die jeweilige Applikation die jeweils am besten geeigneten Netzkomponenten zu finden.

Dass die Kommunikation in der Büro- und der Automatisierungswelt gänzlich unterschiedlichen Prämissen folgt, ist heute ein allgemein akzeptiertes Faktum. Anwender, die sich bereits seit Längerem mit der industriellen Vernetzung beschäftigen, kennen auch die bekanntesten Merkmale, in denen sich Industrial-Ethernet-Netzkomponenten von ihren Office-Pendants unterscheiden. Typischerweise wird hier darauf verwiesen, dass Industrial-Ethernet-Komponenten für ihren Einsatzort einen erweiterten Temperaturbereich, Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und Vibrationen, 24VDC-Spannungsversorgung usw. aufweisen und über ein kompaktes Gehäuse für die Hutschienenmontage verfügen müssen. Hinzu kommen diverse Maßnahmen oder Funktionen, die die Netzwerkverfügbarkeit zusätzlich erhöhen. Einsatzfelder fordern Vielfalt in Bauform und Funktionalität Neben diesen allgemein bekannten Eigenschaften bestehen je nach Einsatzfeld weitere Anforderungen an Industrial Ethernet. So benötigen spezielle Netzkomponenten in IP65-Aufbautechnik für den mitunter in der Fertigungsautomatisierung verwendeten schaltschranklosen Netzwerkaufbau ganz andere Eigenschaften als Industrial-Ethernet-Netz­werkkomponenten, die diese hohe Schutzart nicht erfüllen müssen. Ein Beispiel ist eine aufwändigere Gehäuse- und Anschlusstechnik. Deshalb sind diese Komponenten in der Fertigung teurer als funktional vergleichbare IP20-Geräte. Damit wird klar, dass sich diese Geräte nicht für einen universellen Einsatz eignen, sondern neben dem schaltschranklosen Aufbau allenfalls für Sonderanwendungen Verwendung finden, etwa in Applikationen mit erhöhten Vibrationen, wo eine robuste Anschlusstechnik wie M12-Steckverbinder ihre Vorteile ausspielen kann. Netzkomponenten für die Fabrikautomatisierung platziert man typischerweise in Schaltschränken, in denen auch Steuerungs- bzw. Antriebskomponenten verbaut werden. In zentral stehenden Schränken ergibt sich meist ein erhöhter Bedarf an anzuschließenden Automatisierungskomponenten, der durch Switches mit hoher Portdichte adressiert wird. Wegen des in diesen zentralen, 60 bis 80cm tiefen Schaltschränken verfügbaren Platzes können diesen Portbedarf sowohl hochportige Kompaktgeräte als auch die in jüngster Zeit zunehmend verwendeten Geräte mit der aus den Office-Netzen bekannten 19\“-Aufbautechnik decken. Beide Arten von Geräten ermöglichen dabei sowohl den Anschluss von vorne als auch die Netzwerkdiagnose mittels LEDs an der Gehäusefront. Beim Aufbau des Automatisierungsnetzwerkes sind auch die dezentralen, flachen Schaltkästen der I/O-Komponenten zu berücksichtigen, in denen trotz beengter Einbauverhältnisse der komfortable Geräteanschluss von vorne und die Vor-Ort-Netz­werk­diag­nose verfügbar sein soll. Hierfür kommen entweder spezielle Switches in flacher Bauweise zum Einsatz oder I/O-Geräte mit bereits integ­rierter Switching-Funktionalität, sodass in diesem Falle auf separate Netzkomponenten verzichtet werden kann. Industrial Ethernet erschließt neue Marktsegmente Durch den Erfolg in der Fabrikautomation und weil die Geräte sowie die Softwarefunktionalität in diversen Normungsgremien ständig weiterentwickelt wurden, hat sich Industrial Ethernet mittlerweile auch für Anwendungen außerhalb der klassischen Fabrikautomation empfohlen, die im Folgenden beispielhaft erläutert werden. Ethernet-Netzwerke im öffentlichen Transport und Verkehr Seit mehreren Jahren werden Industrial-Ethernet-Netzwerke im Bereich \’Öffentlicher Transport und Verkehr\‘ verwendet. Dieser vielschichtige Bereich umfasst zum einen Anwendungen an Fahrzeugen wie Bussen, Zügen oder Schiffen, zum anderen Anwendungen zur Steuerung oder Überwachung von Fahrwegen wie Schienen, Straßen und besonders Tunnels. Spezielle Anforderungen in diesem Bereich sind beispielsweise erhöhte Vibrationsfestigkeit oder die Möglichkeit, große Strecken zu überbrücken. Einzug in Energieschaltanlagen aufgrund der Norm IEC61850-3 Mit Verabschiedung der Norm IEC61850-3 hat Industrial Ethernet Einzug in die Automatisierung von Energieschaltanlagen gefunden. Im Wesentlichen fordert diese Norm Eigenschaften, die Industrial-Ethernet-Switches bereits vorweisen. In einigen entscheidenden Punkten geht sie doch weit über die bekannten Anforderungen hinaus. Dazu zählt insbesondere die hohe Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), die Industrial-Ethernet-Switches in einem einfachen Kunststoffgehäuse nicht erfüllen können. Zudem lässt sich beim heutigen Stand der Technik die in diesem Bereich notwendige hochgenaue Uhrzeitsynchronisation (sogenannte 1-Step-Zeitsynchronisationsverfahren) nicht alleine durch Softwaremechanismen (gemäß