Frank Winter von B&R: \“Nicht nur Produkte sondern Lösungen\“

Nicht nur für Maschinenbauer, auch für Lieferanten von Automatisierungstechnik war 2009 ein schwieriges Jahr. Bei einigen Herstellern ist die Trendwende jedoch offensichtlich längst vollzogen. Wir sprachen mit B&R-Deutschland-Chef Frank Winter über die gegenwärtige Lage und über Produktneuheiten zur Hannover Messe.

Herr Winter, wie geht es B&R? Ende 2008 begann ein Abschwung über das gesamte Frühjahr 2009 hinweg. Das gilt für Deutschland ebenso wie für den Konzern. Ab August 2009 war eine zarte Belebung feststellbar, die rasch intensiver wurde. Seit November 2009 schreiben wir neue historische Höchststände, und zwar jeden Monat einen neuen. Das wird auch im März der Fall sein. Im Februar lagen wir bereits bei 140% des Rekord-Höchststandes aus 2008. Das heißt, Sie rechnen mit einem sehr guten Jahr 2010? Ja, aber leider lässt sich das nicht genau beziffern. Die Vorläufe im Bestellaufkommen, die wir in den neunziger Jahre hatten, haben sich im Laufe der Jahre durch unsere \’Just-In-Time-Lieferung\‘ kontinuierlich reduziert. Wir haben damit den Wünschen unseres Kunden nach kurzen Dispositionszeiten entsprochen und liefern direkt auf den Montagezeitpunkt seines jeweiligen Projektes. Das hat jedoch zur Folge, das nicht absehbar ist, wie das zweite Halbjahr aussieht. Gegenwärtig und für das zweite Quartal geht die Kurve steil nach oben. Worin liegt der Grund für ihr überdurchschnittliches Wachstum? Wir haben uns in den letzten Jahren konsequent fortentwickelt und stellen unseren Anwendern nicht nur Produkte sondern Lösungen, also in Software gegossene Funktionen zur Verfügung. Das sind die entscheidenden Faktoren. Die Erweiterung unseres Hardwareportfolios beispielsweise um AcoposMulti hat natürlich zusätzlichen Umsatz gebracht. Den entscheidenden Schritt sind wir aber mit Generic Motion Control gegangen, Bewegungen nicht nur nach Kurvenscheiben zu definieren, sonder eben auch CNC- und Robotik-Funktionalitäten gemischt in einem Projekt verwenden zu können. Das ist eine erhebliche Erweiterung unseres Lösungsportfolios, die sich natürlich in wachsenden Umsätzen zeigt, da man solche Lösungen nicht mehr fremd zukaufen muss. Zudem konnten wir im vergangenen Jahr, genauer gesagt von Oktober bis Oktober, über 150 neue Serienmaschinenbauer als Kunden hinzugewinnen: mit guten Produkten und dadurch, dass wir nah am Kunden sind. Und wie sieht es speziell auf dem deutschen Markt aus? Eigentlich ist die Entwicklung zwischen den Landesgesellschaften und dem Konzern stets synchron verlaufen. Die Umsätze der Einzelmärkte werden nicht mehr genannt. Durch die Erfolge in Asien wird der prozentuale Anteil der deutschen Landesgesellschaft naturgemäß kleiner, auch wenn er absolut natürlich wächst. Sie haben vor kurzem die Getriebe von Neugart in ihr Portfolio aufgenommen. Was war der Grund dafür? Für manche Kunden ist die Schnittstelle zwischen Mechanik und Elektrotechnik der Servoverstärker, für andere ist es das Getriebe, das ist letztlich eine Philosophiefrage. Aber immer mehr Kunden wollen alles aus einer Hand haben, um bis zur letzten Welle auch die Auslegung, Beratung und natürlich die Verantwortung für die perfekte Integration mit genau einem Partner zu entwickeln. Diese Entwicklung ist natürlich von uns gewollt, sie ist jedoch auch vom Markt so gefordert. Nach vielen Jahren dezentraler Automatisierungskonzepte: Folgt jetzt die Renaissance des zentralen