Expertengespräch \’Safety Services\‘

Welche Unterstützung bieten Automatisierungsanbieter im Bereich der Funktionalen Sicherheit den Anwendern?
Das Thema \'Funktionale Sicherheit\' ist nicht einfach. Eine ganze Menge an Expertenwissen ist erforderlich und so mancher Maschinenbauer hat sich darum schon ratsuchend umgeschaut. Wir haben drei Automatisierungsanbieter aus dem Bereich der Funktionalen Sicherheit dazu befragt, welche Service-Leistungen ihre Unternehmen als Unterstützung anbieten: Jonas Urlaub, Produktmanager Funktionale Sicherheitstechnik bei Kübler, Arndt Christ, Leiter des Customer Support bei Pilz und Uwe Wiemer, Leiter Safety Services bei Schmersal, haben sich unseren Fragen gestellt.

Bietet Ihr Unternehmen Services (Dienstleistungen) im Bereich Safety und was waren die Gründe für einen Einstieg in diesen Bereich?

Urlaub (Kübler): Ja, die Kübler-Gruppe bietet abgestufte Dienstleistungspakete im Bereich Funktionale Sicherheitstechnik an. Im Produktportfolio der Kübler-Gruppe wurde die Funktionale Sicherheitstechnik als vierter Geschäftsbereich festgelegt. Safety Services sind ein wichtiger Bestandteil der Strategie in diesem Bereich, sie runden das Portfolio von sicheren Drehgebern und Sicherheitssteuerungen ab. Vor allem in den verschiedenen Kernbranchen sind Komplettlösungen in Verbindung mit Safety Service ein echter Mehrwert für Kunden. Man bietet dem Kunden so gesagt ein \’Rundum-Sorglos\‘ Paket an.

Christ (Pilz): Sicherheit entsteht erst im Verständnis der Anforderungen plus deren richtige Umsetzung. Pilz kann hier ganzheitlich unterstützen, da wir die notwendige Expertise und Erfahrung über Jahrzehnte kontinuierlich aufgebaut haben. Bereits seit der Einführung der ersten Sicherheitsschaltgeräte beraten wir unsere Kunden entsprechend. Nachdem die Nachfrage unserer Kunden nach Funktionaler Sicherheit stetig gestiegen ist, haben wir unsere Beratungstätigkeiten kontinuierlich ausgebaut. Heute können wir ein umfassendes Dienstleistungsportfolio anbieten – und zwar weltweit. Unsere Dienstleistungen sind in die Bereiche Consulting, Engineering und Training gegliedert.

Wiemer (Schmersal): Natürlich bietet unser weltweiter Vertrieb immer schon die individuelle Kundenberatung an, und das sehr intensiv. Die Nachfrage nach diesen Services stieg in den vergangenen Jahren beständig, zugleich wurden die Anfragen deutlich komplexer. Das war für uns der Anlass, unser Dienstleistungsangebot auszubauen. In diesem Bereich haben wir vorhandene Services, Mitarbeiter und Abteilungen zusammengezogen, z.B. unsere zertifizierten \’Functional Safety Engineers\‘, das \’Application Engineering\‘ – das heißt, die kundenspezifische Entwicklung und Anpassung von Sicherheits-Schaltsystemen – und das Veranstaltungsprogramm im Wuppertaler \’tec.nicum\‘.

Wo fangen Safety Services an und wo hören sie auf?

Christ (Pilz): Safety Services sollten den kompletten Lebenszyklus einer Maschine in Bezug auf die Funktionale Sicherheit abdecken. Sie reichen von der Risikobeurteilung über die Ausarbeitung eines Sicherheitskonzepts und dessen Implementierung bis hin zur CE-Kennzeichnung. Wie wirkungsvoll die Sicherheit in der Praxis tatsächlich ist, steht und fällt mit der Qualifikation der Mitarbeiter. Daher haben wir zusammen mit TÜV Nord das internationale Qualifizierungsprogramm CMSE aufgebaut, mit dem wir erstmals internationale Standards setzen.