IEEE1588) erreichen, es bedarf geeigneter Hardwareunterstützung. Die Anforderungen an die Spannungsversorgung weichen bei den Switches für die Energieautomatisierung ebenfalls häufig von der bekannten 24VDC-Versorgung der konventionellen Industrial-Ethernet-Switches ab. Zum einen sind wegen der höheren Verfügbarkeitsanforderungen in der Energieautomatisierung zwei getrennte Netzteile notwendig – die konventionellen Switches kommen dagegen in der Regel mit zwei getrennten Einspeisungen auf ein Netzteil aus. Als Einspeisespannungen sind zum anderen in der Energieautomatisierung neben 24VDC- auch Weitbereichsnetzteile mit Spannungsversorgungen von 100 bis 240VAC/60 bis 250VDC gefordert. Das sind also Netzteile, die über einen weiten nominalen Bereich sowohl mit Gleich- als auch mit Wechselspannung betrieben werden können, je nachdem welche Spannung gerade in der Schaltanlage zur Verfügung steht. Hier gibt es internationale Unterschiede zwischen den Ländern. Kontrovers diskutiert: Einsatz in der Gebäudeautomatisierung Die Verwendung von Industrial-Ethernet-Netzwerken in der Gebäudeautomatisierung wird kontrovers diskutiert. Eine Fraktion spricht sich dafür aus, das schon vorhandene IT-Netzwerk auch für die Datenübertragung der Gebäudeautomatisierung zu verwenden, um die Kosten für eine separate Infrastruktur zu sparen. Die andere Fraktion hält dagegen, dass sicherheitsrelevante Kommunikation wie z.B. Zugangserfassung oder auch Feuermelder nicht den dynamischen Verhältnissen des IT-Netzes unterworfen sein sollte. Switches in diesem Umfeld haben bei Gehäuseform, Portausprägung und Softwarefunktionalität wieder ganz spezifische Anforderungen zu erfüllen, gleichzeitig ist in diesem Bereich ein niedriges Preisniveau zu erwarten. Viele Komponenten zur Gebäudeautomatisierung (Sensoren, Aktuatoren) sind noch nicht mit Ethernet-Anschluss verfügbar. Daher ist es fraglich, ob dieser Markt bei der angesprochenen Preissensibilität attraktiv genug ist, damit mehrere Hersteller entsprechende Netzkomponenten anbieten werden. Industrial Ethernet-Switches in explosionsgefährdeten Bereichen Für die Verwendung von Industrial-Ethernet-Switches in Ex-Zonen, den explosionsgefährdeten Bereichen der Prozessautomatisierung, muss komplett umgedacht werden, denn in diesen Bereichen gilt es, Funkenbildung unter allen Umständen zu verhindern. Zunächst ist festzulegen, in welcher Ex-Atmosphäre der Switch installiert wird (gas- oder staubbelastete Umgebung), ob der Switch als eigensicheres Gerät oder in erhöhter Sicherheit (Ex e) gebaut wird. Darüber hinaus sind Zündschutzart, Explosionsgruppe und Temperaturklasse zu beachten. Weiterhin müssen auch die Spannungsversorgung und die Anschlusstechnik dem Installationsort und der Konstruktionsart des Switches genügen. Viele Netzkomponenten erfüllen heute die Anforderungen für den Betrieb in der Ex-Zone 2. Für dies Ex-Zone geeignete Endgeräte können direkt an diese Netzkomponenten angeschlossen werden. Sind die Endgeräte allerdings in der Ex-Zone 1 installiert, muss die in der Ex-Zone 2 installierte Netzkomponente die Funktion einer Barriere aufweisen und die Signalpegel der in die Ex-Zone 1 hineinragenden Netzwerkleitungen begrenzen. Aufgrund der skizzierten Randbedingungen bietet der Markt heute keine leistungsfähigen Switches (z.B. managebar, hohe Softwarefunktionalität, Übertragung hoher Datenraten) für Ex-Zone 1. Für Anwendungen in Ex-Zone 1 werden die für Ex-Zone 2 verwendbaren Netzkomponenten üblicherweise in ein zusätzliches Gehäuse verkapselt und so der vorgeschriebene Explosionsschutz sichergestellt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es ein einziges, universell verwendbares Industrial Ethernet nicht gibt. Zu unterschiedlich und kostenrelevant sind die geforderten Hardware- und Software-Features sowie die erforderlichen Zulassungen für die diversen Applikationen. Selbst unter maximaler Nutzung von Synergien kann es den idealen, universellen Industrial-Ethernet-Switch und damit das universelle Industrial-Ethernet-Netzwerk nicht geben. Konsequenterweise ist das Gerätespektrum bei Industrial Ethernet wesentlich vielfältiger als in der homogenen Bürowelt mit den bekannten Geräten für den 19\“-Datenschrank. Im Portfolio der Produktfamilie Scalance X von Siemens finden Anwender Industrial-Ethernet-Switches für verschiedene Anwendungen – sowohl Einsteigerprodukte als auch hochfunktionelle Switches. Zur Unterstützung bei der Auswahl des richtigen Switches sowie bei der Konfiguration der modularen Varianten steht ein Auswahltool zur Verfügung, das Switch Selection Tool. Hannover Messe 2011 / Halle 9, Stand A72

Siemens AG
http://www.siemens.de/switches www.siemens.de/switchselection

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen