Die VDMA-Studie Automation und IT 2015 lässt wenig Raum für Interpretationen. Der Trend in der Maschinenprogrammierung geht hin zu den Hochsprachen. Bis zum Jahr 2018 soll der verwendete Code zu rund 70 Prozent außerhalb der IEC61131-3 liegen, schätzten die an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen. Die Hochsprachen kommen dabei auf knapp 60 Prozent, während sich die SPS-Sprachen mit gut 30 Prozent behaupten, dicht gefolgt von Modelliersprachen wie Modellica oder Matlab (26 Prozent). Was bedeutet das für die künftige Praxis?
Internet der Dinge und Dienste
Die zunehmende Bedeutung der Hochsprachen hängt eng mit der fortschreitenden Entwicklung der Automatisierung im Kontext von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge (IoT) zusammen. Letzteres beschreibt die Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte mit ihrer virtuellen Repräsentation in einer Internet-ähnlichen Informationsstruktur, deren Nutzung dem Anwender meist völlig unbemerkt bleibt. Übertragen auf den Maschinenbau bedeutet das: Hersteller und Anbieter sind künftig gefordert, funktionale Produkte über Sensoren und Aktoren aus der Offline-Welt mit digitalen Diensten zu verbinden, beispielsweise um Nutzungsdaten in der Cloud zu sammeln, zu analysieren und auszuwerten. Aufgrund seiner hohen Affinität zur Informationstechnik wird das Internet der Dinge und Dienste in modernen, objektorientierten Hochsprachen programmiert. Aber wie sieht es auf Maschinenebene aus? SPS-Code ist hier bereits heute nicht mehr ausreichend, um innovative Anwendungen zu erstellen. Dennoch behalten die IEC61131-3-Sprachen ihre Bedeutung – etwa zur Binärdatenverarbeitung oder I/O-Programmierung. Um hinsichtlich Informationsverarbeitung, Datenmanagement und Vernetzung beide Welten effizient und ohne doppelten Programmieraufwand miteinander zu verbinden, brauchen die Maschinenbauer eine intelligente Software – ein interdisziplinäres Bindeglied, das in Steuerungen, Antrieben und Geräten implementiert ist und auf welches die Entwickler standardisiert über ihre jeweils bevorzugten Tools zugreifen können.
SPS- und IT-Automatisierung verbinden
Damit Steuerungen und Antriebe homogen in einer heterogenen Automatisierungslandschaft mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen interagieren können, hat Bosch Rexroth das Lösungspaket Open Core Engineering entwickelt. Dessen zentrales Element bildet die offene Schnittstelle Open Core Interface, mit deren Hilfe sich beispielsweise Achsen mit nur wenigen Zeilen Hochsprachencode und ohne SPS-Programmierung bewegen lassen. Mit dieser Eigenschaft bildet es eine effiziente Basis für künftige Engineering-Aufgaben. Um die erste Anforderung, eine höhere Software-Qualität, zu erreichen, gilt es, aus der IT-Welt bekannte Paradigmen wie Modularisierung, Objektorientierung, Wiederverwendbarkeit von Programmcode und Versionskontrollsysteme zu verfolgen. Im Hinblick auf die Produktinnovation muss das Engineering zudem einfacher und schneller werden. Dies gelingt mithilfe aktueller SPS-Technik und verfügbaren -Standards. Mit der zunehmenden Modularisierung von Maschinen und der damit verbundenen Forderung nach multitechnologischen Baukästen profitieren Anwender von einbaufertigen Modulen aus Hard- und Software, wie einbaufertige Motoren mit Linearführungen oder komplette Hydrauliklösungen mit automatisch geregelten Pumpenantrieben. Diese Baukästen lassen sich ohne Programmierung einfach konfigurieren und dialoggeführt parametrieren. Ein vierter Erfolgsfaktor liegt in der Maschinenbedienung, deren Attribute eine zeitgemäße User Experience, Web-Technologien und Smart-Apps bilden. Hierzu müssen alle Daten und Informationen des Automatisierungssystems für das Engineering zur Verfügung stehen.