Automatisierungsansatzes? Früher wurde dezentral automatisiert, weil man den Anforderungen der Anwendung genau an dieser Stelle anders nicht gerecht werden konnte: Die Feldbusse waren einfach nicht schnell genug. Mit Powerlink kann man heute die Signale, die aus dem Prozess kommen ohne relevante Verzögerung auch über größere Distanzen in eine zentrale Steuerung übertragen. Damit wird die Notwendigkeit zum Einsatz dezentraler Intelligenz immer geringer und gleichzeitig die Anforderungen an hochperformante Reaktionen weit entfernt von der Steuerung realisiert. Das hat natürlich Vorteile, weil viele Dinge wesentlich einfacher werden: Zum Einen entfällt der Querverkehr der dezentralen Steuerungen über den Bus vollständig, das Projekt wird eleganter und straffer. Auch die Datenhaltung und Sicherung wird erheblich vereinfacht. Dadurch sind Kosteneinsparungen möglich und natürlich wird jeder Anwender daher zu einer zentralen Lösung tendieren, aber viel wichtiger ist: Er hat heute die Wahl. Sie stellen in diesem Jahr in Hannover in Halle 9 aus. Was zeigen Sie den Anwendern? Wir zeigen auf der Hannover Messe neben zahlreichen Neuheiten in unserem Portfolio viel zum Thema Hybridautomatisierung und ich kann Ihnen sagen: Das ist auch für Maschinenbauer ein hoch interessantes Thema. Neben den klassischen Automatisierungsmöglichkeiten mit B&R-Produkten zeigen wir, wie man mit unserem Prozessleitsystem, das eigentlich für große verfahrenstechnischen Anlagen entwickelt wurde, die Prozesserfassung an einer kompakten Maschine oder Anlage bewältigen kann, und wie man mit einem solchen System Echtzeitreaktionen erreichen kann. Sogar Antriebe können unter diesem Gesichtpunkt integriert werden können. Das heißt, es gibt Maschinenbauer, die für ihre Maschinen das Prozessleitsystem Aprol einsetzen? Ja, und sie nutzen die vielen Vorteile z.B. der Validierung, der Chargenverfolgung usw., die das Prozessleitsystem bietet. Die Funktionen von Aprol gehen weit über die eines Scada-Systems hinaus. Aber natürlich ist damit auch das Thema Visualisierung erledigt. Auch wenn es beispielsweise um Mehr-CPU-gesteuerte Prozesse geht haben die Aprol-Anwender zahlreiche Vorteile und natürlich können unter Aprol auch Echtzeitfunktionen und Antriebstechnik laufen. Prozessleitsysteme und Maschinen schließen sich bisher schon aufgrund der Preissturktur der PLS aus. Sie haben recht. Das alles macht natürlich nur dann Sinn, wenn auch das Lizenzsystem dementsprechend angepasst ist. Wir benutzen ja die gleiche Hardware wie in der klassischen Maschinenautomatisierung, d.h. unsere Industrie-PCs, unsere Steuerungen, unsere E/As. Die Hardware bleibt also gleich zur klassischen Steuerungsdenkweise. Man gewinnt allerdings große Vorteile beim Prozessmonitoring, Chargenverfolgung usw. Für solche Anwendungen gibt es entsprechend abgestimmte Lizenzen. Mit all den Vorteilen, die sich daraus ergeben, kann das eine sehr kostengünstige Lösung werden. Was werden wir noch in Hannover sehen? Wir werden natürlich auch auf die Themenschwerpunkte der Messe eingehen, das sind die Themen Energieeffizienz und -Optimierung und der erneuerbaren Energien, wie z.B. die Windkraft. Dazu werden wir entsprechende Lösungen vorstellen, auch wenn Windkraft in Hannover in diesem Jahr kein Schwerpunkt ist. Aber wir wissen, dass doch viele Windkrafthersteller nach Hannover kommen. Das Interview entstand im März dieses Jahres.

B&R Industrial Automation GmbH

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