Hundert Tunnel im Blick

Scada-System im Einsatz in der Verkehrsleittechnik
Wegen seiner gebirgigen Topographie ist Italien ein an Straßentunnels reiches Land. In der Lombardei wurde von der Gemmo S.p.A. nun ein neues Überwachungs- und Fernsteuerungssystem konzipiert und eingerichtet. Auf dem Scada-System von Pcvue, einer Tochter der ARC Informatique basierend, stellt es Bequemlichkeit und Sicherheit der Nutzer der 140km Tunnelstrecken sicher.

Der weite Bogen der Alpen, italienisches Gebiet umschließend, wird von Straßen mit zahlreichen Tunnels durchquert. Die Tunnels, unterschiedlicher Baujahre, weisen Anlagen unterschiedlicher Bauzeitpunkte und unterschiedlicher technischer Ausstattung auf, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Dank eines neuen weitreichenden Projektes wird das Tunnelsystem des Straßennetzes nun durch ein auf Grund seiner Größe und Komplexität einzigartiges neues Überwachungs- und Steuerungssystem verwaltet.

Finanzierung eines 140-Millionen-Euro-Projektes

Der Rahmen des Projektes ist die technische Nachrüstung und das Sicherheitsmanagement von ungefähr 100 Tunnels im lombardischen, von der Anas S.p.A. verwalteten Netz von Staatsstraßen. Der breite Umfang umfasst die technische Nachrüstung der Tunnels und die Vereinheitlichung bzw. Erneuerung von Stromversorgung, Beleuchtung, Ventilation und Übertragungsanlagen für Videosicherheit und Daten. Die Tunnels, mit einer oder zwei Röhren, haben Längen zwischen 250m und 5km. Das geschätzte Volumen der Arbeiten liegt bei ungefähr 140Mio.E, davon 50% durch die Anas finanziert und 50% von privatem Sektor. Das Unternehmen Tunnel Gest, deren Aktienmehrheit von der Gemmo S.p.A. gehalten wird, wird nach Beendigung der dreijährigen Bauzeit und der Requalifizierung 17 Jahre lang ab Juni 2013 für das Management des fertig gestellten Projektes verantwortlich sein. Das Straßenmanagement bleibt in der Verantwortung von Anas. \“Die erste, sich der Vollendung nähernde Stufe sah die Nachrüstung der Tunnels nach den wesentlichen europäischen Normen im Hinblick auf die Tunnelsicherheit aufgreifenden Richtlinien von Anas vor\“, sagt Ing. Ciro Ascione, Systems Business Unit Manager von Gemmo S.p.A. \“Je nach ihrer Länge sind die Tunnels mit Anlagen unterschiedlicher Komplexität ausgestattet: Von einfacher Beleuchtung, bis zur Ventilation, Luftverschmutzungsanalyse, Hitzeerkennung, Videoüberwachung und Bildauswertung, Notfallmanagement, Sprachübertragung bei Notfällen, Wechsel-Verkehrszeichen und Funkverbindungen zur Unterstützung von Rettungsmaßnahmen.\“ Jeder Tunnel ist mit einem eigenen, auf Datenübertragung über das Stromnetz basierenden Automatisierungssystem ausgestattet und ist zum Zwecke der Überwachung und Steuerung mit der Leitstelle von Anas über ein sowohl Glasfaseroptik wie auch Mikrowellentechnik verwendendes Kommunikationsnetz (WAN) verbunden. Für die Integration örtlicher Systeme in das WAN-Netz ist weitgehend das Modbus-TCP/IP-Protokoll zum Einsatz gekommen, weil es die direkte und zuverlässige Steuerung von Peripheriegeräten und der relevanten Daten erlaubt.