Software-Tools und Funktionspakete
Die Zeiten, in denen Entwickler ihre Maschinen-Software von der ersten bis zur letzten Zeile manuell programmierten, sind längst Geschichte. Umfangreiche Software Tools mit einheitlicher Bedienoberfläche wie IndraWorks von Bosch Rexroth erleichtern den Engineering-Prozess vom Projektmanagement über die Konfiguration und einheitliche Programmierung von SPS, CNC, Robotik und Sicherheitstechnik bis hin zu den Blöcken Inbetriebnahme, Test, Diagnose und Visualisierung. Ein zweites Merkmal des modernen Software Engineerings sind Funktionspakete für bestimmte Programmierumgebungen. Sie beschleunigen die Implementierung komplexer Maschinenprozesse, verbessern mittels Engineering-Schnittstellen den Projekt-Workflow und steigern die Produktivität durch homogen integrierte Funktionserweiterungen, wie etwa zur automatischen Code-Generierung, Sicherheitstechnik oder beim Energiemanagement. Der dritte Baustein: offene Standards für die Produktion, allen voran OPC UA und die sogenannte Companion-Spezifikation. Diese beschreiben das Mapping von Sercos auf das OPC-UA-Informationsmodell und geben Herstellern sowie Anwendern mehr Flexibilität bei der Integration von Geräten – als OPC UA Server in Master- und Slave-Geräten, mit oder ohne Echtzeitkommunikation.
Web-Technologien auf dem Vormarsch
Ein zukunftsträchtiges Funktionspaket stellt Bosch Rexroth mit dem WebConnector zur Verfügung, mit dem Entwickler geräteunabhängig Web-basierte Lösungen erstellen können. Diese Kommunikations-Middleware übersetzt dazu als Dolmetscher Web-basierte Anwendungen in die Sprachen der Maschinen und umgekehrt. Während das Tool mit solchen Anwendungen beispielsweise über das mit HTML5 eingeführte WebSockets-Protokoll kommuniziert, spricht es mit der Steuerung per OPC UA. Auch das leichtgewichtige M2M- und IoT-Protokoll Oasis MQT (Message Queue Telemetry Transport) wird unterstützt. Letztendlich lassen sich so nicht nur innerhalb der Produktion Informationen sicher und umfänglich austauschen, sondern auch zwischen Maschinensteuerungen und Smart Devices. Als konsistentes Bindeglied zwischen Software-Tools, Funktionspaketen und offenen Standards wie OPC UA kommt das vierte Element des Rexroth-Baukastens für ein modernes Software-Engineering zum Tragen: das Open Core Interface. In Verbindung mit dem jeweiligen Software Development Kit lässt sich die offene Funktionsschnittstelle mit unterschiedlichen Hochsprachen anwenden, um ein breites Anwendungsspektrum entlang des typischen Workflows abzudecken -vom Rapid Control Protoyping und modellbasiertem Engineering über individuelle Steuerungsfunktionen und die PC-basierte IT-Automation bis hin zur Verwendung von Smart Devices in der Produktion.
Smart-Apps für Industrie 4.0 und IoT
Die einfache Erstellung von Smart-Apps im Rahmen von Open Core Engineering ist interessant für den Maschinenbau, weil sie ohne großen Aufwand neue Wege für die Informationsverarbeitung ebnet, neue Produktökosysteme ermöglicht und darüber neue Geschäftsmodelle eröffnet. Um für Steuerungen und Antriebe von Rexroth native Apps zu erstellen, muss der Programmierer lediglich das Open Core Interface als sogenanntes Software Development Kit direkt in die jeweilige Entwicklungsumgebung (Android Studio oder Xcode) einbinden. Danach kann er mittels Bibliotheken auf den kompletten Funktionsvorrat der Steuerung zugreifen. Geräteunabhängige Apps, die im Browser des Smart Device laufen, lassen sich einfach per WebConnector geräteunabhängig in HMTL5, CSS und JavaScript programmieren.
Maschinen und IT-Welt verbinden
Mit Blick auf Industrie 4.0 sind Maschinenbauer aufgerufen, ihre Lösungen evolutionär weiterzuentwickeln. Um das selbstständig leisten zu können, benötigen sie neben einer leistungsfähigen Werkzeugkette passende Funktionspakete und entsprechende Schnittstellen zu offenen Standards. Dadurch befähigen sie ihre Maschinen zum notwendigen Informationsaustausch und können neben SPS-basierten auch Anwendungen in Hochsprachen integrieren. Wer dies lediglich als Zukunftsanforderung begreift, die irgendwann auf das Unternehmen zukommt, verkennt eine wichtige Chance: auf dem Weg zum Internet der Dinge und Dienste von langjährig in der IT-Welt erprobten Konzepten, Lösungen und Geschäftsmodellen zu profitieren, um langfristig im Wettbewerb bestehen und neue Geschäftsmodelle realisieren zu können.