Gemischter Betrieb

Systemtechnik mit pneumatischer und elektrischer Antriebstechnik aus dem Baukasten
Viele Maschinen und Anlagenbauer setzen darauf, bestimmte Elemente ihrer Maschinen aus einer Hand zu beziehen. Einer der Vorteile dabei ist, dass die Verantwortlichkeiten geklärt sind. Der Pneumatikspezialist Festo ist bei näherer Betrachtung ein Unternehmen, das für seine Größe erstaunlich viele kundenspezifische Lösungen bietet. So auch im Systemgeschäft, wo pneumatische und elektrische Antriebstechnik zu einem System verschmelzen. Ein Gespräch mit Mario Ertner, zuständig für die Fachabteilung Projektierung Handhabungstechnik und elektrische Antriebe.

Wie hat sich das von Ihnen betreute Systemgeschäft in den letzten Jahren entwickelt?

Ertner: Im Systemgeschäft haben wir uns vom Anbieter von Achsmechanik mit optionalem Antriebspaket zum Lösungsanbieter entwickelt. Letztlich ist es die Lösung, die die Kunden interessiert. Größere Kunden forderten allerdings schon länger Mehrwertleistungen von ihren Lieferanten: Sie erwarteten, dass die Lieferanten mehr tun, als nur Einzelkomponenten aus dem Katalog zu liefern.

Geht es da auch darum, Technologiewelten miteinander zu verbinden? Also Pneumatik, elektrische Antriebstechnik, Mechanik und Software?

Ertner: Ja, absolut. Festo kommt ursprünglich aus der Pneumatik. Durch die Mischung aus Pneumatik und Elektrik können wir unseren Kunden individuell immer das anbieten, was ihr Problem löst. Wenn wir in einer Anwendung Werkstücke von A nach B in einer bestimmten Zeit bewegen und zwischendrin nicht anhalten müssen, können wir das pneumatisch oder elektrisch lösen. Wenn Kunden aber eine rein elektrische Lösung wünschen, bekommen sie natürlich auch ein Handling nur mit elektrischen Achsen. Meist ist aber eine Mischung aus elektrischer und pneumatischer Antriebstechnik der Königsweg. Damit können wir für die Anwender immer das Optimum für deren Applikation finden. Für uns kommt es gar nicht darauf an, ob wir Pneumatik oder Elektrik im Handling verbauen – wir können beides in Abhängigkeit der Kundenlösung. Das ist eine große Stärke von Festo.

Wenn wir versuchen abzugrenzen, was Sie anbieten: Wo würden Sie die Grenzen ziehen?

Ertner: Man muss ganz klar sagen: Wir hören da auf, wo die unvollständige Maschine aufhört. Wir bringen also keine Förderbänder an, bauen keine Sicherheitszäune um die Anlagen herum oder versehen die Anlage mit Lichtschranken. Das ist nicht unser Ding. Wir wollen unseren Kunden keinen Wettbewerb machen.

Gibt es spezielle Branchen, die Sie bevorzugt beliefern?

Ertner: Es gibt keine Branchen, die wir bevorzugen. Aber es gibt natürlich Branchen, die besonders viel von unseren Handhabungssystemen abnehmen. Momentan brummt die Nachfrage aus der Automobilindustrie. Es laufen aber auch Projekte in der Kleinteilemontage oder Elektronik wie etwa bei der Handy-Produktion, Tablet-PC-Produktion oder Leiterplattenfertigung. Da geht was.

Wenn es jetzt um die Dimensionierung von Systemen geht, welche Rolle spielt von den Anforderungen der Kunden her das Thema Energieeffizienz?

Ertner: Das Thema Energieeffizienz spielt eine Rolle, allerdings nicht die Rolle, die ihr in der Öffentlichkeit zugeschrieben wird. Die Kunden erwarten, dass wir richtig dimensionieren, dass wir groß genug, aber nicht zu groß dimensionieren. Das erreichen wir über gute Auslegungstools, gut geschulte Mitarbeiter und den Technologie-Mix aus Pneumatik und Elektrik, den Sie vorher angesprochen haben. Denn es ist für viele Kunden effizient, wenn in ihrem Handling für die kleine Bewegung von A nach B über 20mm ein kleiner Pneumatik-Zylinder eingesetzt wird. Ein teurer elektrischer Antrieb wäre hier fehl am Platz. Aber umgekehrt, wenn viele Zwischenstops notwendig sind, würde mit rein pneumatischen Antrieben der Luftverbrauch und der Einsatz der Komponenten viel zu stark steigen. Da sind elektrische Antriebe gefragt. Diese pragmatische Energieeffizienz, die spielt eine große Rolle.