Wiemer (Schmersal): Plakativ gesagt: Das Spektrum reicht von A wie Application Engineering bis Z wie Zeitmessung beim sicheren Abschaltverhalten bzw. beim Auslösen von Sicherheits-Schaltgeräten. Zu den Schmersal Safety Services gehören Beratungsleistungen z.B. bei der Auswahl von Schutzeinrichungen und Sicherheits-Schaltgeräten, die normenkonforme Risikobeurteilung und die Entwicklung von Software-Bausteinen für unsere Sicherheitssteuerungen sowie die sicherheitstechnische Analyse vorhandener Maschinen. Darüber hinaus arbeiten wir in unserem CE-Netzwerk mit Kooperationspartnern zusammen, die auch sehr komplexe und spezielle Aufgabenstellungen der Maschinensicherheit abarbeiten. Und wir bieten ein reichhaltiges Programm an Schulungen und anderen Veranstaltungen – nicht nur in Wuppertal, sondern auch bei unseren Kunden vor Ort.

Urlaub (Kübler): Stichwort: Maschinenrichtlinie 2006/42/EG – Kunden müssen sich (nicht erst seit gestern) mit diesem Thema befassen. Safety Services unterstützen und entlasten den Kunden bei jeder Maschinen- und Anlagenplanung. Vor allem in den ersten Phasen, sprich der Spezifikation, ist eine Risikobeurteilung elementar wichtig. Erst dann kann die Theorie in die Praxis überführt werden. Hierfür muss ein Safety Concept erstellt werden. Dieses beinhaltet nicht nur die Risikobeurteilung, sondern auch die Auswahl der Safety- Komponenten. Insbesondere mittelständische und kleinere Unternehmen greifen auch gerne auf das Dienstleistungspaket Inbetriebnahme/Abnahme zurück und nehmen unser Know-how in Anspruch.

Für welche Zielgruppen ist Safety Services lohnenswert?

Urlaub (Kübler): Die unterschiedlichen Kernbranchen bzw. Zielgruppen haben unterschiedliche Erwartungen, Ansprüche und Anforderungen. Hier müssen nicht nur verschiedene Produkte angeboten werden, sondern auch passende und abgestimmte Dienstleistungspakete. Mit unseren vier abgestuften Dienstleistungspaketen gelingt es der Kübler Gruppe eine Vielzahl an individuellen Lösungen anzubieten. Wir sprechen kleine, mittlere und große Unternehmen an. Alle haben den Wunsch nach externer Beratung, wenngleich auch aus manchmal unterschiedlichen Gründen. Neben dem klassischen Maschinenbau sind wir auch sehr eng mit großen Endkunden im Gespräch. Hier stehen regelmäßig Retrofits und Umbauten an, die im eigenen Haus ablaufen.

Wiemer (Schmersal): Da das Spektrum unserer Dienstleistungen sehr breit ist, ist auch die Zielgruppe groß. Besonders interessant sind unsere Safety Services für die Endanwender von Maschinen, die für die komplexen Fragestellungen und Regelungen der Maschinensicherheit keine eigene Kompetenz aufgebaut haben, weil ihr Fokus in der Produktion, das heißt, auf dem Einsatz der Maschinen liegt. Wir beraten aber auch viele Maschinenbauer, und unsere Entwickler im \’Application Engineering\‘ sind ebenfalls überwiegend für den Maschinenbau tätig.

Christ (Pilz): Da die Sicherheit von Maschinen und Anlagen immer eine Rolle spielt, und dies auch durch entsprechende Gesetze und Vorschriften wie die Betriebssicherheitsverordnung gefordert wird, sind alle am Lebenszyklus einer Maschine Beteiligten betroffen. Zum einen müssen Hersteller von Maschinen und Anlagen dafür sorgen, dass ihre Maschine der Maschinenrichtlinie entspricht. Zum anderen müssen Betreiber auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung die Sicherheit ihrer Maschinen garantieren. Somit können wir bei der Relevanz der Safety Services keinen Unterschied in den Zielgruppen machen.

Welche Rolle spielen Safety Services beim Retrofit von Maschinen und Anlagen?

Wiemer (Schmersal): Beim Retrofit vorhandener Maschinen sind Safety Services sehr gefragt, und das aus mehreren Gründen. Erstens findet die Modernisierung häufig beim Anwender statt, dessen Kernkompetenz nicht die Maschinensicherheit ist. Zweitens ist das sicherheitstechnische Retrofit ein sehr komplexes Thema, komplexer noch als die Konstruktion einer neuen sicheren Maschine. Es geht hier oft um die Integration neuer Steuerungen und neuer Sicherheitseinrichtungen in die vorhandene mechanische Konstruktion. Da sind viele Detailfragen zu klären. Drittens muss im Vorfeld geklärt werden, welche Normen und Regelungen überhaupt greifen: Je nach Baujahr und Herkunft der Maschine gelten unterschiedliche Bestimmungen. Aus diesen Gründen beraten wir nicht nur die Anwender der Maschinen, die umgerüstet werden sollen, sondern auch Unternehmen, die sich auf den Maschinenhandel und das sicherheitstechnische Retrofit spezialisiert haben.

