Bildverarbeitungssysteme – darunter vor allem jene, die auf digitaler Technik basieren – haben sich in den vergangenen Jahren rasch weiterentwickelt. Entwickler dieser Systeme sind mit etablierten Techniken wie FireWire (IEEE1394) und CameraLink vertraut. Seit Neuestem verzeichnet Gigabit Ethernet (GigE) reges Interesse. IEEE1394 und GigE-Vision nehmen im europäischen Markt für industrielle Bildverarbeitungskameras heute etwa 40% Anteil hinsichtlich der Stückzahlen und 50% hinsichtlich des Marktwertes ein. Dieses schnelle Wachstum begründet sich auf zwei Tatsachen: Erstens ersetzt die digitale Technik die herkömmliche Analogkamera-/Framegrabber-Kombinationen in Anwendungen, in denen Bildverarbeitung bereits zum Einsatz kommt. Zweitens eröffnet die Kombination aus kostengünstiger Massenmarkt-Hardware, höherer Leistungsfähigkeit und vereinfachter Integration neue Wege, die mit älteren Technologien technisch oder finanziell nicht möglich wären. Der Trend scheint sich fortzusetzen: zukünftige Entwicklungen wie die aufgerüsteten Standards GigE-Vision 2.0 oder FW S1600 werden in den kommenden Jahren neue Maßstäbe in Sachen Preis-Leistung setzen. Die Fortschritte in der Kameratechnik spielen ebenfalls eine Rolle. Hersteller wie Sony bieten eine hohe Kamera-Performance mit der Zuverlässigkeit und Robustheit, wie sie in anspruchsvollen industriellen und Embedded-Anwendungen erforderlich ist. Schnittstellenvielfalt für unterschiedliche Anwendungen Die Kombination mehrerer Kameras, die mit höheren Bildraten und besserer Auflösung arbeiten, führt zu einer größeren Schnittstellenvielfalt, wobei bestimmte Schnittstellen für bestimmte Anwendungen vorgesehen sind. Was macht GigE-Vision nun so interessant? Wie ausgereift ist die Technik für die industrielle Bildverarbeitung? Das attraktivste Merkmal bei GigE-Vision ist die lange Übertragungsreichweite. Mit möglichen Kabellängen bis zu 100m ist dies vor allem in großen automatisierten Fertigungsumgebungen, z.B. in der Automobilindustrie, interessant. Hier müssen Roboterbewegungen über weite Strecken angesteuert werden. Außerdem finden Prüfaufgaben an Punkten statt, die relativ weit auseinander liegen. Die gleichen Aspekte machen GigE-Vision zur ersten Wahl in vielen Logistikumgebungen. So benötigt z.B. ein automatischer Barcode-Leser eine Kamera, die sich über Dutzende Meter in einem Lager frei bewegen kann. In noch größerem Maßstab erfordern Außenanwendungen wie die landwirtschaftliche Inspektion von Kulturpflanzen lange Übertragungswege. Vertrautheit wichtig für Entwicklung von GigE-Vision-Bildverarbeitungssystemen Anwender bevorzugen GigE auch, weil es eine bekannte Technik ist – nicht nur für Bildverarbeitungssysteme, sondern auch in der üblichen Netzwerktechnik. Eine GigE-Vision-Kamera lässt sich über ein Netzwerk aus Standard-Hubs und Switches an eine herkömmliche Netzwerk-Interface-Karte (NIC) anschließen – alles Hardware, mit der ein IT-Verantwortlicher jederzeit arbeiten kann. Aufgrund dieser Eigenschaften wird Gigabit-Ethernet oft als natürliche Wahl für Anwender gesehen, die keine Erfahrung mit Bildverarbeitungssystemen haben, z.B. ein Unternehmen, dessen Kernkompetenz im Schreiben von Software liegt. Will dieses Unternehmen nun Hardware zum Support seiner Produkte einkaufen, bietet sich hier GigE als gängige Netzwerktechnik an. Die Ethernet-Verbindung selbst ist ebenfalls bekannt. Cat5- und Cat6-Leitungen finden sich in jeder Fabrik und in jedem Büro. Techniker kennen die Handhabung und Montage; IT-und Verwaltungsabteilungen halten Zubehör auf Lager und es muss nur dann Hand angelegt werden, wenn notwendige Änderungen oder Reparaturen durchzuführen sind. Unterstützung mehrerer Topologien Flexibilität und Skalierbarkeit sind weitere Pluspunkte für GigE. Das Protokoll eignet sich für in Eins-zu-Eins-, Eins-zu-Viele- und Viele-zu-Viele-Topologien. Das Eins-zu-Viele-Szenario ist immer häufiger in der Fertigungsinspektion und Qualitätskontrolle anzutreffen. Daten von einer Kamera lassen sich an einen PC zur Bildverarbeitung senden und an einen anderen Netzwerkknoten zur Archivierung. Hersteller haben somit eine