Das steht aber nicht im Lasten- oder Pflichtenheft ganz oben, nach dem Motto: \’Bei der Auslegung bitte Energieeffizienz beachten\‘?

Ertner: Das wird vorausgesetzt und erwartet, ohne Worte. Wir sollen, wie man auf Schwäbisch sagt, \“g\’scheit dimensionieren\“ – also richtig auslegen. Damit erzielen wir für die Kunden auch Energieeffizienz. Allerdings spielt dieses Thema bei der Lieferantenauswahl bisher praktisch keine Rolle. Ich habe sie noch nie als Bewertungskriterium gesehen, habe noch nie einen Einkäufer danach entscheiden sehen. Es wird nach der Technik entschieden, nach dem Preis, nach dem Lieferanten-Portfolio: Was kann der Lieferant? Wozu ist er in der Lage? Wie innovativ ist er? Wie kundenorientiert arbeitet er? Wie ist er weltweit aufgestellt? Das sind die Fragen, die die Kunden bewegen.

Es könnte ein Kriterium sein, den Energieverbrauch für eine Funktionalität zu vergleichen. Damit ließe sich doch jede Automatisierungs-Blackbox mit einem bestimmten Energieverbrauch bei der gewünschten Leistungsfähigkeit betreiben.

Ertner: Das habe ich schon bei Projekten erlebt, bei denen man sehr früh in der Projektphase einsteigt, also schon, bevor das Konzept für eine Anlage steht. Wenn die Lieferung etwas umfassender ist – also Handhabungstechnik inklusive Steuerung, Motor- und Controllertechnik – werden auch Punkte wie Energieverbrauch angesprochen. In diesen Fällen kennen wir den gesamten Zyklus: Zweischichtbetrieb, Ausprägung der Anlage, Werkstücke, Taktzeiten oder Wartungsintervalle. So können wir natürlich eine sehr viel konkretere Aussage zum Thema Energieeffizienz machen.

Wo sehen Sie – bezogen auf Ihren Verantwortungsbereich – noch Entwicklungspotentiale im Geschäft von Festo?

Ertner: Elektrische Antriebe bieten für uns riesige Entwicklungspotentiale, auch im Systemgeschäft. Gerade bei unserer Motorcontrollertechnik werden in den nächsten Jahren interessante Produkte kommen. Festo hat als einziger Anbieter am Markt die Möglichkeit, von der Mechanik über Motor, Controller, Steuerung das komplette Spektrum zu liefern.

Gibt es vielleicht auch Branchen, in denen der Systemgedanke noch nicht so angekommen ist, in der Festo jedoch sein Know-how aus anderen Branchen einbringen kann?

Ertner: Wir bearbeiten momentan Anfragen aus der Medizin- und Labortechnik. Ich bin gespannt, wo das hinführt. Ein völlig anderer Markt als die uns bisher bekannten. Die Kunden verlassen sich hier noch stärker auf unsere Lösungskompetenz, da das Automatisierungs-Know-how in dieser Branche sehr viel niedriger ist als beispielsweise in der Elektronik-Industrie.

Sind Sie mit dem Systemgeschäft primär in Deutschland und Zentraleuropa vertreten, oder geht das auch darüber hinaus?

Ertner: Deutschland ist unser Heimatmarkt, natürlich sind wir dort am stärksten. Wir unterstützen aber auch unsere Landesgesellschaften in Europa. Den ersten Schritt machen die Landesgesellschaften, wenn sie bei uns Hilfe hier in Esslingen anfordern, weil sie anders nicht weiterkommen. Das funktioniert innerhalb Europas gut. Auch die amerikanischen und asiatischen Landesgesellschaften haben Strukturen zur Unterstützung.

Gibt es für die Arbeit Ihrer Abteilung standardisierte Prozesse?

Ertner: Wir haben ein Standard-Handhabungssystem. Dieser Standard wird kundenspezifisch angepasst. Das machen wir bei ganz einfachen Aufträgen, aber auch bei hoch komplexen. Wir versuchen, auf Anfragen innerhalb von ein bis zwei Tagen zu reagieren. Nach dem Motto: \“Wir haben Ihre Anfrage bekommen, bearbeitet wird es von Herrn Buchwitz.\“ Ziel ist es dann, innerhalb von vier bis fünf Tagen ein Angebot inklusive eines Vorabmodells zu versenden. Es wird viel telefoniert mit den Kunden und viel mit dem Außendienst abgestimmt. Das Motto ist \’Einbauen und Vergessen\‘ und bevor es eingebaut wird, machen wir lieber ein paar Abstimmungen zu viel als zu wenige.

Festo AG & Co. KG
http://www.festo.de

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