Überwachung und Fernsteuerung

Das von der Gemmo S.p.A., einem zertifizierten OEM-Partner von ARC Informatique, konfigurierte Überwachungs- und Fernsteuerungssystem basiert auf einer kundenspezifischen Anwendung von Pcvue Scada. Es werden ungefähr 50.000 Datenpunkte, 800 Netzknoten und über 500 Grafikseiten gehandhabt. Von der Hauptseite aus mit ihrer Systemübersicht können die verschiedenen auf dem Display angezeigten Unterseiten aufgerufen werden. Beim Zugriff auf eine Unterseite, öffnet sich ein Informationsfenster mit einer Hilfestellung beim Navigieren auf der Unterseite. Auch kann nach Aufrufen eines bestimmten Systems (z.B. das Beleuchtungssystem) der Status in einem bestimmten oder in allen Tunnels visualisiert werden. Ferner lassen sich nach Öffnen des Informationsfensters zu einer bestimmten Anlage mehrere Aspekte ihres Betriebsstatus visualisieren, die Alarmgrenzwerte einstellen, Alarmmeldungen visualisieren und unter Umgehung der örtlichen Steuerlogik lässt sich das betreffende Anlagenteil steuern. Tatsächlich können alle dargestellten Objekte entweder im Automatik- oder im Fernsteuer-Modus arbeiten. Im Falle eines Problems (wie z.B. Brandgefahr oder hohe Luftverschmutzungswerte) greifen die betreffenden automatischen Prozeduren, wobei jedoch der Bediener zur besseren Handhabung der Situation manuell intervenieren kann. Wenn z.B. der Alarmablauf aufgrund übergroßer Luftverschmutzung in einem Tunnel automatisch gestartet wird, kann der Bediener die Situation über das Videosystem (bestehend aus ungefähr 1.500 Kameras) beobachten und unter Umständen Gebläseeinstellungen und Wechsel-Verkehrszeichen außer Kraft setzen, um die Räumung des Tunnels von Fahrzeugen zu beschleunigen, bevor der Zugang zum Tunnel behindert ist. Die Hardware umfasst zwei Server in Hot-Backup-Konfiguration mit einem weiteren, die Datenbank verwaltenden Server, zwei Clients für Anas, zwei Clients für Tunnel Gest und ein Client für die Verkehrspolizei. Zwei Wartungs-Clients werden vom Gemmo-Team benutzt. Jede Workstation im Kontrollzentrum hat zwei 42\“-Monitore nebeneinander, die unabhängig benutzt werden können. Dies gestattet es z.B., das Notfallsystem in einem Tunnel zu handhaben und gleichzeitig das gesamte System zu beobachten. \“Wir haben die gesamte Tunnelüberwachung im Anas-Betriebszentrum in Bellano zusammengefasst\“, erklärt Ing. Ascione. \“Scada zeigt dem Bediener über Video eine Serie grafischer Karten, die in Echtzeit den Status aller Anlagenteile wiedergeben.\“ Dank der Vernetzung ist es möglich, über das Netz Verbindung mit den einzelnen Überwachern aufzunehmen. Auf lokaler Ebene kann unter Verwendung eines tragbaren PCs als Kunde von Pcvue Verbindung aufgenommen werden, um einen Überwacher zu befragen oder mit einem Browser im Server des Netzes zu navigieren. Ausgehend von den im Überwachungssystem angezeigten Grafikseiten kann der Überwacher sofort feststellen, wo ein Alarm ausgelöst wurde oder ob ein User aus dem Tunnel heraus anruft.