Urlaub (Kübler): Das Nachrüsten von Funktionaler Sicherheitstechnik in Maschinen spielt eine große Rolle. Speziell hierfür haben wir das Dienstleistungspaket \’Safety Nachrüstung\‘ entwickelt, was dem Kunden nicht nur beratend zur Seite steht, sondern ihm auch je nach Ressourcen und Kompetenzen die mechanischen und elektrischen Arbeiten abnimmt und mit einer rechtskonformen Dokumentation abschließt. Insbesondere für Endkunden ist es wichtig, einen Ansprechpartner beziehungsweise alles aus einer Hand zu erhalten. Technisches Know-how und eine enge Kooperation mit der Instandhaltung und Wartungspersonal des Kunden sind in diesem Bereich besonders wichtig. Unser Ziel: Der Kunde erhält ohne hohen Aufwand eine sichere Anlage und rechtssichere Dokumentation.

Christ (Pilz): Um die Sicherheit der Maschine zu gewährleisten, ist zunächst zu bewerten, ob das Retrofit zu einer sogenannten \’wesentlichen Änderung\‘ der Maschine führt. Bereits kleinere Eingriffe in die sicherheitstechnischen Maschinenkonzepte können eine \’wesentliche Änderung\‘ darstellen. Dann ist für die Maschine nach der Maschinenrichtlinie eine erstmalige oder neue CE-Kennzeichnung erforderlich. Der Aufwand dafür kann groß werden, vor allem dann, wenn für die betreffende Maschine oder Anlage keine tauglichen Dokumentationen vorliegen. Werden nur geringfügige Änderungen gemacht, dann muss die Sicherheit mindestens den Anforderungen entsprechen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Anlage gegolten haben.

Welches Potenzial sehen Sie zukünftig für diesen Bereich in Bezug auf Märkte und Umsätze?

Christ (Pilz): Ein sehr Großes. Gerade bei der Modernisierung von Altanlagen ist in Europa ein hohes Potenzial vorhanden. Darüber gilt: Obwohl das Schutzziel sicherer Arbeitsplatz weltweit das Gleiche sein sollte, sind wir in einigen Ländern der Welt noch ein ganzes Stück davon entfernt. U.a. liegt das am gesellschaftlichen Konsens des jeweiligen Landes darüber, wie groß das akzeptable Restrisiko sein darf. Zudem muss man das entsprechende Wissen über Maschinensicherheit aufbauen und die Sicherheitskultur mit Leben füllen. Besonderes Augenmerk legen wir auf die BRIC-Staaten und Schwellenländer. Wir werden in diesen Regionen weiter intensiv als Botschafter der Sicherheit wirken, um unseren Beitrag zum Aufbau von Wissen bzw. einer Sicherheitskultur zu leisten. Dafür haben wir mit dem Customer Support und der \’International Service Group\‘ ein eigenes weltweites Netzwerk mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im engen Austausch stehen und so das lokale Wissen zum Nutzen internationaler Kunden einsetzen.

Urlaub (Kübler): Die Funktionale Sicherheitstechnik hat ein sehr großes Potenzial in Mitteleuropa, da hier auch der Maschinenbau sehr stark ist. Das Thema Sicherheit hat in vielen Branchen an Bedeutung gewonnen. Es ist eines der Top-Themen bei Kundengesprächen, Messen, Kongressen usw. Weitere europäische Länder gehen diesen Trend bzw. dieses wichtige Thema an und dadurch steigt natürlich das Potenzial in diesem Bereich. Als international agierendes Unternehmen ist es unser Bestreben, in allen Branchen den Anforderungen der funktionalen Sicherheitstechnik gerecht zu werden.

Wiemer (Schmersal): Wir sehen hier großes Potenzial und haben die Weiterentwicklung des Safety-Services-Bereiches daher sehr sorgfältig und auf internationaler Ebene geplant. Wobei man auch ganz ehrlich sagen muss: Unsere Kunden zwingen uns fast dazu, Gas zu geben, weil sie uns in immer stärkerem Maße mit Service-Leistungen beauftragen – auch mit Aufgaben von sehr großem Umfang. Dazu gehört z.B. die Überprüfung und Bewertung von bestehenden Maschinen und Anlagen bei global tätigen Unternehmen mit vielen Produktionsstandorten.

Fritz Kübler GmbH
http://www.kuebler.com

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