durchgehende Kontrollmöglichkeit des gesamten Prüfprozesses. Wird nach der Fertigung ein Qualitätsproblem festgestellt (und vor allem, wenn sich das Produkt bereits im Feldeinsatz befindet), kann der Hersteller die ursprünglichen Inspektionsdaten einsehen und genaue Maßnahmen treffen. Dieser Ansatz ist vor allem für Automobilhersteller interessant, da so kostspielige Rückrufaktionen vermieden werden können. Da die meisten Vorkommnisse nur einen geringen Prozentsatz der gefertigten Fahrzeuge einer Linie betreffen, können Kopien der während der Inspektion aufgenommenen Bilder dem Autohersteller bei der Entscheidung helfen, welche Einheiten zurückzurufen sind. Eine Viele-zu-Eins-Netzwerktopologie kommt zum Einsatz, wenn das Bildverarbeitungssystem verschiedene Aspekte des gleichen Produkts überprüfen soll und Informationen dazu so korreliert werden, dass eine Gut-/Schlecht-Entscheidung gefällt werden muss. Ein Beispiel wäre die Fertigung von Solarzellen: Bilddaten werden aus verschiedenen Kamera-Blickwinkeln gesammelt, und die Bildverarbeitungssoftware benötigt Zugriff auf alle resultierenden Bilder, um eine Entscheidung über die Produktqualität zu treffen. Eine solche Viele-zu-Eins-Architektur kann auch in Systemen zum Einsatz kommen, die 3D-Bilder aus den Daten verschiedener Kameraperspektiven erstellen sollen. Ein weiterer Vorteil von GigE-Vision in diesen Fällen ist, dass eine einzige Netzwerk-Schnittstellenkarte (NIC) erforderlich ist, um mehrere Kameras an einen PC anzuschließen – diese Lösung reduziert die Kosten. Die Viele-zu-Viele-Kommunikation mit GigE ermöglicht andere Anwendungsfelder. So können anspruchsvolle Bildverarbeitungsaufgaben auf mehrere PCs verteilt werden, um die Geschwindigkeit und Performance zu erhöhen. Alternativ lassen sich Kameradaten an mehrere Netzwerkknoten senden – für verschiedene Zwecke: Ein Display ermöglicht die Überwachung durch den Bedienenden, während ein Headless-PC die Bildverarbeitungsaufgaben übernimmt. Ein Blick in die Zukunft Obwohl GigE-Vision ein noch relativ junger Standard ist, hat sich sein Fortschritt in der maschinellen Bildverarbeitung schon bemerkbar gemacht und wird weiter vorangetrieben. Kommende Entwicklungen in der Version 2.0 des Bildverarbeitungsstandards sorgen dafür, dass GigE eine noch robustere Plattform wird. Allen voran ist der Wunsch nach mehr Bandbreite. Die naheliegendste Lösung ist, die Übertragungsraten von 10GigE nutzen zu können. Da diese Technik jedoch noch relativ neu ist, sind die Hardwarekosten noch sehr hoch, genauso wie die Stromaufnahme. Diese beiden Faktoren führen dazu, dass 10GigE derzeit noch keine Chance in der Mehrheit der Embedded-Anwendungen hat. Link-Aggregation-Techniken werden als Alternative vorgeschlagen. Eine Kamera kann mit zwei GigE-Ports ausgestattet werden, was eine Verdoppelung der Bandbreite ermöglicht, da zwei Übertragungsstrecken benutzt werden. Diese Technik erfordert keine Änderungen der zugrunde liegenden Kommunikationsprotokolle und stellt eine hochskalierbare Lösung dar: Einige Anwendungen können mit halber Geschwindigkeit mit nur einem Port laufen, während andere die volle verfügbare Bandbreite erfordern und Link-Aggregation verwenden. Frühe Fortschritte bei GigE-Vision stellen sicher, dass Systeme eine gut definierte Quality of Service (QoS) liefern. Diese Bemühungen gehen mit der Weiterentwicklung der Datenflusssteuerung und einer verbesserten Synchronisation weiter, was die GigE-Zuverlässigkeit näher an die bereits verfügbare Zuverlässigkeit von IEEE1394 bringt. Beide Funktionen sind auch entscheidend für die effiziente Realisierung von Systemen mit mehreren Kameras. GigE-Vision bietet also bereits heute eine Funktionsvielfalt, die für viele Bereiche der maschinellen Bildverarbeitung interessant ist – sowohl für neue als auch bestehende Anwendungen. Mit den zukünftigen Verbesserungen und technischen Neuerungen wird GigE eine noch leistungsfähigere Plattform werden und seinen Platz in der Bildverarbeitung einnehmen. Vision 2011: Halle 6, Stand C33
Gute Stimmung auf der Control 2024
Zur 36. Control, die vom 23. bis 26. April stattfand, kamen 475 Aussteller.