Ein Maximum an Sicherheit

Charakteristisch für das System sind die verschiedenen Sicherheitsstufen. In jedem Tunnel befindet sich ein redundantes, mit dem allgemeinen WAN verbundenes LAN. Das Automatiksystem jedes Tunnels ist unabhängig von der Zentrale, und daher interagieren alle Untersysteme durch das LAN des Tunnels. \“Wenn ein Notruf aus irgendeinem Tunnel ausgelöst wird, wird ein allgemeines Alarm-Prozedere aktiviert\“, sagt Ing. Ascione. \“Ausgehend von der Hauptseite wird der Bediener in maximal zwei Schritten zu dem im Alarm angezeigten Punkt geführt.\“ Die Verlaufsdaten werden ungefähr zwei Monate gespeichert, je nach Anzahl der aufgezeichneten Alarmfälle. Im Falle einer zu großen Luftverschmutzung wird die Lüftung mit einer dem festgestellten Grad der Luftverschmutzung entsprechenden Intensität aktiviert, und zwar bis zur eventuellen Schließung des Tunnels. Zur selben Zeit erscheinen Warnungen an die Benutzer des Tunnels auf den Wechsel-Informationstafeln und unter Umständen wird auch das Lautsprechersystem eingeschaltet, das zum Verlassen der Fahrzeuge auffordert. All diese Informationen werden durch das Scada-System verfolgt, wodurch der Bediener die Möglichkeit hat, das automatische System außer Kraft zu setzen und per Fernsteuerung direkt mit den betroffenen Systemen zu interagieren. Tunnels haben zumeist eine axiale Lüftung, wobei manche jedoch auch Quer- oder Halbquer-Lüftung aufweisen. Im Wesentlichen haben sie eine Lüftungszentrale mit Rohren. Auf der Hauptseite von Scada werden die wichtigsten Informationen gebündelt: Die Intensität der Lüftung, der Status des Zeichensystems und die Luftverschmutzung mit ihren einstellbaren Schwellenwerten. Auch wird der Status jedes einzelnen Objektes angezeigt. Es werden spezielle Algorithmen verwendet. Z.B. verhindern Algorithmen durch Berücksichtigung der Verdünnungskraft der Luft Schwingungen. Ferner ist es möglich, Zyklen für den Betrieb der Ventilatoren so festzulegen, dass zum Zeitpunkt der programmierten Wartung alle Ventilatoren gleichzeitig die entsprechende Betriebszeit erreicht haben, wodurch erforderliche Eingriffe zur Schließung des Tunnels minimiert werden. Wird ein Feuer entdeckt, wird das Lüftungssystem nicht nur aufgrund der Undurchsichtigkeit der Luft und durch die CO-Sensoren gesteuert, sondern auch über eine Bildanalyse und das thermometrische System. Die Operationszentrale kann mit Informationen eingreifen, die die Fahrer direkt über UKW-Radio erreichen. Das System der Brandbekämpfung basiert auf mindestens einer die Wasserversorgung sichernden Pump- und Druckstation. Die Vorrattanks liefern Volumenströme von 600l/min für Tunnels mit einer Länge von mehr als 1.000m oder 300l/min bei Tunnels mit Längen zwischen 100 und 500m; spezielle Feuerlösch-Schläuche sind in Notfallbehältern alle 150m in den Tunnels vorhanden. Die Behälter sind außerdem mit einer im Netz integrierten VOIP-Sprecheinrichtung ausgestattet. Das integrierte Videosystem gestattet nicht nur die Videoüberwachung, sondern auch eine Bildanalyse. Sie arbeitet entweder im Modus \’on-demand\‘, auf Anforderung des Bedieners oder ereignisabhängig. Mit der Bildanalyse ist es z.B. möglich, ein durch einen Unfall oder eine Panne bewegungsunfähiges Fahrzeug zu erkennen, ein im Gegenverkehr fahrendes Fahrzeug, das Vorhandensein von Rauch, Fußgänger auf der Fahrbahn und andere Alarmsituationen. Das Videosystem ist unabhängig, jedoch gleichzeitig integriert. \“Wir haben Schnittstellen auf Pcvue, mit denen wir Zugriff auf bestimmte Bilder haben, und wir haben auch eine Schnittstelle mit dem für die Verkehrspolizei bestimmten Videosystem geschaffen, die ein Einsatzhauptquartier in der Zentrale von Bellano hat\“, sagt Ing. Ascione.

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